Eine Seilbahn als Liebesbeweis

13. April 2018

Sie galt lange Zeit als eines der Symbole Sarajevos und war nach dem Jugoslawienkrieg eine schmerzhafte Erinnerung an vergangene Tage: die Trebević-Seilbahn. Seit April ist sie wieder in Gang, eine Schlüsselrolle spielt bei dem Wiederaufbau ein holländischer Millionär und die Liebe zu seiner Frau und Sarajevo.

Text und Fotos: Alexandra Stanić

Foto: Alexandra Stanic
Foto: Alexandra Stanic

"Ich werde nie vergessen, wie meine Frau Maja und ich 1991 auf den Trebević gefahren sind“, erinnert sich Edmond „Eddy“ Offermann. „Es war das erste und für lange Zeit das letzte Mal, dass wir die Seilbahn genutzt haben.“ Kurz darauf erreicht der Krieg auch Sarajevo. 1425 Tage - so lange wird die Stadt belagert. Am 5. April 1992 marschieren serbische Truppen in die bosnisch- herzegowinische Hauptstadt ein. Mit
der Einnahme des Flughafens beginnen vier lange Jahre Krieg in Sarajevo, die Bewohner*innen sind von der Außenwelt abgeschnitten. Mehr als 11.000 sterben, tausende Gebäude wurden zerstört, Kulturgut für immer ausradiert. Auch die Seilbahn zu Sarajevos Hausberg Trebević fällt den Auseinandersetzungen zum Opfer. Als die Belagerung beginnt, wird das Seil abgetrennt, damit keine Bomben von Serben damit nach unten gebracht werden können. Später wird die Anlage vollständig zerstört, das Gebiet rund um die Seilbahn wurde vermint.

Foto: Alexandra Stanic
Foto: Alexandra Stanic

Erst 1998, nach dem Krieg und dem Abschluss des Daytoner Friedensabkommens, besucht Eddy Offermann Sarajevo wieder. Der 58-Jährige ist Kernphysiker. Als er ins Finanzgeschäft wechselt, wird er mit Hedgefonds zum Millionär. Auch seine Frau Amra Serdarović ist Kernphysikerin, ihren Spitznamen „Maja“ hat sie bekommen, weil sie im Mai Geburtstag hat. Sie ist in demselben Jahr geboren, in dem die alte Seilbahn eröffnet wurde: 1959. Maja stammt aus Sarajevo und hat eine enge Bindung zu ihrer Heimatstadt. Obwohl sie schon als Studentin auswandert, ist sie mindestens einmal im Jahr zu Besuch. „Nur zwischen 1992 und 1997 war ich nicht hier“, erzählt die Kernphysikerin. Als sie das erste Mal von Eddys Idee, die Seilbahn wieder aufzubauen, hört, kann sie sich eine Realisie- rung nicht vorstellen. „Ich habe mich nur gefragt: Was tut sich Eddy da an?“, sagt sie und bezieht sich damit auf die bosni- sche Bürokratie, die das Projekt Seilbahn um ein Haar verhindert hätte. „Aber Eddy ist sehr konsequent, viele Jahre später hat er sein Ziel erreicht und ich könnte nicht glücklicher darüber sein.“ Fragt man Eddy Offermann, was die Beweg- gründe für seine großzügige Spende von 3,8 Millionen Schweizer Franken sind, hat er schnell eine Antwort parat. „Ich habe es für die alte Generation von Sarajevo gemacht“, so der Millionär. „Die Seilbahn hat gefehlt, damit die Stadt wieder die alte ist.“

26 Jahre später

Am 6. April 2018, am Tag der Stadt Sarajevo, wird das Wahrzeichen feier- lich in Betrieb genommen. Es ist ein sonniger Tag, Bürgermeister Abdulah Skaka begrüßt 15 Bürgermeister*innen und 50 Delegationen aus aller Welt.
Die Stimmung ist aufgeregt, Menschen drängen um die Gondel herum und fahren zur Bergstation nach oben, die nach dem Seilbahn-Mitarbeiter Ramo Biber benannt ist. Er wurde während des Krieges erschossen, die Täter wurden
nie identifiziert. Die Eröffnung ist ein besonderer Tag für die Einwohner*innen der Stadt, auch Abdulah Skaka wird emotional, während er über die Seil- bahn spricht. Er selbst ist 50 Meter von ihr aufgewachsen: „Als die Seilbahn im Krieg zerstört wurde, haben wir Kinder immer davon geträumt, dass die Anlage eines Tages wieder in Betrieb genommen wird.“ Morgen erfüllt sich einer seiner Kindheitsträume, so Skaka, aber er sieht die Wiederaufnahme auch als politischen Akt. „Wir werden nicht vergessen, was passiert ist, aber wir wollen mit der Seil- bahn zwei Ethnien einen.“ Der Trebević- Berg befindet sich an der Grenze zwischen den zwei Entitäten des Staates Bosnien-Herzegowina: der Föderation und der Republika Srpska.

Ein Symbol des Friedens


Die Seilbahn war besonders 1984
von großer Bedeutung, als die Olympischen Winterspiele in Sarajevo stattfanden. Eddy Offermann vertraut darauf, dass die Wiedereröffnung den Stadteinwohner*innen wieder Mut macht. Der Kernpysiker sieht Sarajevo als Beirut von Europa. „Außerdem ist die Stadt genauso schmutzig wie New York, das mag ich sehr gern“, so der 58-Jährige. „Sarajevo ist eine weltoffene Stadt und wenn ich hier zu Besuch bin und die Seilbahn sehe, dann weiß ich, dass ich etwas dazu beitragen konnte.“

Die Sarajlije, so werden die Bewohner Sarajevos genannt, sehen die Eröffnung als Schritt in die Zukunft – auch wenn nicht alle den gleichen emotionalen Bezug zu ihr haben. Die 26-jährige Nada etwa empfindet keine so große Aufre- gung, wenn sie an die Seilbahn denkt. „Ich bin 1991 geboren, ich kannte die alten Gondeln also gar nicht“, so die Grafikdesignerin. „Aber wenn ich in das Gesicht meiner Eltern blicke, realisiere ich, welche Bedeutung die Seilbahn
für sie hat. Nicht, weil sie damit zum Trebević fahren können, sondern weil
sie ein wichtiger Teil Sarajevos war.“ Viele Einwohner*innen hoffen darauf,
ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit mit dem Wiederaufbau abschließen zu können, auch wenn die Wunden nicht ganz verheilt sind. „Ich habe niemanden mehr, mit dem ich auf den Trebević fahren könnte“, erzählt ein älterer Herr im Stadtzentrum. „Alle meine Freunde von früher sind verstorben.“ Er holt eine Zigarette aus seiner Jackentasche, blickt nachdenklich in Richtung des Trebević– Bergs. „Aber die Seilbahn ist ein Symbol für Frieden und es ist wichtig für Saraje- vo, dass sie wieder zurück ist.“ 

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Der Südtiroler Seilbahnhersteller Leitner ropeways hat die Kabinenbahn in Sarajevo gebaut, das Projektvolumen beträgt insgesamt – inklusive Seilbahn, Bauarbeiten und einem neuen Hotel an der Bergstation – neun Millionen Euro. Die neue 10er- Kabinenbahn bringt Tourist*innen und Bewohner*innen direkt aus dem Zentrum auf den 1.160 Meter hohen Hausberg Sarajevos. Die 33 Kabinen können stündlich bis zu 1200 Personen transportieren, die Fahrtzeit beträgt sieben Minuten und 15 Sekunden. Leitner ropeways hat biber zur Eröffnung der Seilbahn eingeladen.

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