Klopapier statt Drehzylinder

16. Mai 2011

„Funfzich Sent, biete!“ In seiner Muttersprache kann Manuel noch viel mehr sagen: Lötkolben oder Drehzylinder, z.B. Hier in Österreich braucht der HTL-Absolvent und gelernte Landmaschinentechniker  aus der Dominikanischen Republik diese Worte nicht. Es genügt, wenn er seinen Kunden sagen kann: „Klopapier ist drinnen.“

Der Toilettenmann von der Kopakagrana ist freundlich, aber bestimmt. Er verlangt 50 Cent von jedem, der sein Geschäft nicht im Gebüsch verrichten will. Dafür ist die Toilette sauber, fast geruchsneutral und einladender, als man das von einem öffentlichen WC erwarten könnte. „Alles kostet Geld, auch die Toilette,“ erklärt er, während er ein sehr junges Mädchen auf ihrem Weg zum Stillen Örtchen wort- und kostenlos passieren lässt.  In seinem ersten Leben hatte Manuel eine große Familie und einen richtigen Beruf. In der Dominikanischen Republik reparierte er Traktoren, baute Maschinen und war der klügste in seiner Famiele. Weil ein Techniker in Lateinamerika weniger verdient als ein Feldarbeiter in Europa, begann er sein zweites Leben als Landarbeiter in Spanien. Er pflückte Erdbeeren, Orangen und was sonst noch gepflückt und verkauft werden konnte. Ein illegaler Landarbeiter verdient dort zwischen 50 Cent und 2 Euro in der Stunde; er ist nicht versichert, bekommt auch keinen Krankenstand. Außer seine Angehörigen in der Heimat, weiß oft niemand außerhalb der Felder, dass dieser Mensch existiert.

Über die Jahre sind Tausende von Erdbeeren und Orangen durch Manuels Hände in die Supermärkte Europas gewandert. Während der Wirtschaftskrise in Spanien hat sich die Lage der Feldarbeiter verschlechtert. Die Nachfrage nach Lebensmittel ist gesunken und somit auch die Nachfrage an jene, die sie ernten sollen. In Wien soll ihm sein drittes Leben mehr Glück und vor allem mehr Geld bringen. Seit einigen Monaten wacht der kleine freundliche Latino über den Toiletteneingang an der Donau. Mit dem Geld, das er verdient, konnte er sogar seine Frau und seine beiden Söhne nach Wien holen. „Meine Kinder können schon sehr gut Deutsch. Ich lerne jeden Tag ein neues Wort von ihnen.“ Der Duft von frischem Obst und Heu ist dem Geruch der Neuen Donau und dem Wiener „Haisl“ gewichen; aber Geld stinkt auch hier nicht.

Kommentare

 

und gratis deo gibts auch. super blog

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