Der stille Held

05. November 2020

Wien feiert drei Männer als Helden, die bei dem Terroranschlag am Montag Abend Leben gerettet haben. Während die beiden MMA-Kämpfer Recep und Mihail auf Social Media zelebriert werden, gibt es aber noch einen dritten, stillen,  bescheidenen Helfer, der sich selbst nicht als Held sieht, aber unglaubliche Anerkennung verdient hat: Der 23-Jährige Palästinenser Osama Joda El Hosna, der seit acht Jahren in Österreich lebt, hat Montagabend am Schwedenplatz sein Leben riskiert, um einem Polizisten das Leben zu retten. Und das, obwohl der Täter auf ihn geschossen hat.  Wir haben mit Osama über seinen Einsatz beim Terroranschlag, über den medialen Trubel und darüber, warum er kein Held sein will, gesprochen.

von Aleksandra Tulej

biber: Osama, ehrliche Frage: wie geht’s dir heute, drei Tage nach dem Anschlag?

Osama: Sagen wir...besser. Ich bin aufgewacht und mein Handy war voller Nachrichten und Anrufe von Menschen, die sich bei mir bedanken wollten. Ich weiß nicht, von wo die alle meine Nummer hatten, aber das ist okay. 

Hast du denn überhaupt geschlafen?

Nein, seit zwei Tagen nicht. Also, meine Augen gehen zu, aber mein Gehirn kann nicht abschalten.

Instagram:osama.hosna97/Mit freundlicher Erlaubnis von Osama
Instagram:osama.hosna97/Mit freundlicher Erlaubnis von Osama

Du wirst ja gemeinsam mit den beiden anderen Helfern, Mikhail und Recep, als Held gefeiert.  Wie gehst du mit dem medialen Trubel um?

Ich will dir eines sagen: Ich bin kein Held. Ich habe das einfach für meine Leute, mein Land getan. Obwohl ich kein Österreicher bin, aber ich lebe hier. Und, was die anderen beiden betrifft: Ich kannte die ja vorher nicht. Ich bin einfach stolz und froh, dass die mitgeholfen haben. Mehr gibt es da nicht zu sagen. Mich interessiert das gar nicht, jetzt irgendwie berühmt zu werden. Ich habe einfach nur Menschen geholfen. 

Wie kam das, dass du mitten ins Geschehen geraten bist? 

Ich war in der Arbeit (Anm. Osama arbeitet bei McDonalds am Schwedenplatz). Plötzlich haben ich und mein Kollege Schüsse gehört, und dann ist alles ganz schnell gegangen. Wir haben den Täter gesehen, er hat sich vor einer Garage versteckt. Und dann hat er begonnen, auf uns zu schießen. Ich war circa fünf Meter weg von ihm. Ich dachte zuerst, er sei Araber und das ist religiös motiviert. Und habe ihm dann auf Arabisch zugerufen: „Was tust du ? Was machst du? Wir sind beide Muslime“. Aber der hat nichts geantwortet und weiter geschossen.  So jemand hat keine Religion. Dann haben wir uns verstecken können. Da war noch keine Polizei da. Aber kurz danach sind Gott sei Dank zwei Polizisten aufgetaucht, die zuerst schockiert waren. Weil du so etwas in Wien nicht erwartest. Ich habe denen dann gesagt, was passiert ist. Dann war auch schon ein Polizist angeschossen und der Täter hat sich entfernt. Der Polizist hat stark geblutet. Ich habe dann mit meinem T-Shirt  versucht, das Blut zu stoppen. Dann war schon der Krankenwagen da, und ich habe den Polizisten in den Rettungswagen getragen. Und dann sind die zwei türkischen Jungs gekommen und haben mitgeholfen. Gott sei Dank geht es dem Polizisten  jetzt gut, habe ich zumindest gehört. Ich wollte mich bei den Burschen bedanken, aber die waren dann weg. Die dachten, dass auch ich Polizist bin, weil ich etwas Dunkelblaues anhatte. 

 Osamas Vater im Biber-Interview über den verwehrten Hauskauf

Wussten deine Eltern, dass du gerade am Schwedenplatz in der Arbeit bist? 

Die Polizisten haben dann gemeint, ich soll meine Eltern anrufen, damit sie sich keine Sorgen machen. Meine Eltern waren sehr stolz, dass ich geholfen habe und nicht weggerannt bin.

Hast du daran gedacht, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Daran denke ich ehrlich gesagt nicht.

Deine Familie war ja schon mal in den Schlagzeilen – Weil ihr ein Haus in Weikendorf kaufen wolltet, und der Bürgermeister euch das verwehrt hat. Mit der Begründung, dass muslimische und westliche Werte nicht vereinbar wären. Was denkst du über solche Menschen? Denkst du, dass die anti-muslimische Stimmung im Land jetzt steigen wird?

Ja, aber ich wohne jetzt in Wien. Ich hoffe, dass Menschen, die so denken,  jetzt ihre Meinung ändern. Meine Familie und ich, wir schauen nicht darauf, welche Religion jemand hat. Ich glaube, das sollte spätestens jetzt allen klar sein. 

Unser Lokalaugenschein im September 2019 in Weikendorf

 

 

 

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