So saß sie da. Ins leere blickend. Die Wand war nicht das Interessante, es waren ihre Gedanken; die Gespräche mit sich selbst, die sie faszinierten. Ich kenne sie nun schon seit einigen Jahren, doch ihre Geschichte war mir unbekannt. Sie war ein hübsches Mädchen gewesen. Groß, braunes Haar, große Augen und ein Lächeln, das die Sonne hinter den Wolken hervorlocken konnte.

Mit 14 Jahren bekam sie dann ihr Kind. Der Vater des Kindes war 72 Jahre alt. "Die beschriebenen sozialen Komplikationen zeigten Folgen: manische Depression, Panikattacken, Isolation, Halluzinationen; hebiphrene Schizophrenie wurde diagnostiziert. Trotz sporader heller Momente war eine Einweisung unumgänglich.", dokumentierte ihre Klientenakte kühl.

Die psychatrische Abteilung in Gugging sollte für die nächsten 20 Jahre ihre Heimat sein. Ihr Kind wurde ihr genommen, die Eltern kehrten sich von ihr ab.

Immer wieder verlangte sie nach ihrem Zuhause. Ihr Kind warte doch auf "die Mama". Alleine der Gedanke daran betrübt mich. Ich sah sie an; die Wollmütze im Sommer tief ins Gesicht gezogen, die Jacke schmutzig und beengend. Sie hatte sie nun schon seit 3 Wochen an. Ich konnte sie ihr nicht wegnehmen. Niemand konnte das. Zwangsweise Abnahme würde ihre Symptome verstärken, hieß es.

Sie war gefangen. Nicht in der sozialen Einrichtung, in die sie im Rahmen der großen "Ausgliederung" verlegt wurde, nicht in ihrem Zimmer, oder in ihrer Jacke. Sie war in sich selbst gefangen.

Und einmal durfte ich einen ihrer hellen Momente erleben: Sie blinzelte als würde sie aufwachen und als sie realisierte, in welcher Lage sie war, fing sie an zu weinen. Und ich wurde mir bewusst: Sie wünschte sich zurück in ihren Körper, in ihr kleines Gefängnis, in ihre Welt.

2 Minuten später kam sie dort an.

Diese Geschichte ist 100% wahr und wurde von meinem guten Freund Andreas Hiess (Copyright), der das Mädchen auch persönlich kennt, geschrieben.