Lasst mir mein Wien

24. Juni 2015

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Wien, Flüchtlinge, Rassismus
Foto by Alexandra Stanic

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn man sich im Urlaub a) auf sein Zuhause und b) auf seine Arbeit freut. Bei mir ist beides der Fall, was grundsätzlich schon mal nicht schlecht ist. Nach zwei Wochen auf Bali dachte ich über all die Dinge nach, die ich zu erledigen hatte. Und es war gar nichts dabei, dass mir Kopfweh bereitet hat - trotz baldiger Schlussproduktion und Prüfungswoche.

Trotzdem hatte ich während des gesamten Fluges ein mulmiges Gefühl im Magen. Ich bin dann ziemlich schnell drauf gekommen, woher dieses Gefühl kommt, nämlich nicht von dem Flugzeugessen. Ich war zwei Wochen lang weg und habe all die besorgniserregenden Geschehnisse in Österreich und Wien - und es waren ja doch einige - von außen miterlebt. Am Flughafen habe ich mich genauer mit allen wichtigen Infos, die ich während meines Urlaubs auszublenden versucht habe, beschäftigt. Das Ganze hat mich dann wie eine Lawine überrollt und ich war ziemlich niedergeschlagen. Da wäre das Flüchtlingslager in Traiskirchen, das aus allen Nähten platzt. HC Strache nutzt eine Amokfahrt in Graz, um weiter Hass zu schüren. Die SPÖ startet eine Koalition mit der FPÖ in Burgenland. Die Sache mit den FPÖ-Demonstranten beim Quartier in Erdberg habe ich noch immer nicht ganz verdaut.

Mein FB-Feed trennt sich bei der Flüchtlingsdebatte in zwei Arten von Posts: Die einen teilen Aktionen von Privatpersonen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Sei es ein Mann, der einen Flüchtling einstellt, ohne auch seinen Namen zu kennen, diverse Spendenaktionen oder Events. Auf der anderen Seite habe ich (noch) Menschen in meiner Freundesliste, die weiterhin Beiträge gegen Flüchtlinge teilen und daran erinnern, dass „Flüchtlinge kriminelle Schmarotzer sind“ und „mehr Geld vom Staat bekommen als eine österreichische Arbeiterfamilie monatlich verdient.“ Laut einer aktuellen Profil-Umfrage finden die Österreicher die FPÖ in Fragen der Asylpolitik am kompetentesten. Ja, ich denke, dass man all das als überaus besorgniserregend bezeichnen kann.

Und deswegen sehe ich jetzt aus dem Fenster unserer Redaktion und fühle mich scheiße. Ich liebe den Anblick Wiens, aber heute fühle ich mich in meiner eigenen Stadt unwohl. Es ist einfach nicht leiwand, mit so einem Gefühl nach Hause zu kommen. Ja Zuhause, denn Wien ist mein Zuhause. Auch wenn ich schon längst begriffe habe, dass ich für manche bis in alle Ewigkeit die „Ausländerin“ bleiben werde. Ich habe mich damit abgefunden. Selbst die grumpy Gesichter habe ich zu tolerieren gelernt und mit der U6 und der U1 habe ich meinen Frieden geschlossen. Aber wenn HC Strache bei den Wahlen im Herbst als Sieger hervorgeht und der Alltagsrassismus weitergeht, weiß ich nicht, ob ich damit leben kann. Ich weiß wirklich nicht, ob ich mich dann noch auf Wien freuen kann.

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Kommentare

 

Najo, dein Wien? Gut, lass ma durchgehen, du Berndorferin;)

Spaß beiseite, oft reicht eine kurze Reise, um die Dinge mit etwas Distanz ganz klar zu betrachten. 

Mein Tipp: Handy während der Reise nicht aufladen. Hilft.

 

 

hallo hallo hallo, nach mehrjährigem hauptwohnsitz in wien darf ich mich officially wienerin nennen - deal with it!!

 

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