Helden von heute: Die Leiden des jungen Todor

02. Juli 2020
Jeder will ein Held sein. Das Problem ist, dass sich jeder was anderes unter Heldentum vorstellt. Ein Freund von mir zum Beispiel will, dass er zur Testperson für die Covid-Impfung wird. Somit wird er wie Robert Koch, der zu seiner Zeit die Tuberkuloseimpfung an sich getestet hat. Heute ist eines der berühmtesten Impfinstitute nach ihm benannt. Und mein Freund stellt sich genau das vor – sein Name in goldenen Buchstaben an der Tür eines schönen Gebäudes. Er träumt jeden Tag davon und nur der bloße Gedanke daran bereitet ihm Freude. Eine andere Bekannte von mir möchte gerne eine Heilige sein. Genau wie Mutter Teresa möchte sie allen Kranken und Leidenden helfen. Um eine Heilige zu sein muss man auf kleine Freuden des Lebens verzichten, so wie Bier oder Käsekreiner, aber der Zweck heiligt die Mittel. Stellt euch vor, wie cool es wäre, mit einem Heiligenschein durch die Gegend zu laufen. Man bräuchte nie wieder eine Leselampe. Andererseits hat man den Nachteil, dass man lernen muss, im Hellen einzuschlafen. Aber man gewöhnt sich sicherlich daran.   Ein Dritter möchte so stark wie Arnold Schwarzenegger im Film „Commando“ sein. Man würde gerne alle Bösewichte bekämpfen, um seine Tochter zu retten. Selbst wenn man gar keine Tochter hat. Ich bin der Vater einer Tochter und stelle mir jeden Tag vor, wie ich hunderte von bösen, schwer bewaffneten Männern bekämpfe, um sie zu retten. Denn was kann er, was ich nicht kann? Er war ja anfangs bloß ein Bodybuilder aus der Steiermark. Ich muss aber statt mit bewaffneten Männern meistens nur mit Bürokratie kämpfen. Ich stelle mir oft vor, wie ich die Bürokraten zusammen mit ihren Büros einfach so aus dem Fenster hinauswerfe. Hier weicht mein Traum vom Heldentum, der Idee von gesellschaftlich akzeptiertem Benehmen, aber wie ich schon erwähnt habe, gibt es unterschiedliche Definitionen von Heldentum.   Es gibt auch Menschen, die träumen, die gesamte Gesellschaft zu verändern. Sie wollen oft den Kapitalismus abschaffen, da er unfair und unmenschlich ist. Doch niemand kann sagen, was man an seiner Stelle installieren kann. Denn die Alternativen sind in der Geschichte gescheitert. Anarchie ist geil, aber jeder will, dass die U-Bahn pünktlich kommt. Kann man einem anarchistischen U-Bahn-Fahrer vertrauen? Und was wird aus meiner Pension? Braucht man in der neuen Weltordnung überhaupt eine Pension? Eigentum mag Diebstahl sein laut Prudhon, aber ich will nicht, dass sich wer anderer die Zähne mit meiner Zahnbürste putzt. Viele wollen Helden sein. Wenige werden es tatsächlich. Der „Joker“ aus dem Film predigt Anarchie und der Schauspieler Joaquin Phoenix bekommt den Oscar für die Rolle. Doch Kino ist eins und die Realität ganz anders. Deshalb ist es am besten, wenn wir für das Hier und Jetzt leben. Denn so tragen wir die Verantwortung für ein besseres Morgen.
 
Von Todor Ovtcharov

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