"Grüße aus Cafe LG!"

12. Januar 2009

 

Es sollte bloß Werbung für die Großraum-Diskothek Nachtwerk sein: Eine Stunde in der Woche auf der Frequenz von Radio Orange Ex-Yu-Lieder spielen und auf den Wochenend-Act aufmerksam machen. Doch Radio Nachtwerk gehört heute zu den meistgehörten Sendungen des Alternativ-Senders. Die treuen Hörer sind Häftlinge aus dem Wiener Landesgericht.

 

 

von Ivana Cucujkić

 

Es ist Sonntag, 21 Uhr. Einige Tausend Menschen sitzen gespannt und warten, dass die Sendung „Radio Nachtwerk“ endlich beginnt. Schon zwei Stunden vor Sendebeginn klingelt das Telefon ununterbrochen. „Willkommen bei eurem Radio Nachtwerk. Ich bin Srečko.“ Die ersten fünfzehn Minuten werden Songs gescreent. Meist schnulzig, nostalgisch, traurig. „Das wollen die hören. Es muss mitten ins Herz treffen.“ Und schon ist der erste Zuhörer on air. Es ist Žaklina. Mit hitziger Stimme rattert sie hastig: „Ich grüße meinen Mann Boro aus LG Simmering. Ich liebe dich Boro. Halte durch.“ Im Hintergrund Babygekreische.

 

„Unserem geliebten Sohn Željko alles Liebe zum 26. Geburtstag. Wir denken an dich und zählen jeden Tag, an dem du nicht bei uns bist. Mutter Ljiljana und Vater Branko. Und bitte noch ein Lied von Šaban ‚Sohn‘.“

 

„Grüße an Zimmer A3/09“
Café LG, so wird das Landesgericht von Justizbeamten und Insassen abgekürzt genannt.

„Ich wusste anfangs nicht, was dieses Café ist, von dem die meisten Anrufer sprachen. Dann hab ich kapiert.“ Wöchentlich bekommt Srečko über 20 Briefe von Insassen und ihren Angehörigen „draußen“. Und so gestaltet sich das Programm mit Grüßen, dem Vorlesen von Briefen und vor allem niederschmetternden Liedern. „Sie rufen auch aus dem Knast an. Keine Ahnung, wie. Sie tuscheln dann unter der Decke und entschuldigen sich bei der Familie.“

 

 „Ich sitze jetzt seit 15 Monaten. Sie haben mich in die Rossauerlände verlegt. Ich möchte meinen Mann Mire in Simmering grüßen lassen. Ich hoffe, wir sehen uns bald. Viele Grüße auch an mein Ex-Zimmer im LG, A3/09. Haltet durch! Eure Jelena“

 

„Sie wissen selber, dass sie es verschissen haben

Vor fünf Jahren hatte Srečko mit Radio Nachtwerk begonnen. „Heute fühle ich mich wie ein Sozialarbeiter. Es ist ein sensibler Job.“ Später entstand die Idee, eine eigene Frequenz von der Stadt zu bekommen. Tatsächlich kam ihr erweitertes bilinguales Programm sehr gut an, es kam unter die letzten vier Kandidaten. „Das Rennen machte aber  Superfly“. 

 

„Lieber Srečko! Meine Zelle lehrt sich langsam. Gott sei Dank. Ich hab’ auch nicht mehr lange. Bitte spiel das Lied ‚Wohin gehen allein gelassene Mädchen’ von Ceca. Deine Vicky“

 

Viele rufen jede Woche an. Omas, die wegen einer Hüft-OP nicht zu Besuch kommen können, melden sich. Kinder, die ihren Vater, ihre Mutter manchmal beides Brüder und Onkel vermissen. Es kommt vor, dass sich Insassen am Telefon bedrohen. Aber selten. Und dann wieder die liebende Mutter, die um den Sohn weint. „Es ist manchmal sehr traurig. Ich hab dann schon Mitleid.“ Allerdings nur mit den Familien, wie Srečko betont. „Sie wissen selber, dass sie es verschissen haben.“


„Hallo, ich bin Enes. 11 Jahre alt. Ich vermisse meinen Bruder Emil. Bitte das Lied ,Manche Vögel‘.“

 

Kommentare

 

zur knastgeschichte hätt ich viel zu erzählen. nicht von mir selber sondern...vooon...bla bla

aber dazu später. bin jetz zu müde

kennt sonst keiner irgendwen, der im knast war oder ist?

 

ich hätte paar Geschichten aus der Schubhaft Rossauerlände.

 

...ich habe im Gespräch erfahren, dass eine initiative versucht worden ist von der VHS, Bildungsangebote im Gefängnis durchzusetzen (bin mir jetzt aber selbst nicht mehr sicher, ob es Jugendgefägnis oder Frauengefägnis war). Es scheiterte aber am Mangel der Teilnehmerzahl.

Die Frage steht natürlich offen, mit welchem "Engagement" (?!) man diese Initative an inhaftierte vermittelt hat.

Ich finde es auch total unproduktiv, dass Menschen nur irgendwo "einsitzen" und man sich dadurch "Besserung" oder Sozialisierung erhofft.

Ist es nicht die Bildung, die zur Erkenntnis führt, um die komplexen zusammenhänge zu erkennen und zu begreifen. Wie wichtig der produktive soziale Beitrag jedes Individuums ist als soziale Einheit in einer Gesellschaft. Und man diese Dinge durch Bildung erfahren kann.

 

ich weiß aus erfahrungen im bekanntenkreis, dass sich inhaftierte fühlen, als ob die zeit für sie stehen bleibt. das familienleben der angehörigen geht weiter, und die im knast haben nichts anderes zu tun, als in die wand zu starren und daran zu denken, dass das leben da draußen ohne sie weiter geht.

sie kommen dann raus und sind total realitätsfremd, fühlen sich niergendwo zugehörig und willkommen und schotten sich ab. uvm...gäbe so einiges dazu zu sagen.
von paranoiden gedanken bis psychischen krankheiten.(gänsersyndrom)..

hab von einem bekannten gehört, dass die im knast mal palmersunterwäsche eingepackt haben. war mal n angenehmer job :)) frauenunterwäsche durch die hände gleiten zu lassen :))

 

ich koennt euch sooo viel erzaehlen,ich war selbst drinnen
22 monate und 2 mon. aber zuerst will ich meinen mann gruessen lassen in LG. weiss aber nicht wie ich rein komme.
Bitte kann mir jemmand sagen wie das geht?
Eure Amina Danke im voraus und lg.

 

ich frage meine kollegin,ob sie noch die nummer vom studio hat.ej amina.
mich würd echt spannend interessieren, wie es für frauen im gefängnis ist.
schreib doch einen userblog darüber,wenn du lust hast

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