Die Millionen im Schleudergang

23. Mai 2013

Ich hatte schon Angst,dass,obwohl das Ende der Welt nicht gekommen war, uns die Maya dafür den ewigen Winter gebracht haben. Es ist endlich wieder warm geworden. Die Onkels aus dem benachbarten Park haben ihr Kartendeck herausgeholt und sitzen in ihrer gewohnten Position. Burschen aller Ethnien rennen in den Käfigen der Stadt dem Ball hinterher. Es gilt, den nächsten Alaba zu finden. Aufgewacht vom Winterschlaf, bereiten sich die Stadt und ihre multikulturellen Bewohner auf das neue Leben vor. Der Kreis des Lebens dreht sich, wie die Trommel einer Waschmaschine.

 

 

 

Mein Dealer Slobo

Als kleines Kind war ich verrückt nach Waschmaschinen. Während die anderen Kinder sich Zeichentrickfilme anschauen wollten, saß ich vor der Waschmaschine. Ich fühlte mich wie hypnotisiert. Ich konnte meinen Blick von der magischen Trommen der Waschmaschine nicht abwenden. Deshalb war ich sehr stolz, als ich mir zum ersten Mal eine Waschmaschine kaufte. Ich nahm sie von meinem Freund Slobodan. Slobo ist ein freier Künstler, der nebenbei als Waschmaschinendealer arbeitet. Heutzutage ist es nicht leicht, Bilder zu verkaufen. Bei den Waschmaschinen ist es aber anders. Sein

Nachbar Goran kauft kaputte Waschmaschinen aus irgendeiner Fabrik in Serbien, repariert sie und verkauft sie weiter in Wien. Goran hat aber ein kleines Problem. Er spricht Deutsch mit einem fürchterlichen Akzent. Das macht ihn für die Österreicher automatisch zu einem dubiosen Händler. So kommt Slobodan ins Spiel. Slobo lebt seit seinem zehnten Lebensjahr in Wien und spricht Deutsch wie ein echter Simmeringer. Er hat sich einige Geschichten ausgedacht, um die Waschmaschinen besser zu verkaufen – zum Beispiel ist seine Mutter nach einer heißen Latinoromanze plötzlich nach Portugal abgereist und Slobo bleibt keine andere Wahl, als die Haushaltsprodukte sehr billig zu verkaufen.

So kaufte ich mir meine erste Waschmaschine von Slobodan und Goran. Ich war sehr stolz auf mich. Noch nie hatte ich mir etwas Größeres gekauft. Außerdem war die Waschmaschine sehr günstig, was mich noch stolzer vor meinen Mitbewohnern machte. Wir brachten sie mit Schweiß an der Stirn in unsere kleine Küche. Da ich als kleines Kind immer die Waschmaschinen beobachtet habe, hatte ich keine Probleme, sie mühelos zu installieren. Ich rief sogar meine Eltern in Sofia an, um mit der Waschmaschine zu protzen. Nach dem zweiten Waschgang ist sie kaputt gegangen. Ich versuchte, Slobodan und Goran zu finden, aber ich konnte sie nicht erreichen. Die beiden Waschmaschinenhändler waren wie vom Erdboden verschluckt.

Geldwaschen in Anzug

Man sagt, dass die bulgarische Wirtschaft in den Jahren vor der Krise mit dem gewaschenen Geld der Kommunisten gewachsen ist. Ich habe keine Ahnung, wie man Geld wäscht. Ich stelle mir ernste Männer, die in ihren schwarzen Anzügen vor den Waschmaschinen stehen, so wie ich früher, und hypnotisiert auf die Waschmaschinen schauen. Das gewaschene Geld, so erzählt man, haben sie in Banken in Zypern und in Österreich. In Zypern sollen sie viel verloren haben, was mit dem Geld in Österreich passiert, werden wir noch erfahren. Man sagt, dass Geld nicht stinkt. Meine Socken aber haben schon zu stinken angefangen. Meine Waschmaschine ist kaputt. Es bleibt mir nichts anderes, als sie mit Händen zu waschen. Zumindest kommt ja der Sommer und die Socken trocknen schnell.

 

 

Von Todor Ovtcharov

 

 

Anmelden & Mitreden

5 + 3 =
Bitte löse die Rechnung