Fix zam oder was?

09. Juli 2014

Zusammen ins Kino, zusammen auf Parties und zusammen im Bett, aber sicher nicht zusammen in einer Beziehung. Vor allem junge Menschen sehnen sich nach Freiheit und Flexibilität - kein guter Nährboden für eine feste Beziehung. „Mingle“ ist das neue Trendwort, das Singledasein und Beziehung vereinen soll. Babsi, Michi und Alessa erzählen von ihren Erfahrungen.

Von Frederika Ferkova und Christoph Liebentritt, Marko Mestrovic (Fotos)

„Und, seid ihr jetzt fix zusammen?“ Trendforschern ist aufgefallen, dass immer mehr junge Erwachsene bei dieser Frage Bauchweh bekommen. Beziehungsstatus „Ich weiß es nicht“ also. Und schwupps, der neue Trendbegriff, der sich aus „mixed“ und „single“ zusammensetzt, war erfunden. Man ist schon solo, aber eben auch nicht ganz. Im besten Fall sind beide auf der Suche nach etwas längerfristig Unverbindlichem. Zusammen schlafen, zusammen Filmschauen und zusammen auf Parties gehen- ohne den ganzen Stress drum herum. Eltern vorstellen nicht nötig. Gemeinsame Zukunftsplanung? Pff, nein danke! „Man fühlt sich nicht eingesperrt und es wird nicht so schnell langweilig. Der Reiz bleibt einfach länger erhalten“, erzählt unser Mingle Alessa.

 

Mingle werden ist nicht schwer, Mingle sein dagegen sehr…

So optimal läuft es in der Realität aber nicht immer. Viele landen in der sogenannten Mingle-Falle. Zuerst kommt das klassische Kennenlernen mit Dates, das erste Mal miteinander schlafen und eventuell ins Kino gehen. Noch wird nichts besprochen, es ist ja zu früh. Plötzlich sind ein paar Wochen vergangen und man merkt, dass irgendwie wenig weitergeht. Den anderen ansprechen? Zu peinlich, zu stressig und immer zu unpassend. Und so leidet derjenige, der in der Falle ist, dahin. Derjenige, der sie aufgestellt hat, genießt sie in vollen Zügen und weiß meistens nicht, dass er dem Gegenüber wehtut.

 

Egal ob besprochen oder nicht, das Mingletum entfaltet seine Tücken erst beim Bestehen. Regelmäßiger Sex schürt Erwartungen, die am Anfang gar nicht vorhanden waren. Plötzlich ist alles nicht mehr ganz so locker, schnell fühlt man sich als Lückenbüßer für das Gegenüber. Wir schreiben doch, wir haben tollen Sex, wir lachen viel und verstehen uns doch sehr gut. Warum will er nicht mehr von mir? Warum ist sie heute mit diesem Idioten fort? „Ich wünschte, ich hätte gleich was gesagt. Es war ja nicht so, dass es mir besser ging, als ich nichts gesagt habe“, sagt Tomek, der weniger gute Erfahrungen als Mingle gemacht hat.

 

Wer sich also bewusst für diese Beziehungsform entscheidet, muss wissen, dass er im Notfall nichts weiß. Langzeitstudien gibt es immerhin keine, Erfahrungsberichte von unseren vier (Ex-) Mingles aber sehr wohl.

 

Alessa (21), Studentin Die Überzeugte

Erfahrung: Mingle bedeutet für mich kein schlechtes Gewissen, keine Verantwortung und emotional nicht ganz so abhängig zu sein. Neben festen Beziehungen habe ich auch ungewollte Mingleerfahrung, vor allem früher, sammeln können. Ich hatte da immer Hoffnung auf eine Beziehung, wollte aber nie stressen. War eine ziemlich beschissene Erfahrung. Nichts desto trotz finde ich das Konzept super, vor allem wenn man jung ist. Meine letzte Mingle-Beziehung habe ich beendet. Anfangs haben wir uns nur bei ihm gesehen und von Anfang an klar gestellt, dass wir keine Beziehung wollen. Also ich habe das gesagt und er hat mir zugestimmt. Wir haben auch zusammen darüber gesprochen und gesagt, dass wir es besser fänden, wenn es keine Nebenprotagonisten gibt. Wir haben uns dann ein bis dreimal die Woche gesehen, Fern geschaut, geredet und Sex gehabt. Nach einem halben Jahr wurde es schon richtig beziehungsmäßig, er wollte mit mir verreisen und schenkte mir auf einmal viel mehr Zuwendung als am Anfang. Ich war auch zwischendurch verwirrt, ob und was ich denn von ihm möchte. Also habe ich quasi Schluss gemacht. Es war viel angenehmer als das Schlussmachen in einer richtigen Beziehung. Ich habe ja das Problem, dass wenn ein Mann mich will, ich ihn nicht mehr haben mag. Und wenn er mich nicht will, dann mag ich ihn umso mehr. Immer wenn ich merke, dass ich gerade will, weil ich nicht gewollt werde, versuche ich zu chillen und diese Gefühle zu ignorieren. Ein Mal hat ein Typ geich zu Beginn zu mir gesagt, dass er keine Beziehung möchte. Was ich ja auch nicht möchte, da ich flexibel sein will, vor allem da ich viel verreise, aber an meinem Ego hat es trotzdem gekratzt.

Die guten Seiten des Mingletums: Das Festlegen bleibt einem erspart. Auch bleibt der Reiz länger in der Beziehung. Man bleibt flexibel und frei bis jemand Perfektes kommt.

Die schlechten Seiten des Mingletums: Es gibt nie ein vollständiges Vertrauen und man fühlt sich sehr schnell nicht wertgeschätzt. Ich idealisiere meine Partner auch schnell nach dem Sex. Es bleibt die Gefahr, dass man sich früher oder später ineinander verknallt.

Tipps für (zukünftige) Mingles: Auf gar keinen Fall täglich melden oder alles was im Leben so passiert erzählen, das kann schnell nerven. Ehrlichkeit ist aber sehr wichtig und auch dass man zusammen alles abklärt.

 

 

Michi (23), Fußballer Der Macho

Erfahrung: Meine erste Minglebeziehung hatte ich mit 17. Wir haben uns ein oder zwei Mal die Woche gesehen und miteinander geschlafen. Relativ bald fing sie an für mich zu kochen und ich blieb immer länger bei ihr. Nach einem Monat habe ich das dann beendet, weil sich bei ihr Gefühle entwickelt haben. Mittlerweile hatte ich so an die 25 bis 30 Minglebeziehungen, alle etwa ein bis drei Monate lang. Trennungsgrund? Die Mädels haben Gefühle entwickelt und wurden eifersüchtig. Oder sie waren einfach nicht gut im Bett. Einmal habe ich Gefühle entwickelt, da hat sie sich dann distanziert. Ich habe einen Teil meiner Jugend in Novi Sad verbracht, da sind die Mädels sowieso anders als in Wien. Dort musste ich extrem aufpassen, dass niemand etwas von uns mitbekommt, weil sich in der kleinen Stadt alles herumspricht. Die Minglebeziehungen waren alle ganz unterschiedlich: Mit ein paar habe ich mich nach dem Fortgehen gesehen, mit anderen nur mit dem Auto auf einen Parkplatz gefahren. Treue wurde nicht wirklich besprochen, über diese Dinge redet man ja nicht. Jüngere Frauen wollen schnell mehr, ein paar Jährchen ältere sind da schon gechillter. Ich denke, wir Männer fühlen uns nicht so schnell benutzt und machen uns auch nicht so viele Gedanken. Ich hatte auch schon ernste Beziehungen, suchen tue ich weder nach dem Mingletum, noch nach einer Beziehung. Was sich ergibt, das ergibt sich. Ob ich schon mal in eine Minglebeziehung ging, obwohl ich wusste, dass sie mehr will? Ja.

Die guten Seiten des Mingletums: Du hast Sex wenn du Lust hast Sex zu haben und das ohne Beziehungsstress. Außerdem isst man nicht nur aus einem Teller.

Die schlechten Seiten des Mingletums: Wenn es ans Licht kommt, können Dritte die Beziehung belasten. Und wenn man keine Gefühle geplant hat und sie doch passieren, ist es für beide nicht angenehm.

Tipps für (zukünftige) Mingles: Grundsätzlich nicht darüber reden. Wenn sie von Anfang an sagt, dass sie sowas möchte, dann klappt es auch am besten. Am besten direkt sein und nicht zu viel kuscheln. Nur mit jemand etwas anfangen, von dem ich wirklich nicht mehr will. Und auf gutem Sex basiert auch eine gute (Mingle-)Beziehung.

 

 

 

Tomek (21), Student Der Verdrossene

Erfahrung: Mingle ist für mich, wenn man miteinander schläft, aber nicht offiziell sagt, dass man zusammen ist. Ich hatte schon ein paar Mingle-Beziehungen. Das waren immer Frauen, die irgendwie in der Freundschafts- oder Fortgehgruppe mit uns fortgegangen sind. Wir waren dann eben fort und der Abend hat öfters bei ihr oder bei mir geendet. Es waren sehr spontane Treffen und die Frauen waren mir auch ein bisschen egal, da gab es nichts mit „wir sind uns jetzt treu“. Jedenfalls habe ich mich in die Letzte verliebt. Sie war auch in unserer Freundesgruppe unterwegs und wir haben uns nicht mal so gut verstanden, aber irgendwie fand ich sie trotzdem super. Wir haben geschmust und gekuschelt nach dem fortgehen, aber wir hatten nie Sex. Ich fing an sie zu idealisieren und war vor allem gegen Ende richtig verliebt in sie. Dann, nach viel zu langer Zeit, habe ich ihr meine Gefühle gestanden. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen soll. Sie meinte, sie möchte keine Beziehung, ich habe sie dann aber ein paar Wochen später mit ihrem Ex-Freund gesehen. Das hat ordentlich an meinem Ego gekratzt und auch mein Herz gebrochen. Jetzt haben wir keinen Kontakt mehr. Sie ist ja auch eigentlich nicht mein Typ Frau und richtig anstrengend, ich weiß nicht warum ich so reingekippt bin. Ich denke, dass wir Männer Jäger sind. Ich habe mich oft gefragt, ob sich solche Gefühle entwickelt hätten, wenn wir Sex gehabt hätten.

Die guten Seiten des Mingletums: Es ist unkompliziert und man ist frei.

Die schlechten Seiten des Mingletums: Wenns schief läuft, dann läufts so richtig schief. Und im allerschlimmsten Fall ist eine gute Freundschaft auch zerstört.

Tipps für (zukünftige) Mingles: Genau überlegen, was man von dem Gegenüber möchte und dann auch dabei bleiben. Das wichtigste bleibt aber: Nicht herumscheissen! Sollten sich Gefühle entwickeln, dann lieber gleich sagen als ewig warten. Man leidet ja nicht weniger in der Zeit.

 

 

Babsi (34), Jugendarbeiterin Die Aussteigerin

Erfahrung:  Unter Mingle verstehe ich so etwas wie eine Bekanntschaft plus. Man muss nicht zwangsläufig befreundet sein, miteinander reden sollte man aber schon können. Ich habe ausreichend Erfahrung in meiner Studienzeit sammeln können. Natürlich habe ich auch ernste und längere Beziehungen geführt, aber gerade wenn die beendet waren, hatte ich keine Lust auf etwas Festes. Ich war da aber immer fair und habe es im Vorhinein immer gesagt, wenn ich keine Beziehung wollte. Umgekehrt war das nicht so oft der Fall. Jede Minglebeziehung war ein bisschen anders, mit einem ging ich auf Festivals, mit dem anderen war ich nur bei ihm zuhause. Es gab auch Situationen, da ist der Typ reingekippt und sehr anhänglich geworden, das habe ich dann aber beendet. Auch ich bin schon gegangen worden, weil sich bei mir Gefühle entwickelt haben. Ob wir uns in der Minglebeziehung treu waren, war immer von meinem Gegenüber abhängig. Die letzte Mingle-Beziehung, die ich geführt habe, hat vor ein paar Jahren begonnen. Wir haben uns bei unserem Maturatreffen nach zehn Jahren wiedergesehen und sofort verstanden. Schnell war klar, dass wir beide es eher locker angehen möchten und alles offen lassen. Nach zwei Monaten hab ich dann laut festgestellt, dass wir die ganze Zeit miteinander Sachen unternehmen und uns mögen. Und dass wir eh zam sind. Er hat bejaht – jetzt haben wir drei Kinder zusammen, wohnen in einem Haus und einen Familienzuwachs in Form von zwei Hunden bekommen wir auch.

Die guten Seiten des Mingletums: Freiheit. Es gibt keinen Beziehungsstress und man muss niemandem Rechenschaft ablegen.

Die schlechten Seiten des Mingletums: Das Reinkippen. Ständig darauf aufpassen zu müssen zehrt an den Nerven.

Tipps für (zukünftige) Mingles: Wenn du merkst, dass du am reinkippen bist, direkt und offen sagen. Sei zu deinem Gegenüber ehrlich und sage klar, wenn jemand anderes im Spiel ist.

 

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Kommentare

 

Mingels wollen Sex, sonst nichts...

 

das scheint die Zusammenfassung des obigen Artikels zu sein.

Egal ob der Typus des Machos, der Aussteigerin, des Überzeugten, oder des Verdrossenen versucht wird darzustellen, gemeinsam ist allen, dass Sex das Wichtigste zu sein scheint.

Ok - nicht ganz.

Der "Sex" sollte nur mit demselben Menschen stattfinden, zumindest eine Mingle-Zeit lang.

Und doch sollte jeder sich frei und unabhängig fühlen...

Und ach - wie schlimm - wenn die Eine oder der Andere "reinkippt" und Gefühle entstehen - HILFE!!!! - was nun?

 

Was oben in einem Mainstreamartikel (ähnlich bei ORF, Krone, OE24,...) beschrieben wird, ist nichts Neues. Schon immer gab es die Situation, dass es eben nicht nur den Einen Freund/die Eine Freundin gegeben hat, und immer schon war das dann "kompliziert", da halt doch keiner wirklich von Nebenbuhlern wissen wollte...

 

Einzig die Tatsache, dass recht offen (danach) darüber gesprochen wird, ist eher neu - aber vielleicht auch nur ein Ausfluss der Social Mania, die seit einigen Jahren heftig grassiert.

Heute heisst es (oft) so:

"Was bin i denn - Was hab i denn - Was kann i denn - Was red't i denn - Wer glaubst Du, dass i bin?!?"

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