Die Leiden des jungen Todor: "Mitleid und Zigaretten für ein langes Leben"

06. Mai 2011

"Egal was für Schmerzen mich gerade plagten, mein Hausarzt hatte sie auch!"

Von Todor Ovtcharov

 

Manchmal scheint es mir, dass die am meisten verbreitete Lebenseinstellung in Bulgarien „Oh, Leben, du gehst auch zu Ende“ ist. Manche haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft augegeben und betrachten ihr Leben als unvermeidliche Qual. Die bulgarische Band Wickeda singt: „Ich lebe weil ich geboren wurde, es gibt keine andere Wahl.“ Andere glauben – im Übrigen genau aus demselben Grund –, das Leben sei ein unendliches Fest. Jedenfalls hat sich Jogging in Bulgarien in den letzten 20 Jahren weder als Freizeitsbeschäftigung noch als lebensverlängernde Maßnahme wirklich durchgesetzt.

Der eingebildete Kranke
Ich erinnere mich oft an meinem ersten Hausarzt. Er war ein besonders lustiger Geselle. Er erweckte zwar nie den Eindruck, dass er wirklich etwas von Medizin verstehe, aber er linderte meine Schmerzen stets mit seinem Mitgefühl. Wenn ich mal erkältet war und zu Dr. Hadjilaskov ging, hörte er bei der Untersuchung nie zu husten auf. Hatte ich mal Bauchschmerzen, dann erzählte er von dem Durchfall, der ihm letzte Nacht den Schlaf geraubt hatte. Und als ich mir einmal das Bein gebrochen habe, hatte
Dr. Hadjilaskov zufällig gerade auch einen gipsierten Haxen. Egal was für Schmerzen mich gerade plagten, mein Hausarzt hatte sie auch. Er gab mir immer das Gefühl, dass ich mit meinen Problemen nicht allein bin, deshalb war ich ihm immer dankbar.

Eine Runde Mitleid
So was Ähnliches wie mein Hausarzt mit mir in Sofia machte, tut mein  Freund Vlado mit den Wienern. Vlado arbeitet für einen Verein, der  „Wiener Gesundheitsförderung“ heißt. Er misst den Blutdruck der österreichischen Bevölkerung in alle möglichen Shopping-Centern, bei Messen und Veranstaltungen. Wenn bei jemandem der Blutdruck zu hoch ist, schaut ihn Vlado besorgt an, nickt mit dem Kopf, so als ob der Arme schon mit einem Bein im Grab stehen würde und spendet eine Runde Mitleid. Das alles gehört aber zu seinen beruflichen Verpflichtungen, sonst betrachtet Vlado das Ganze viel gelassener. „Mein Vater“, erzählt Vlado, „rauchte sein ganzes Leben lang eine Packung Zigaretten am Tag. Und immer die gleiche, schrecklich stinkende Marke „Schipka“ (Schipka heißt auf bulgarisch Hagebutte). Ein Mal sagte ich ihm, dass er gefälligst aufhören soll und dass Rauchen wirklich schlecht für ihn ist – er war schon über 70. Weißt du, was er geantwortet hat? „Das ist doch „Schipka“, da sind Hagebutten drin und die sind gut für die Gesundheit.“ Mein Vater hat tatsächlich sein ganzes Leben geglaubt, dass seine Zigaretten Hagbutten enthalten. Er starb mit 80. Ein Auto hat ihn überfahren.“        

Rauchen konserviert
Anscheinend gibt es kein Rezept für ein langes und gesundes Leben. Es ist alles eine Frage der Einstellung. Winston Churchill wurde mal gefragt wie er sich bis ins hohe Alter eine derart gute Gesunheit bewahren konnte. Der als Zigarrenraucher und Whiskey-Liebhaber bekannte englische Primeminister antwortete: „Wenn du dich hinsetzen kannst, setz dich hin, wenn du dich hinlegen kannst, leg dich hin und das Wichtigste – niemals Sport treiben!“. Churchill wurde 91 und hat sicherlich ein ziemlich stressvolles Leben geführt. Ehrlich gesagt finde ich Jogging auch blöd.

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