Die Streberin und das Biest

03. Februar 2014

Zwei Charaktere, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Yildiz, der Lehrerschreck und Katrin, das Genie. Zwei gegensätzliche Porträts.

 

 

 

„Ist das nicht diese Schule für Hochbegabte?“ „Heißt das, du bist ein Genie?“ „Hast du auch nur Einser?“ – Ja, die Sir-Karl-
Popper-Schule ist eine Schule für Hochbegabte. Ob ich ein Genie bin, hängt von der Definition ab, und mein letztes Zeugnis bestand tatsächlich nur aus Einsern. Die wenigsten Personen können sich den Alltag in meiner Schule tatsächlich vorstellen.

 

GLÜCKLICHE KLUGSCHEISSERIN

Der durchschnittliche Hochbegabte wird von seinen Kollegen als „Klugscheißer“ betrachtet, von Lehrpersonen meist als „verhaltensauffällig“ eingestuft und hat in der Schule mittelmäßige Noten. Genau diese Beschreibung traf noch vor ein paar Jahren auf mich zu. Zwar werde ich immer noch oft als Klugscheißerin betrachtet, doch ich hatte im Gegensatz zu den meisten durchschnittlichen Hochbegabten das Glück, an der Sir Karl Popper Schule aufgenommen zu werden. Hier verkommen die Interessen nicht in einem streng zu befolgenden Lehrplan, sondern werden individuell gefördert. In einem Modulsystem dürfen die Schüler ihre Unterrichtsfächer großteils selbst wählen. Anders als in anderen Schulen gibt es hier auch Module wie Französisches Theater, Linguistik, Außereuropäische Geschichte, Kulturreisen. Die unterschiedlichsten Module können von Lehrpersonen oder von Schülern selbst vorgeschlagen und angeboten werden. Außerdem müssen Schüler bei uns nur 70 Prozent des Unterrichts anwesend sein. Wenn es uns also einmal nicht freut, in der Schule zu sitzen, dann gehen wir einfach nicht hin. Für viele Personen wäre so ein System undenkbar, doch an unserer Schule hat sich gezeigt, dass Lernen auf freiwilliger Basis am besten funktioniert.

 

49 VON 48 PUNKTEN

Während andere Schüler um 14 Uhr nach Hause gehen, sitzen wir oft bis 19 Uhr in der Schule. Da ist es selbstverständlich, dass
wir uns mit unseren Lehrern gut verstehen müssen, in Freistunden gemeinsam kochen und in manchen Fächern gemütlich die
Füße auf dem Tisch hochlegen. Was auf den ersten Blick wie absolute Respektlosigkeit wirkt, ist jedoch das Wohlfühlen in der
Schule, das uns hilft, lange Tage zu überstehen, denn trotz des Spaßes am Lernen wird Leistung bei uns sehr hoch geschrieben.
Der größte Leistungsdruck geht dabei jedoch nicht von den Lehrern, sondern von den Schülern selbst aus. „Und wie viele
Punkte hast du?“, ist eine der am häugsten gestellten Fragen nach einer Matheschularbeit. Nur nach der Note zu fragen wäre zu
langweilig. Wenn die Hälfte der Klasse „Sehr gut“ kassiert, dann reicht „Sehr gut“ eben nicht mehr. Dann muss man schon exzellent sein um hervorzustechen. Den Konkurrenzkampf gewonnen hat man üblicherweise erst dann, wenn man mindestens 49 von 48 Punkten erreicht hat. Unter den vielen Strebern an dieser Schule lassen sich allgemein zwei Gruppen erkennen: Die einen, die nach guten Noten und Anerkennung streben, und die anderen, die tatsächlich aus Spaß und Interesse lernen. Das Vorurteil über die unsozialen aber genialen Brillenträger stimmt also nur bedingt und wer sich schon einmal in unsere Schule gewagt hat, weiß, dass es bei uns Gott sei Dank nicht so zu geht wie in der US-Serie „Malcolm mittendrin".

 

Von Katrin Fallmann, 18, Sir-Karl-Popper-Schule

 

 

 

 

„Yildiz, wieso bist du so wütend? Ist alles okay bei dir?“ Das hat mich noch nie ein Lehrer gefragt. Stattdessen haben sie immer etwas auszusetzen: „Du schaffst die Schule nie, Yildiz“, „Aus dir wird niemals etwas“. Ich bin schon von zwei Schulen geflogen, kassierte eine Verwarnung nach der anderen, wurde von den Lehrern wie eine Kriminelle behandelt und dabei wollte ich doch nur die Schule fertig machen, die Projektmanagement Schule in Graz absolvieren und dann in meinen Traumberuf einsteigen. Ja, ich habe Ziele – aber danach fragte ja keiner von denen. Ich gebe zu, ich war keine Musterschülerin, ich habe viel Scheiße gebaut, Lehrer beschimpft und eine Lehrerin sogar einmal mit einem Bohrer bedroht.

 

DICKE SCHULAKTE

Ich fühlte mich falsch behandelt. Ich habe der Lehrerin erzählt, dass sich meine Eltern scheiden lassen, dass ich Probleme habe
und sie ist mich trotzdem angegangen, da wusste ich einfach nicht weiter und wurde aggressiv. Wenn die Lehrer mich mit
Respekt behandelt hätten, hätte ich ihnen auch Respekt entgegengebracht, aber das taten sie nicht. Sie sagten mir ich sei dumm, hätte kein Gehirn. Sie schafften es sogar unsere Klassengemeinschaft zu zerstören und versuchten mit falschen Behauptungen, Freundschaften unter uns Schülern kaputt zu machen. Meine Mama wusste nicht mehr weiter und schickte mich sogar zum Psychologen, weil ihr die Lehrer sagten, ich sei nicht normal. Natürlich kam beim Psychologen nichts raus, mit mir stimmt ja alles. Zumindest bewirkte das, dass meine Mutter nun mir glaubte und nicht den Lehrern. Natürlich sind nicht alle Lehrer scheiße. Ich hatte eine Lehrerin, die an mich geglaubt hat, mich vor den anderen Lehrern verteidigt hat. Bei ihr hatte ich gute Noten, habe mitgearbeitet. Aber das ist mittlerweile lange her, seitdem bin ich wieder auf schlechte Lehrer gestoßen und meine Schulakte wurde von Woche zu Woche dicker. Wenn das so weiter gegangen wäre, wäre sie bald fetter als jeder Harry-Potter- Roman gewesen.

 

DAS GEFÜHL, DAS MICH ZERSTÖRT


Das ist vielleicht schwer zu verstehen, weil ich Lehrer als Hurensöhne beschimpfe und im Klassenzimmer randalierte, aber
dahinter steckte einfach mein ganzer Frust. Die Tatsache, dass eine ehemalige Lehrerin bei jeder HAK in Wien angerufen und erzählt hat, wie schrecklich ich sei, machte mich so wütend, denn daraufhin wollte mich keine HAK. Ich hatte doch noch eine Chance verdient? Lehrer sind doch Pädagogen, sie sollten auf mich zugehen. Stattdessen wollten sie mich nur loswerden und sagten mir das auch direkt ins Gesicht. Dieses Gefühl, wenn dich jeder aufgegeben hat, wenn jeder neue Lehrer glaubt, du wärst scheiße, weil ihm das die anderen Lehrer gesagt haben – dieses Gefühl zerstörte mich. Man hört oft von Horror-Schülern wie mir, aber keiner fragt sich, was dahinter steckt. Man sieht an meiner jetzigen Schule, dass es auch anders geht. Sie pöbeln einen nicht an, versuchen mit den Schülern auf eine normale und gerechte Basis zu kommen. Na klar, wenn man sich nicht an die Regeln hält oder einfach die Schule schwänzt, hat das Konsequenzen, aber das ist an jeder Schule so. Ich finde es schade, dass das alles nicht von Anfang an so lief, ich hätte mir vieles ersparen können. Aber ich will mit meiner Geschichte zeigen, dass man nie aufgeben und immer bis zum Schluss kämpfen soll! Das ist meine Geschichte.

 

Von Yildiz Cankaya, 16, fängt mit der Maturaschule im März an.

 

 

Foto: Susanne Einzenberger

 

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