"Es gibt ein Leben vor dem Tod."

23. April 2014

 

Neos-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar über Apokalyptische Reiter, Florentiner-Kekse und ihr Schicksal als Kärntner-Slowenin.

 

Biber: Wie ist ihr Verhältnis zur EU?

Angelika Mlinar: Ich habe bei der EU-Kommission im Rahmen der EU-Ost Erweiterung mitgearbeitet. Dabei bemerkte ich, dass die EU eine Chance ist – nicht nur eine Schicksalsgemeinschaft, die den Euro retten und apokalyptische Horrorszenarien verhindern muss. So kann man nicht leben und auch keine kreativen Potenziale entwickeln. Es gibt ein Leben vor dem Tod. Diese Bedrohungsszenarien sind echt anstrengend.

 

Also alles ein Kommunikationsproblem?

Vor 20 Jahren gab es große Kampagnen, die uns erzählten, warum die EU eine gute Sache sei. Das gibt es nicht mehr, sondern stattdessen einen Rechtsschwenk. Dabei gibt die FPÖ den Ton an und die großen Parteien singen mit. Das kann es nicht sein! Wie sollen wir in die Zukunft gehen, wenn wir die ganze Zeit Angst schüren? Die Politik hat den Optimismus vergessen und das geht gar nicht.

 

Wie vermittelt man österreichischen Bürgern eine Pro-Europa-Stimmung?

Ich glaube an die Kraft des Einzelnen. Es müssen nicht immer Parteien oder Netzwerke hinter einem stehen, um etwas voranzutreiben. Das haben wir mit den NEOS schon bewiesen. Allen Unkenrufen zu Trotz.

 

Nur Optimismus predigen löst keine Konflikte.

Wir müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln und uns fragen: „Was sind unsere gemeinsamen Interessen? Was wollen wir weiterentwickeln?“ So wie der polnische Außenminister Donald Tusk unlängst richtig feststellte, dass die Ukraine-Krise und die Verstimmungen mit Russland Auswirkungen auf unsere Energieabhängigkeit haben. Wir brauchen eine gemeinsame Energiepolitik! Eine Gemeinschaft von 28 Staaten hat eine andere Verhandlungsmacht als ein einzelner Staat.

 

Wie geht es ihrer Keks-Fabrik. Wird noch gebacken?

Die Fabrik wurde schon stillgelegt. Ich habe das Unternehmen von 2005 bis 2010 in Slowenien geführt. Es war ein Nischenprodukt in einem Nischenmarkt. Die Finanzkrise hat in Slowenien heftig zugeschlagen, das wirkte sich leider auch auf das Geschäft aus. Ich habe es dann gelassen.

 

Ihr Lieblingsrezept?

Florentiner: Das sind Mandelblättchen mit Pistazien, braunem Zucker, Honig und Obers. Köstlich!

 

Florentiner klingt doch sehr Pro-Europäisch?

(lacht) Das war keine Absicht, die waren einfach der Renner.

 

„Als gut ausgebildete Kärntner-Slowenin habe ich kein Leiberl.“ Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit den OÖ-Nachrichten. Können Sie das näher erläutern?

Wir haben in Kärnten eine interessante, komplexe und unbefriedigende Situation. Durch das slowenische Gymnasium, ist es den Kärntnern Slowenen gelungen, sich als Gruppe von einer Agrargemeinschaft zum tertiären Sektor zu entwickeln. Ich bin Erste-Generation Akademikerin und auch eine der Ersten, die promoviert haben. Slowenen ist es unmöglich in ihrer Heimat Kärnten Fuß zu fassen.

 

Warum?

Ich war am Gericht, habe mein Gerichtsjahr absolviert und mich für eine Richterausbildung beworben. In Kärnten haben wir drei Bezirksgerichte, die nach dem Staatsvertrag zweisprachig geführt werden. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon promoviert, hatte Auslandserfahrung, den Master of Law und war zweisprachig. Und was wurde aus meiner Ausbildung? Nichts. Kein Interesse.

 

Slowenen sind eine von sieben anerkannten Minderheiten. Serben beispielsweise oder Türken haben diesen Status gar nicht. Wissen Sie, wie ihre Lebenswelt aussieht?

Als Kärntner Slowenin kann ich es teilweise nachempfinden. Österreich hat ein seltsames Verhältnis zu Volksgruppen. Wenn man mich fragt, was ich an Österreich mag, antworte ich „Österreichisches Unternehmertun“. Was ich nicht mag ist unser unaufgeräumtes Verhältnis zum zweiten Weltkrieg und dieser extreme Rechtsdrall. Dabei bin ich nicht alleine. Der große Philosoph George Steiner hat sein ganzes Leben lang abgelehnt in Österreich Vorträge zu halten. Der Grund: Der präsente Antisemitismus, noch stärker ausgeprägt als in Deutschland.

 

Apropos Volksgruppen, wie sollen die Volksgruppen in Bosnien und Herzegowina (Kroaten, Serben, Bosniaken) vorgehen?

Es war eine merkwürdige Entscheidung, wie mit Bosnien umgegangen wurde.  Damals wurde von oben über Bosnien und Herzegowina bestimmt, soweit ich weiß, standen Milošević und Tuđman dahinter. Es gab es damals eigentlich keinen Grund, warum Bosnien als Staatsgebilde aufrecht erhalten bleiben sollte. Man wollte damals den Krieg stoppen, deswegen war der Friedensvertrag von „Dayton“ die einzige Alternative.

 

Heißt das, bosnische Kroaten richten ihren Blick nach Zagreb, bosnische Serben nach Belgrad?

Die Tschechen und Slowaken haben sich auch getrennt  und sind darauf sofort in die Europäische Gemeinschaft eingetreten.

 

Also, Nein zum Vielvölkerstaat, weil er nicht funktioniert?

Nein, überhaupt nicht. Das Resultat ist ein Vielvölkerstaat. Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa, für das die einzelnen Regionen eine grenzüberschreitende und stärker vernetzte Basis bilden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von Adnan Muminovic, Amar Rajkovic und Marko Mestrovic

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