Abdullah und die bösen Ausländer

02. April 2014

Seit ich in Österreich lebe, höre ich immer wieder dieselben Geschichten über die „bösen Ausländer.“ Diese scheinen an jeder Ecke zu lauern – aber keine Sorge, man selbst ist ja eh nie gemeint.

 

Vor ein paar Tagen war ich mit meiner Freundin und einigen Bekannten auf Städtetrip. Wir kennen uns nun schon seit Jahren, sogar recht gut. Aufgrund der ungebundenen Atmosphäre, kam es bisher noch nie zu einer ernsteren Diskussion über aktuelle Geschehnisse in Politik oder Kultur. Wenn, dann haben wir über Sport und die Arbeit gesprochen. Das böse Wort „Ausländer“ ist jedenfalls noch nie gefallen.  Wir verkneifen uns das Thema gerne, da ich ja eigentlich Ausländer bin und das auch ie ein Thema war. Wenigstens bin ich blond und „eh nicht so wie die Anderen“.

Im Urlaub war es dann aber soweit. Nach zwei intensiven Tagen der Städtebesichtigung und unruhigen Nächten, saßen wir zu später Stunde beim Abendessen. Was genau der Auslöser war, kann ich nicht mehr sagen und muss unschuldig auf zwei Liter Hauswein verweisen. Auf jeden Fall ging es recht schnell um die „bösen“ Ausländer. Die, „die mutwillig nach Österreich kommen, um hier im Paradies den Sozialstaat und die Steuerzahler auszunützen“. Dass man das so nicht sagen kann, entgegne ich noch ein wenig schüchtern. Doch der Wein scheint auf der Gegenseite die Hemmschwellen gelockert zu haben. „Natürlich kann man das so sagen, diese Ausländer kommen mit einer speziellen Ausbildung nach Österreich. Sie wissen ganz genau, wo und wie sie das Geld von den Ämtern bekommen“, sagt mein eigentlich guter Freund. Ich frage mich, wo man diese Sozialschmarotz-Kurse buchen kann? Gibt es die in den Herkunftsländern oder sogar schon in Österreich?

 

Ich bin mir noch nicht sicher, wie intensiv ich diese Diskussion führen möchte, da ich mein gutes Verhältnis zu ihnen nicht gefährden will. Deshalb sage ich nur, dass man schon in Österreich arbeiten muss, um überhaupt irgendwann einen Anspruch auf Sozialleistungen zu haben. Die Antwort überrollt mich wie eine Lawine: „Ja eh, aber trotzdem tun sie das, ich kenne unzählige Geschichten, auch von meinen Kollegen“, erwidert mein Bekannter. Er erzählt mir dann die Geschichte vom Sepp, der seine Wohnung räumen musste, da er sie sich nicht mehr leisten konnte. Kaum war Sepp draußen, war Abdullah schon da. Dieser bekam nicht nur Sepps Wohnung, er bekam sie sogar günstiger und um den Ganzen die Krone aufzusetzen, bekam Abdullah auch eine Waschmaschine, gratis dazu! Abdullah sei auch kein Einzelfall und daher ist mein Freund der Meinung, dass solche kriminellen Ausländer sofort aus dem Land verwiesen werden müssen. „Die wissen ganz genau, wo man fragen muss, damit man was kriegt!“ Ich frage mich, was kriminell daran sein soll, eine Waschmaschine zu bekommen? Aber es sind ja nicht alle so, ich bin ein guter Ausländer und bin natürlich nicht gemeint!

 

Ich bleibe weiterhin cool und frage nach näheren Infos. Gehen wir das ganze mal wissenschaftlich an: Gibt es denn Beweise, dass diese Geschichte wirklich so passiert ist? Würde mein Freund dafür seine Hand ins Feuer legen?

Kurzes Schweigen. Nein, würde er nicht tun. Er glaubt trotzdem, dass an den Geschichten etwas Wahres dran ist. Er hat aber versprochen, darüber nachzudenken.

 

Ob des Ausganges der Diskussion bin ich recht zufrieden, mehr war nicht zu erwarten. Ich hab es zumindest geschafft, zum Nachdenken anzuregen. Es sind liebe Menschen, aber kritisches Hinterfragen und Perspektivenwechsel ist nichts, was ihren Alltag bestimmt. Ein paar Tage später erzählt mir eine Bekannte in Wien von ihrer Familie aus Oberösterreich. Diese kennen, wie erwartet, Abdullah und seine Geschichte auch.

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