Aus der fremden Heimat oder „da is es halt so“

29. September 2009

Ein Besuch in die Heimat kann oft genauso befremdlich wie heimisch sein. Besonders für jene von uns, die in gut organisierter österreichischer Manier aufgewachsen sind, kann ein „Heimatbesuch“ – was ist eigentlich Heimat – oft befremdend sein.

 

Jedes Jahr fahre ich immer wieder gern in das kleine Land am Balkan, in welchem ich geboren wurde, um Urlaub zu machen, Familie und Freunde zu besuchen und um meinen Geist offen für meine Wurzeln zu halten. Ich bin immer wieder überrascht, wie nahe und gleichzeitig wie fern einem so eine „Heimat“ sein kann.

Die Skurrilitäten beginnen schon in der harmlosen Busfahrt vom Flughafen ins Stadtzentrum. Als braver und westlich geprägter Bürger entwerte ich meinen Busfahrschein und freue mich insgeheim darauf, kontrolliert zu werden. Als dann, nach einigen Haltestellen, ein Mann in Müllabfuhr-ähnlichem Aufzug mein Ticket sehen will, strecke ich dieses stolz entgegen:

„Und was ist mit dem Koffer?“ fragt er mahnend.

„Naja, das ist halt meiner. Was soll mit ihm sein?“, frage ich.

„Haben sie für den Koffer einen Fahrschein?“

„Für den Koffer? Wozu?“

„Jedes Gepäcksstück ab einer Höhe von 50 cm braucht nach hiesigem Gesetz einen Fahrschein! Haben sie unser Infoblatt nicht gelesen?“ Er deutet auf einen zerknitterten A4-Zettel  am anderen Ende des Busses, von dem das untere Drittel schon abgerissen ist.

„Erstens: Nein! Und zweitens: wie kommen Sie auf so einen Blödsinn, für Gepäck Geld zu verlangen?!“

„Im Westen ist das auch so. Da zahlt man auch für sein Gepäck!“

„Ich komme gerade aus dem ‚Westen‘ und da ist es ganz und gar nicht so!“ entgegne ich energisch.

„Dann ist es von mir aus dort anders, aber da is es halt so!“

Egal ob im Bus, beim Warten dessen, beim Bummeln durch die Straßen, das kleine Land und der ganze Balkan, das es umgibt, funktionieren nach eigenen Regeln. Ein aufgehängter Busfahrplan lässt keinesfalls darauf schließen, dass die angegebenen Zeiten auch eingehalten werden. Teure Autos an jeder Straßenecke sind kein Zeichen von grenzenlosem Wohlstand, wenn ihre Scheiben von den kleinen Händen von Straßenkindern gewischt werden. Auch wenn an jeder Wellblechhütte eine Sattelitenschüssel hängt, sind die Menschen im Ghetto umgeben von Dreck und Armut. Eine demokratische Zivilgesellschaft wählt nicht einen Polizisten und ehemaligen Diktatoren-Bodyguard an dessen Regierungsspitze. Aber, da is es halt so!

Skurril ist aber auch, mit wie wenig Mittel man Menschlichkeit bewahren kann. Zwischen den porrösen Plattenbauten findet sich immer ein netter Nachbar, der einen stolz zum selbst gebrannten Schnaps einlädt. Auch wenn er vorher von seinem Balkon aus wegen „was auch immer“ zügellos schimpfte. Ein Bauer, der selten ein Auto von innen gesehen hat, ist jederzeit bereit dich auf seinem Eselskarren ein Stück mitzunehmen und schlägt beleidigt jeden Cent ab, den du ihm anbietest. Aber, da is es halt so!

Kommentare

 

Und genau diese Menschlichkeit mag ich sehr, auch wenn bestimmte Dinge „uns“ seltsam vorkommen, das ist halt so, aber, man ist doch Menschlich geblieben.

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