Muhamed Mesic: Mit 56 Fremdsprachen um die Welt

07. Juli 2010




Wer hätte das geahnt? Wäschewaschen in Griechenland kann stimulierend sein. Das zeigt die sagenhafte Geschichte eines Sprachtalents aus Bosnien-Herzegowina.

Von Radica Ilic-Jankovic und Lucia Bartl (Foto)

Er sieht aus wie ein durchschnittlicher Typ, trägt Jeans und T-Shirt, hat ein Faible für Fußball und geht gern Radl fahren. Hinter dem saloppen Äußeren würde man nie ein Sprachgenie vermuten. Doch das ist ohnehin kein Begriff, den Muhamed für sich beanspruchen würde. Er sagt: „Nichts ist für mich unausstehlicher als stereotype Darstellungen.“  

Muhamed Mešić ist 24, Jurist und unermüdlicher Netzwerker. Er hat sich schon an Projekten in 24 Ländern auf vier Kontinenten beteiligt, war unter anderem für den British Council tätig und wurde mit 20 in den Stadtrat seiner Heimatstadt Tuzla gewählt. Mit 17 beriet er bereits den Bürgermeister von Tuzla.  Was er genau macht? „Ich vernetze zum Beispiel Mütter von Srebrenica mit Müttern aus Argentinien, Ruanda oder Kambodscha, damit sie einander bei der Schmerz-Bewältigung besser unterstützen können“, erklärt der coole Bosnier. „Und da helfen oft ,seltsame‘ Sprachkenntnisse.“

 



 






Die Gabe

Muhamed kann sich in 56 Fremdsprachen verständigen – von Quechua (Ecuador) bis Jiddisch, von Baskisch bis Kinyarwanda (Ruanda). Das Sprachniveau variiert von Small-Talk bis zu anspruchsvolleren akademischen Inhalten. „Ich kann mich nicht in allen 56 Fremdsprachen über die Verfassungsreform in Burkina Faso unterhalten, aber ich spreche 12 davon fließend.“ Auf dem Balkan bekommt man ja gleich vier Muttersprachen in die Wiege gelegt: Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Montenegrinisch. Doch eigentlich begann alles mit einem Urlaub in Griechenland - mit dem Wort „plidirio”, was Waschmaschine bedeutet. Die Hausvermieterin in Volos hat beim Aufhängen der Wäsche Selbstgespräche geführt, und der sechsjährige Muhamed wollte damals unbedingt wissen, was die Frau da mit „all den fremden Wörtern“ erzählt.

 

Der Schulalltag

Bis heute ist es die Neugier, die Muhamed treibt. Ein persönlicher Traum von ihm ist einmal Busfahrer zu sein, Programmieren zu lernen, oder sich als Friseur zu versuchen, gesteht er mit einem breiten Grinsen. Neue Herausforderungen taugen dem Sohn einer Englischlehrerin und eines Bauingenieurs. Sein Motto lautet: „Man lernt nie aus.“ Kein Wunder, dass er sich in der Schule manchmal gelangweilt hat. Seine Mitschüler fanden seine Interessen „mal cool, mal komisch, mal freaky“. „Erstaunlicherweise habe ich aber nie Probleme gehabt, mit Gleichaltrigen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Vielleicht deswegen, weil ich mich geweigert habe, jemand zu sein, der ich nicht war. Und das versuche ich heute noch zu fördern: Spiele dein eigenes Spiel, schaue aber, dass du damit etwas an deine Umgebung zurückgibst.“

 

Die Vernunft

Dieses Jahr nimmt Muhamed ein neues Projekt in Angriff: Es heißt „Razglasaj“ bzw. „Spread the word“. Dabei sollen Bosnier, die im Ausland leben, zur politischen Partizipation in ihrer Heimat motiviert werden. So hat der 24-Jährige etwa Wahlkabinen im Internet aufgestellt, ähnlich den „Wahl-O-Maten“, die man aus Österreich kennt. Damit hofft er, seinen Landsleuten die Wahlprogramme kandidierender Parteien verständlicher zu machen. 

 „Ich bin ein Kantianer“, sagt Mešić, „ich glaube an die reine Vernunft. Es ist schlecht, wenn Emotionen und Leidenschaft Logik und Vernunft vertreiben. Wer zum Beispiel hetzerische Wahlwerbung betreibt, ist zu leidenschaftlich bei der Sache. Was danach folgt, sind irrationale Entscheidungen. Logische Argumente bleiben aus. So agieren 80 Prozent aller Menschen.“

 

wer ist er:

name: muhamed mešić

alter: 24

wurzeln: bosnien-herzegowina

besonderheit: spricht 56 sprachen

 

Kommentare

 

tolles projekt. ich will nämlich auch das erste mal im leben wählen. und zwar dort, wo ich darf. bosnien

 

so viele sprachen zu sprechen. ich bring's grad mal auf läppische vier. aber alle brav selber angelernt, immerhin. :)

 

„Ich vernetze zum Beispiel Mütter von Srebrenica mit Müttern aus Argentinien, Ruanda oder Kambodscha, damit sie einander bei der Schmerz-Bewältigung besser unterstützen können“ wow. svaka ti cast. find ich echt toll. meine frage wäre, ob sich dieses Projekt als erfolgreich erwiesen hat, wie viele es gewagt haben und vlt wo man sich darüber genauer informieren könnte ?! lG

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