Mehrsprachigkeit - aber wie?

14. März 2016

Mehrsprachigkeit gilt als allgemeines Bildungsziel unserer Gesellschaft. Jede/r sollte, wenn möglich, zwei oder drei verschiedene Sprachen sprechen, wobei Englisch und einige romanische Sprachen immer noch häufig als prestigereicher angesehen werden als klassische Migrantensprachen wie etwa Türkisch, BKS oder Albanisch. Doch gerade sie zeigen, dass Mehrsprachigkeit längst zur gesellschaftlichen Realität geworden ist, die sich auch in den Schulen widerspiegelt.

Für viele mehrsprachige Eltern tauchen die ersten Unsicherheiten jedoch bereits vor dem Eintritt des Kindes in das formale Bildungssystem auf. In welcher Sprache erziehe ich mein Kind? Verwende ich besser meine eigene Muttersprache, oder beginne ich lieber gleich mit Deutsch, damit es später keine Probleme haben wird? Sehe ich mich darüber aus, mein Kind zweisprachig zu erziehen?

Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, diese Entscheidung zu treffen, denn auch ExpertInnen haben zu diesem Thema in den letzten Jahrzehnten ihre Meinung geändert. Früher war man überzeugt, dass Kinder so viel wie möglich mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen sollten. Das hatte zur Folge, dass viele Eltern ihre Erstsprache kaum oder nur mangelhaft an ihre Kinder weitergaben. Auch vom Besuch des muttersprachlichen Unterrichts blieben sie ausgeschlossen, aus Angst, dadurch als integrationsunwillig negativ aufzufallen. Im Erwachsenenalter bereuen viele, ihre Muttersprache nie richtig gelernt zu haben.

Diese Sichtweise keimt gerade in der Debatte um eine Deutschpflicht in den Pausen wieder auf. Eine Grundfrage lautet dabei, ob eine derartige Forderung  rechtlich überhaupt zulässig ist. Ich glaube aber, dass man so weit überhaupt nicht zu denken braucht, denn es stellt sich auch rein aus pragmatischer Sicht die Frage, wie so etwas umsetzbar sein soll. Soll man LehrerInnen etwa dazu verpflichten, den SchülerInnen in den Pausen auf Schritt und Tritt zu folgen, um einzuschreiten, sobald ein nicht-deutsches Wort fällt? Indem man Kindern Sprache verbietet, wird man jedenfalls ihre sprachliche Entwicklung nicht fördern können.

Heutzutage wird aus fachlicher Sicht ganz klar die Muttersprache, oder Erstsprache, als wichtigste Grundlage für die sprachliche Entwicklung gesehen. Es ist wichtig, ein solides Fundament zu bauen, um dann später in anderen Sprachen darauf aufbauen zu können. Aber Vorsicht, auch diese neue Erkenntnis sollte man nicht unhinterfragt übernehmen. Denn wenn sich eine Mutter beispielsweise selber in der Erstsprache nicht sattelfest fühlt, macht es wenig Sinn, diese zu forcieren. Und: Ein Kind von Anfang an in der Muttersprache zu erziehen bedeutet nicht, dass man es nicht auch mit Deutsch in Kontakt bringen kann – keine Angst vor Überforderung! Man weiß heute, dass Kinder problemlos zwei oder drei Sprachen parallel lernen können.

Die wichtigste Botschaft an Eltern lautet: Lasst euch nicht stressen. Sprecht mit euren Kindern genau die Sprache, in der ihr euch selbst am wohlsten fühlt, auch wenn es ein seltener Dialekt ist. Wenn ihr euch für eine zweisprachige Erziehung entscheidet, informiert euch gut und seid euch bewusst, dass dies viel Konsequenz und Ausdauer braucht. Die gute Nachricht ist aber: Wenn Kinder Fehler machen oder vorübergehend Sprachen vermischen, ist das kein Problem, sondern Teil einer völlig normalen sprachlichen Entwicklung.

ABER: Egal ob ihr einsprachig oder mehrsprachig seid - schenkt euren Kindern Sprache! Sprecht mit ihnen, lest ihnen vor, singt mit ihnen. Fragt sie, wie ihr Tag war und hört ihnen aufmerksam zu. Lasst sie eintauchen in das wunderschöne Abenteuer Sprache, vermittelt ihnen, dass es eine Superpower ist, mehrere Sprachen zu verstehen und zu sprechen. Erklärt ihnen, dass es mehrere unterschiedliche Sprachen gibt, die alle gleich fantastisch sind und lebt ihnen vor, dass das Ergründen von Sprache etwas sehr Lustvolles sein kann. Und nicht vergessen: Sprache braucht Zeit.

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