Dragan Jurić: Aus der Gosse zum Blockstar

25. Januar 2012

Für viele Zuschauer ist Sidos neue Reality-Soap "Blockstars" eine Zurschaustellung von Amateur-Rappern aus der Gosse. Dragan Jurić, Kandidat von Sidos Show, erklärt im Interview warum das TV-Format für ihn die große Chance ist.

Hat Blockstars dein Leben verändert?

Ja, ich bin viel bekannter geworden. Ich werde jetzt auf der Straße erkannt. Die Leute wollen mit mir reden und Fotos machen. Geschäftlich und musikalisch habe ich sicher viel dazu gelernt. Auf Veranstaltungen kann man gute Kontakte knüpfen.

 

Vor Blockstars musstest du viel arbeiten, um dich und deine Mutter zu erhalten. Könntest du jetzt von der Musik leben?

Wenn ich auf Hardcore-Schiene geh und Vollgas gebe, dann sicher.

 

Ist Sido eine Hilfe für dich?

Ja, das Team kümmert sich wirklich um unsere Probleme. Einem Michael zum Beispiel wurde eine Wohnung und ein Hausmeisterjob vermitteln. Wer macht so was schon für einen? Ein Sido hat mit seinem Name Kontakte spielen lassen. Das ist echt super!

 

In der letzten Folge musste Claus gehen. Wie glaubst du hat er sich gefühlt, als er von Sido für einen Job beworben wurde?

In der letzten Zeit habe ich viel Zeitung gelesen und beobachtet, was alles über das Projekt gesagt wird. Menschen, die alles im Vorhinein ablehnen, geben diesem Projekt keine Chance. Die können sich aber auch kein Urteil darüber bilden, wenn sie nicht dasselbe erlebt haben wie wir.

Ich finde nicht, dass Claus vorgeführt wurde. Da gibt´s jetzt genug Arbeitgeber, die sich vielleicht denken, dass sie ihm eine Chance geben wollen. Er hätte ohne Blockstars wahrscheinlich weniger Möglichkeiten bekommen.

 

Habt ihr euch also nicht ausgenutzt gefühlt?

Wieso ausgenutzt? Das kommt darauf an, wie du an die Sache herangehst. Wenn einer unsere Story sieht und darüber lacht oder uns verurteilt, ist er in meinen Augen ein Trottel. Der soll mal dasselbe erleben was wir erlebt haben, dann soll er sich noch mal fragen, ob er irgendwas lustig daran findet.

Es gibt aber auch Menschen, die die Sendung feiern. Das sind die, die genau wissen wie es ist so hart aufzuwachsen wie wir. Manche erleben es noch heute, andere haben es hinter sich gelassen und sich etwas aufgebaut.

 

War Sido auch oft hinter der Kamera dabei?

Ja, das war er. Am Anfang, als wir ihn noch nicht so gut kannten, waren wir alle noch ein wenig distanziert. Du hast früher vielleicht mal seine Musik gehört und realisierst nicht richtig, dass Sido jetzt neben dir auf der Couch chillt und seinen Hund streichelt. Als das Vertrauen immer größer wurde, wurde es auch lustiger und die Aufregung weniger. Am Bauernhof zum Beispiel machten wir ein Lagerfeuer und sind aus Spaß Traktor gefahren. Das ist abseits der Kameras passiert. Oder in der WG haben wir gemeinsam Beats gehört, YouTube-Videos geguckt und zusammen gegessen. Sowas  weiß der Zuschauer nicht.

 

Wie hast du das WG-Leben empfunden?

Zu Beginn war es noch ungewöhnlich, dass die Kameras einen ständig begleiten. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran. Ich weiß nicht wie es die Kameraleute ausgehalten solange Unnötiges zu filmen. Irgendwann passiert dann mal was, und man fängt wegen einem Blödsinn an zu streiten. Bei mir war es so, dass ich dann vergessen habe, dass Kameras da sind. In dem Moment ist es mir auch scheißegal.

 

Bereust du etwas, was während der Zeit in der WG passiert ist?

Nein. Ich finde aus Fehlern soll man lernen. Wenn du keine Fehler machst, kannst du nichts verbessern oder wirst auf nichts aufmerksam. Ok, man sollte keinen Menschen ermorden, das sind glaub ich so Grundsätze. Wenn ein Mensch lügt, betrügt oder etwas stiehlt, dann muss man hinterfragen, was seine Gründe sind, was ist ihm in seinem Leben widerfahren, wie ist er aufgewachsen? Kein Mensch nimmt sich heute noch die Zeit für solche Fragen. Wenn die Leute das tun würden, wäre ihnen einiges klarer.

 

Wirst du den Kontakt zu den WG-Mitgliedern aufrecht erhalten?

Wir haben uns alle auf Facebook geaddet und Nummern ausgetauscht. So sind Kontaktmöglichkeiten jederzeit gegeben.

 

Mit wem verstehst du dich am besten?

Ich bin nicht hierher gekommen, um Freundschaften zu knüpfen, sondern um etwas  zu schaffen. Ich kann aber sagen, dass es Charaktere gibt, mit denen ich gut auskomme.

Mit Marko und Beni verstehe ich mich gut, weil sie schon etwas älter sind und mehr Lebenserfahrung haben. Ich bin zwar jünger, aber reifer als andere in meinem Alter, wegen dem was ich durchgemacht habe.

Clausi war eine gute Seele. Er ist ein sehr guter Mensch.

Michael auch. Er hat eine traurige Geschichte. Er ist ziemlich ruhig und traut sich nicht viel. Sein Leben hat ihn so sehr geprägt, dass er sich kaum öffnet.

Mit Daniel habe ich mich nicht so gut verstanden. Obwohl ich oft das Gespräch zu ihm gesucht habe, hat es nicht funktioniert. Er hat einfach zu viele Probleme in seinem Leben, die er jetzt hoffentlich bewältigt. Sido hat ihm mit der Entzugsklinik und diesem Arzt eine Chance gegeben das wieder hinzukriegen. Es wurde alles in die Wege geleitet, damit es ihm besser geht, wenn er es zulässt.

 

Wie hast du dich mit den Mädels verstanden?

Sie kommen ja aus etwas besseren Verhältnissen. Es gibt also oft Sachen, die die nicht verstehen. Wenn man sich nicht die Zeit nimmt, um einen Menschen kennenzulernen versteht man ihn auch nicht. Die kümmern sich eher ums Schminken und achten darauf immer schön fesch auszusehen.  Außer morgens, da haben wir alle unseren „Auftritt“ (lacht). Schwer zu sagen, es war nicht sofort eine Verbindung da. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

 

Wie sah deine Musikkarriere vor Blockstars aus?

Ich habe schon vorher eine Fanbase aufgebaut. Rap war für mich eine Zeit lang das einzige Ventil, um mit meinen Gefühlen klar zu kommen. Bei Blockstars habe ich gelernt mit meinen Emotionen offen umzugehen. Früher war ich komplett verschlossen, eher ein arroganter Typ, einer der schweigt. Das Rappen gab mir die Möglichkeit, Leuten etwas mitzuteilen, was ich ihnen nicht ins Gesicht sagen konnte. In meinen Texten kann ich über mein Leid sprechen. Sie handeln immer von etwas, das passiert ist. Wenn man sich meine Songs anhört fühlt man was dabei.

Einmal bekam ich ein Foto von einem Fan, der sich 2 Textzeilen von mir auf den Unterarm tattoowiert hat. Das hat mich sehr berührt.

 

Wie beschreibst du jemanden, der nicht bosnisch kann, worum es in deinen muttersprachlichen Songs geht?

Majko – heißt Mutter: in diesem Lied spreche ich zu ihr, da mach ich ihr Mut. Ich hab den Song aufgenommen als es ihr schlecht ging.

vatreni ples –  da geht es um einen leidenschaftlichen, feurigen Tanz. Um ein Szenario im Club. Du  siehst ein hübsches Mädchen. Sie ist arrogant, du bist arrogant. Du kriegst eine Abfuhr, aber trotzdem lässt du nicht locker – ein Partysong.

tatina princeza – ja das ist (räusper)…zu dem Song hat mich mein bester Freund inspiriert, also seine Ex-Freundin, der hat ziemlich gelitten nach der Trennung, als sie mit ihm Schluss gemacht hat…ist nicht jugendfrei (schmunzelt)

 

 

Ein paar Texte handeln davon, dass du von Ex-Freundinnen belogen wurdest. Was ist da genau passiert?

Wenn man sich trennt, wirst du entweder belogen oder enttäuscht. Sicher kann ich auch verzeihen, es kommt aber darauf an weswegen ich belogen wurde. In einer Beziehung will ich nicht der Big Boss sein, ich will einfach eine normale Beziehung führen. Wenn ich eine Freundin hab, sag ich ihr, dass sie ruhig offen sein kann. Geheimnisse muss es nicht geben. Durch so was entstehen nur Kommunikationsprobleme und irgendwann findet man´s raus und man bohrt nach. Man sollte im Vorhinein offen zueinander sein. Es gibt natürlich Personen, die erzählen nicht die ganze Lebensgeschichte, aber gewisse Sachen kann man sagen (schenkt Cola nach – sehr gastfreundlich). Man muss sich einfach immer nur die Zeit nehmen, um einen Menschen kennenzulernen, ihm auch das Vertrauen und die Sicherheit geben, dass du keine Show abziehst, sondern dass du wirklich Interesse hast.

 

Stehen deine Freunde hinter dir seitdem du bei Blockstars bist?

Ich bin halt hart aufgewachsen, und hab früher nie über mein Leben gesprochen außer in Raps, aber ich habe einen einzigen besten Freund. Dem kann ich alles anvertrauen. Wir haben zwar zwei verschiedene Mütter, aber er ist trotzdem wie ein Bruder für mich. Schon früher als ich fortgegangen bin, wurde ich durch meine YouTube-Videos erkannt. Da hab ich nie über mein Leben geredet. Ich war verschlossen und hab oft gesagt, dass es mir gut geht und gut verdiene, dass das Leben super ist. Und da frag ich mich, wie kann der mir das glauben, wenn der meine Songs hört. Fragt der sich nicht wie der Text entstanden ist? Mein bester Freund war der einzige, der mich richtig darauf angesprochen hat. Nicht alle, aber viele interessieren sich nur dafür, welche Vorteile sie durch dich ziehen können. Deshalb hat mir die Show auch sehr viel bedeutet. Ich konnte mal allen die mich kennen die Wahrheit ins Gesicht klatschen und sagen: das bin ich.

 

Wie waren dann die Reaktionen?

Viele glauben mir nicht. Es gibt aber auch welche, die mich von früher wieder erkannt haben. Ein Mädchen zum Beispiel, das ich im Frauenhaus kennen gelernt habe, hat sich über Facebook bei mir gemeldet. Wenn ich damals mal jemanden mit nach Hause genommen hab, hat der gesehen wie ich lebe. Sonst hab ich alle meine Probleme und Schicksalsschläge vor anderen verborgen. Es gibt Menschen, die wollen das nicht verstehen, die sagen dann ich tue auf Mitleidstour. Denen antworte ich: „mach mal genau das durch wie ich“. Ich mein, was bringt mir schon Mitleid? Wird mein Leid dadurch kleiner, weil der mit mir leidet? Ich find das noch schlimmer, wenn ein zweiter Mensch leidet. Wenn es mir schlecht geht, brauch ich einen der mir zuhört. Nicht einen der mich tröstet und sagt, dass es schon gut wird. Sondern einen der das Wesentliche nennt und sagt, dass das halt passiert ist, aber du kannst was dagegen machen.

 

Was hälst du von Nazar, Doreen und Goran?

Nazar ist ein guter Coach. Doreen war für mich da, als es mir schlecht ging, nach meinem Besuch in der alten Wohnung und Goran ist ein lustiger Vogel, ein verrückter Typ.

 

Wenn du dich entscheiden könntest, würdest du Blockstars noch mal machen?

Auf jeden Fall. Das ist eine super Chance. Die Leute, die in der Band landen, können ein Album aufnehmen, drehen ein Video. Vor zwei Jahren hätte noch keiner von uns gedacht, dass er mal so eine Möglichkeit bekommt.

 

Text: Sarah Al-Hashimi, Foto: Philip Tomsich

 

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Kommentare

 

gut gemacht sara. ich platze vor stolz :)

 

ein interessantes Interview.

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