KUMA - ein Film von Umut Dag

27. April 2012

KUMA – ein Film von Umut Dağ

Der Alltag einer anatolischen Familie in Wien hat es zum Eröffnungsfilm der Berlinale 2012 – Sektion Panorama – geschafft. In einfühlsamer Weise erzählt KUMA wie schnell die Fassade in sich zusammfällt, hält man sich zu fest an ihr an.

 

 

Kuma, zu Deutsch „Zweitfrau“, ist seit 1926 in der Türkei verboten. „Im Jahr 2011 wurden 186.000 Kumas in der Türkei gezählt“, sagt der Regisseur Umut Dağ. Der Film handelt von zwei Frauen, die mit einem Mann verheiratet sind. Fatma, die erste Frau, ist krebskrank und hat Angst ihre Familie alleine zurückzulassen, sollte sie bald sterben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern schon sehr lange in Wien. Für die Vermählung der Kuma mit ihrem Sohn Hasan, reisen sie nach Anatolien. Dass es sich um eine Zweitfrau handelt darf keiner wissen. Am wichtigsten ist der Familie Yilmaz, nach außen hin, perfekt zu sein.

 

Keine typisch türkische Familie

Ist so eine Familienkonstellation in Anatolien üblich? „Nein, natürlich nicht“, sagt Umut Dağ. „Ich zeige damit keine typisch türkische Familie. Mir ging es um eine Frau, die ihr Leben ihrem Mann und ihren Kindern widmet und sonst nichts Anderes hat. Durch den Schein, den sie nach außen wahren muss, und durch die Sprachbarriere zu den Menschen in Wien, weil sie kein deutsch spricht, ist sie isoliert. Nun ist sie aber sterbenskrank und wird ihre Werte nicht weitergeben  können. Ich stellte mir also die Frage, wie weit würde eine isolierte, konservative, in ihren Traditionen verhaftete Frau gehen, um ihre Familie bestmöglich versorgt zu wissen. Ja, ich wählte einen extremen Lösungsansatz. Dass aber die Ehefrau eine Kuma holt und nicht der Ehemann, wie es sonst üblich wäre, ist neu.“

 

Frauengeschichten sind interessanter

Die Beziehung zwischen Fatma und der Kuma Ayse entwickelt sich zu einer intensiven Freundschaft. Fatma setzt all ihre Hoffnungen in sie und bringt ihr bei was eine Ehefrau und Mutter wissen muss. Ihre Töchter Nurcan und Kezvan fühlen sich dadurch vernachlässigt und machen Ayse das Leben schwer. Als die neue Generation, die in Wien geboren und aufgewachsen ist, können sie die Entscheidung ihrer Mutter nicht nachvollziehen. Die Kuma irritiert sie, sie soll wieder verschwinden. „In der Geschichte des Films wurden bisher häufiger Männer in den Vordergrund gestellt. Mit KUMA drehe ich den Spieß um und gebe Frauen mehr Raum.“, sagt der Regisseur. Wieso musste es aber ausgerechnet eine Zweitfrau sein? Hätte es eine Schwiegertochter als Fremdkörper-Charakter nicht auch getan? „Der Schwiegermutter-Braut-Konflikt ist mir zu klischeebehaftet und bekannt. Ich möchte Filme über Menschen drehen, die ich nicht verstehe, und die neue Geschichten erzählen.“, sagt Umut Dağ.

Dağ´s Film berührt; aber nicht alle gleich. „Die konservativen Türken haben Angst, dass die Menschen vom Film auf ihre gesamte Kultur schließen könnten. Aufgrund der bisherigen medialen Hetze über Moslems ist es ihnen nicht zu verdenken. Mittlerweile verteidigen sie sich aber indem sie andere attackieren. Was ich nicht verstehe ist, dass sich genau diese Leute die neue türkische TV-Serie "Hayat Devam Ediyor" - "Das Leben geht weiter" ansehen. Sie handelt von einer 15-jährigen, die mit einem 70-jährigen zwangsverheiratet und von diesem vergewaltigt wird. Wo ist da die Logik?“

 

Dialog Neu?

Die Kritik an einer türkisch-konservativen Gesellschaft, die Verhaltensweisen an den Tag legt, die oft nicht nachvollziehbar sind, manchmal sogar menschrechtswidrig, ist ein heikles Vorgehen. Schnell wird man zum Anhänger von HC Strache, drückt man sich nicht politisch korrekt aus. Die zwei Schauspielerinnen, Begüm Akkaya (Ayse) und Nihal Koldaş (Fatma) kennen weder die Blauen noch ist ihnen die Situation in Österreich bekannt und erzählen deswegen ohne Umschweife von der Lage in der Türkei – Akkaya: „Meinungsfreiheit ist ein rares Gut. Studenten dürfen nicht protestieren und Journalisten keine Kritik an der Regierung üben. Sonst droht ihnen Gefängnis mit der Begründung sie seien Anhänger einer terroristischen Gruppe und deshalb kriminell. Oft vergehen Jahre, bis die Gefangenen wieder frei sind, weil die Gerichtsverfahren absichtlich in die Länge gezogen werden.“ – Koldaş: „Das Machotum in der Türkei dominiert noch immer. Feministische Gruppen versuchen dagegen anzukämpfen, meist ohne Erfolg. Entwickelt sich die Gesellschaft in eine positive Richtung, schnalzt sie im selben Moment wieder in ihre alten Verhaltensmuster zurück. Es ist ein ständiges hin und her und teilt die Bevölkerung in zwei. Die Gemüter sind erhitzt, als würden sie auf eine Explosion warten. Die Touristen kommen zwar nach Istanbul und erzählen in ihrer Heimat wie offen, modern und fröhlich alle Türken sind, aber das ist ein Trugbild.“

KUMA ist mehr als nur ein Film. Er zeigt Dinge, die von der einen Seite zur Hetze verwendet, aber von der anderen verschwiegen werden. Vielleicht leitet er eine neue Ära des Dialogs bezüglich dieses Problems ein.

 

Kinostart: 27. April 2012

 

Von

Sarah Al-Hashimi

Bereich: 

Kommentare

 

Dies ist keine Filmkritik! Ansonsten aber informativ und unterhaltsam. Der Film klingt irgendwie ur zach..

 

Dann klären Sie mich auf lieber Kollege.

Zach? Vielleicht liegen dir Frauenthemen nicht?

 

Warum? hast du vor Filmkritikerin zu werden? Nicht so bissig reagieren, der Artikel ist eh lesenswert, aber halt keine Filmkritik :)

Und ja, ich bin höchstwahrscheinlich ein Misogyn und Frauenhasser, bin ja schließlich Moslem und hab 2 Schwestern, die älter sind. Ich kann da nicht anders. (Für die jenigen, die Sarkasmus nicht verstehen: die vorherigen Zeilen waren Klassenbuch-Beispiele von Sarkasmus)

 

Na geh Mr. M., Sarah hat nicht bissig reagiert. Dafür sarkasierst (ja, das Wort habe ich gerade erfunden :D) du sie voll. Erklär ihr doch, warum das keine gute bzw. allgemein keine Filmkritik ist. Und, die Sarkasmus Bombe wars auch nicht so, sie hat dich lediglich gefragt ob du wohlmöglich kein Interesse an Frauenthemen hast.. Ich bin grundsätzlich ein großer Fan von Sarkasmus, aber er ist nicht immer passend und regt eine normale Diskussion auch nicht an. Ganz im Gegenteil, dann fühlt sich jemand persönlich angegriffen, giftelt zurück und schnell ist das eigentliche Thema vergessen.

 

Meiner Meinung ist das eine interessante Filmkritik!

 

Sarah Al-Hashimi kommt auf den politischen Problemkern des Filmes, den viele bekannte Filmkritiker vielleicht übersehen haben, weil sie eine zu rein österreichische (oder deutsche) Perspektiven haben.

Nämlich, dass Kuma ein Film ist, der den Rechten ihre Klischees über die EinwandererInnen aus der Türkei bestätigt.

Alle Frauen werden geschlagen (Interessanterweise haben am Schluß alle blau geschlagenen Augen,

aber man sieht  in KUMA nur Frauen, die Frauen schlagen!).

Alle werden von der Ehrvorstellung tyrannisiert und versklavt 

(und es sind in KUMA nur die Frauen, die diese Ehre nach außen

aufrechterhalten und den allgemeinen gesellschaftlichen Zwang zur familiären Tyrannei werden lassen)

Nun ist sicher etwas daran. Wenn es Gesellschaften schaffen, das erotische Begehren, die Lust der Menschen

unter strenge Regeln zu unterwerfen und so vielen Menschen ein großes Glück vorzuenthalten,

dann sind da Frauen vermutlich als KomplizInnen beteiligt.

Patriarchat funktioniert nur solange Frauen mitspielen.

Der beschissenen Ehrkodex, nachdem Mädchen als Jungfrauen in die Ehe zu gehen haben,

(Während der Papa oder der Onkel mit dem Buben zu gegebener Zeit ins Bordell geht...)

funktioniert nur, wenn die Mädchen, Mütter, Schwester, Tanten ihn mitspielen.

 

Umut Dags Ansatz die Komplizität von Frauen bei der Herstellung frauenunterdrückender Verhältnisse zu thematisieren

könnte also spannend sein.

Aber leider verendet er im Kitsch und im Klischee...

 

Es ist ein technisch  sehr gut gemachter Film, gute Kamera, brilliante SchauspielerInnen,

aber er drückt dermassen ausdauernd und penetrant auf die Tränendrüse, dass ich ab der Hälfte nur noch unfreiwillig lachen musste, wenn man mich schon wieder  zum Mitleid mit den armen Unterdrückten  anstacheln wollte.

Ganz besonders fürchterlich, das die Extraportion Kitsch und Melodram die eigentlich spannende Szene des schwulen Outings

zur peinlichen Lachnummer werden lässt.

 

Ich finde, man sollte KUMA mit GEGEN DIE WAND vergleichen.

Da sieht man, wie man das Thema der Versklavung der Frauen so umsetzen kann, dass es scharf, von den Rechten uneinehmbar, unkitschig daher kommt.

Aber dafür ist KUMA zu sehr auf Kompromiss (die Familie ist heilig, haben wir uns alle lieb, nie würde Begüm Akkaya als Ayse wie Sibyll Kikeli als Sibel Güner sagen: "Ich will ficken", im Gegenteil, sie wehr sich beim zweiten Mal gegen den Sex mit ihrem Lover....möchte doch lieber wieder brave Tochter werden....etc) unterwegs. 

 

So ist es ein Film geworden,  der nur Klischeevorstellungen bestätigt und vor allem für 15-30 jährige Mädchen

die gerne im Kino weinen eine schöne Gelegenheit zum Verbrauch vieler Papiertaschentücher ergibt...

 

Andererseits  sollten wir schon feiern, dass überhaupt der Spielfilm eines aus Kurdistan stammenden Regisseurs in Wien Geld gefunden hat! Der erste Kurdische Regisseur aus  Austria, oder?

Vielleicht findet  Umut Dag ja für seinen nächsten Spielfilm eine Drehbuchautorin, die politisch denken kann und mehr auf Tschuschenpower als auf Kopftuchfrauenklischee setzt....?

Inszenieren kann er ja jedenfalls urgut.

 

 

 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Das Ende von biber ist auch das Ende...
Foto: Moritz Schell
Kein Geld, keine Redaktion, aber eine...
Screenshot: Stadt Wien
Die Stadt Wien und der Bezirk Neubau...

Anmelden & Mitreden

9 + 1 =
Bitte löse die Rechnung