Die Leiden des jungen Todor: Hoch lebe das Sauerkraut!

10. Dezember 2011

 

Es ist Dezember. Die Saison des Sauerkrauts – zumindest für meine Eltern. Manche würden sagen, es sei Punschsaison, aber darüber lässt sich streiten.

Ehrlich gesagt, verstehe ich gar nichts von Sauerkraut. Ich habe mal meinen Opa bei der Zubereitung beobachtet. Für mich war es ein sinnloser Prozess. Etwas, das zu viel Zeit, Mühe und Geld verschluckt. Als ich klein war, ging ich immer mit meinem Opa auf den Sofioter Frauenmarkt. Nein, Frauen wurden hier nie verkauft. Nur das Einkaufen wurde früher als eine Frauensache betrachtet. Das ist aber lange her, ich ging mit meinem Opa einkaufen. Er suchte langwierig den Kohl aus. Alle Kohlköpfe sollten gleich groß, hart und gesund sein. Danach verhandelte er lang mit den Verkäufern um den Preis, währenddessen ich fror und mich langweilte.

Mein Opa nahm das Kraut mit ins Badezimmer  und reinigte es von überflüssigen Blättern,die ich dann in die Mülltonne schmeißen musste. Wenn die Kohlköpfe fertig waren, nahm sie mein Opa und steckte sie in ein großes Fass im Keller.

 

 

Die Philosophie des Krautes

„Das Sauerkrautmachen ist keine einfache Sache“, sagte mein Opa, „es ist nicht so leicht wie eine Bohnensuppe zu kochen. Man muss täglich den Krautsaft ausfließen lassen, um das Kraut dann wieder damit zu begießen. Da brauchst du viel Geduld. Wenn du die Geduld hast, dann wirst du alle Hindernisse in deinem Leben meistern können“, erzählte mir mein Opa weise. Währenddessen flüsterten sich meine Eltern zu, dass er dem Sauerkraut deswegen so viel Aufmerksamkeit schenkt, um nicht die ganze Zeit mit meiner Oma verbringen zu müssen, aber das ist ein anderes Thema.

Fass in der Brandung

Wie ich euch schon erzählt habe, hat mich die Krautphilosophie meines Opas kalt gelassen. Deshalb fand ich es befreiend in Wien der Sauerkrauttradition den Rücken zu wenden. Hier ist ja im Dezember ja Gott sei Dank Punschsaison.

Neulich war ich aber bei serbischen Freunden zu Gast und es gab Sauerkraut aus dem Ofen. Am nächsten Tag rief mich eine Freundin aus Sofia an, um ihr beim Abtransport ihres Krautfasses vom Korridor ihrer Wiener Wohnung zu helfen. Es hatte zu viel gestunken und die österreichischen Nachbarn haben sich beklagt. Warum sie das sich nicht einfach fertiges Kraut kaufen würde, habe ich sie gefragt. In den türkischen Läden gibt es davon genügend. Warum sie sich die Arbeit überhaupt antue. Wir sind nicht mehr auf dem Balkan! „Das hausgemachte Sauerkraut schmeckt besser!“, entgegnete sie mit eiserner Überzeugung.

Danach rief mich meine Oma aus Bulgarien an: „Wenn du Weihnachten da bist, dann gibt es so gutes Sauerkraut-Sarma für dich. Dein Opa hat wieder Sauerkraut gemacht und es ist herrlich geworden.“ 

 

Kraut statt Krise

Und eigentlich mag ich kein Sauerkraut. Meine Mutter sagte mir neulich: „Die Eurozone mag zu Bruch gehen, die Zone des Balkansauerkrautes bleibt aber ewig!“ Sie sagt außerdem, dass ich nie wirklich ein eigenständiger Mensch sein werde, wenn ich mir nie selbstgemachtes Sauerkraut eingelegt habe. Vielleicht soll ich es wirklich probieren.

 

Kommentare

 

Coole Geschichte. Meine Eltern mach auch jedes Jahr Sauerkraut, obwohl sie schon seit fast 20 Jahren in Salzburg leben. Aus den Nachbarhäusern duftet es im Dezember immer nach Vanillekipferl und Glühwein. Wir stinken nach Saurkraut.

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