Ich bin ein weißer Mann, holt mich hier raus!

19. Juni 2020

Was kann man als weißer, privilegierter Mann Sinnvolles tun – in einer Welt voller Diskriminierung, Ungerechtigkeiten und Rassismus?


Mein Name ist Hannes Kropik, ich bin Journalist, ich habe den 50er schon hinter mir. Ich bin vermutlich das, was heute als „weißer, alter Mann“ gilt. Ich bin mir bewusst, dass ich nicht einmal weiß, wie groß meine Privilegien im Alltag sind. Ich weiß auch nicht, ob ich überhaupt die richtigen Fragen stelle. Aber vielleicht kann ich eine Diskussion anstoßen und notwendige Antworten bekommen: Was kann ich, was können Menschen wie ich tun, um das Leben für alle gerechter zu machen? 

Neulich sitze ich gemütlich am Naschmarkt in der Vormittagssonne, lasse dem ersten Cappuccino einen zweiten folgen und unterhalte mich mit einer jungen, ausgesprochen klugen Amerikanerin. Irgendwann kommen wir natürlich auf Donald Trump und all das zu sprechen, was in den USA gerade abgeht. Sie erzählt, wie sehr ihr nach den jüngsten Vorfällen ihr „White Privilege“ bewusst geworden ist. Und ich denk‘ mir: „Was soll ich da erst sagen?“

Hannes, White, Privilege, Rassismus

Also, was soll ich sagen?
Mir ist bewusst, dass ich schon mit der Geburt den Solo-Jackpot geknackt habe: Männlich, weiß und gesund erblicke ich Ende der 1960er das Licht der Welt. In Wien. Der letzte große Krieg ist 25 Jahre her, ein neuer nicht in Sicht. Meine Eltern haben sichere Jobs, wir wohnen auf 50 Quadratmeter, Zimmer, Küche, Kabinett. Klo am Gang, so ist das damals in einem typischen Mittelschichtshaushalt. Die Hausmeisterfamilie stammt aus Jugoslawien (das damals noch existiert), zu ihr haben wir aber außer Grüßen keinen Kontakt. Die Mutter meines besten Freundes in der Volksschule ist Australierin, ihr Deutsch finde ich witzig. Sonstige Kontakte außerhalb dessen, was wir heute Bubble nennen? Negativ.
Im Gymnasium ändert sich das ein wenig. S. ist, wenn ich mich richtig erinnere, Sohn von Gastarbeitern. Ein extrem guter Kicker, unglaublich g‘scheit, ein No-Bullshiter. Heute ist er Jurist in Spitzenposition in einem Ministerium. A. ist in Kuwait aufgewachsen, war dort in einer amerikanischen Schule und ist als Teenie nach Wien gekommen, er ist unpackbar cool. Immerhin, zwei Freunde mit „Migrationshintergrund“. Was für ein Wort!
Mein Familienname, Kropik, ist tschechischen Ursprungs, der Ur-Großvater ist auf der Suche nach Arbeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Wien, in die Hauptstadt der Habsburger Monarchie, übersiedelt. Mütterlicherseits sind die Großeltern im Burgenland zur Welt gekommen, als es formell noch zu Ungarn gehört hat. Geht das als „Migrationshintergrund“ durch? Wohl kaum...

Ich musste mich mit Rassismus ebenso wie mit Sexismus nie auseinandersetzen. Wenn ich abends in ein Lokal nicht hineingekommen bin, lag es nicht an meiner Hautfarbe (oder, ja, ich kenn die Schmähs der Türlsteher, an „den Schuhen“), sondern maximal an meinem schlechten Benehmen in Folge von zu viel Alkohol. Einmal hat ein Polizist versucht, mich im Vorbeirennen mit seiner Gummiwurst du dreschen, aber das war bei einer dieser Opernball-Demos in den 1990ern und er hat mich nicht erwischt. „Eat the rich“ war ein Abenteuer, aber kein Grund zu prinzipieller Sorge. Ich hatte nie Probleme, eine Wohnung zu finden. Ich habe nie einen Job nur deshalb nicht bekommen, weil mein Name, mein Geschlecht, meine Frisur, meine Kleidung, mein Dialekt oder sonst irgendwelche Äußerlichkeiten irgendwem nichts ins Leben gepasst haben. Ich bin bis heute kein einziges Mal auf meine Religionszugehörigkeit angesprochen worden. Und die Frage: „Wo kommst du eigentlich her?“ kenne ich nur aus dem Urlaub. Erfahrung mit Diskriminierung? Ich musste jetzt tatsächlich nachschauen, wie man dieses Wort richtig schreibt: Diskriminierung. Das Schlimmste ist eigentlich schon, dass mich hin und wieder Austria-Fans hänseln, weil ich Rapidler bin. Aber das halte ich aus.

#WhiteMalePrivilege

Nutze ich meine Vorteile als weißer Mann? Mit ziemlicher Sicherheit: ja. Unbewusst. Ich denke nicht darüber nach, zumindest im Normalfall. Der Mord an George Floyd hat etwas in mir ausgelöst. Was? Ich kann es (noch) nicht sagen. Ich lebe mein Leben, es funktioniert ganz einfach. Nütze ich meine Vorteile als weißer Mann aus? Wieder: sicher nicht bewusst. Mein Leben ist weiß. Sauber. Sicher. In meinem engsten Umfeld gibt es heute eine Handvoll Menschen, die nicht „hier“ geboren worden sind. Eine andere Handvoll ist homosexuell. Und, hey, ein paar sind sogar Veganer. Ich halte mich an eine Geschichte, die ich vor Jahren über einen südafrikanischen Taxifahrer gelesen habe – angesprochen auf die Apartheit in seinem Land hat er geantwortet: „Für mich sind alle Menschen grün mit gelben Punkten.“ Ich klopfe mir auf die Schultern, weil ich das Gefühl habe, keinen Unterschied zu machen. Wenn du leiwand bist, bist du leiwand. Wenn du ein Oaschloch bist, bist du ein Oaschloch. Ich bin mir recht sicher, kein Rassist zu sein. Kein Sexist. Kein Ausländerfeind.
Aber reicht das?

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