Serbien kündigt einen Trauertag für Angreifer im Kosovo an

27. September 2023

 

Heute wird in Belgrad getrauert. Die serbische Regierung hat die Staatstrauer wegen des terroristischen Anschlags im Norden Kosovos ausgerufen. Eine Gruppe von etwa 30 bewaffneten Angreifern in serbischer Uniform hatte bei einem gezielten Angriff im Dorf Banjska einen Polizisten getötet. Und das, obwohl die NATO im Land stationiert ist. Heute wird in Belgrad aber nicht um den kosovo-albanischen Polizisten getrauert. Die Trauer wird den vier ermordeten Angreifern ausgesprochen. “Sie sind unsere Kosovo-Helden”, titelt etwa die regierungsnahe Tageszeitung Informer. Die Zeitung Alo! hat die Namen der “Kosovo-Helden”, von denen einer noch nicht identifiziert wurde, auf der Titelseite. Darüber eine Trauerkerze mit der Überschrift: “Die Opfer von Kurti’s Terror”.

von Dennis Miskić

“Arsenal für 200 Menschen”

Die sogenannten “Kosovo-Helden” hatten am Sonntagmorgen mehrere Gewehre, Uniformen, Raketenwerfer und sogar ein Panzerfahrzeug dabei. Der kosovarische Innenminister nannte es ein “Arsenal für eine Armee von 200 Menschen”. Sogar ein aufgezeichneter Plan für den Angriff wurde gefunden. Im Norden des Landes, das mehrheitlich von Serb:innen bewohnt ist, kommt es immer wieder zu Konflikten. Die lokalen Politiker stehen unter der Kontrolle Belgrads. Zuletzt kam es zu gewaltvollen Ausschreitungen zwischen den lokalen Serben und der “KFOR – der NATO geführten internationalen Einheiten”.  Wegen der angespannten Situation fordern Sicherheitsexperten eine Erhöhung der Truppen. Unter den Angreifern war auch Milan Radoičić, Vizepräsident der Partei Srpska Lista. Er ist eine prominente Figur in der organisierten Kriminalität und wurde schon mit Waffenhandel, Geldwäsche und Mord in Verbindung gebracht. Der serbische Präsident Vučić nannte ihn den “Mann Nummer Eins für die Verteidigung von Nordkosovo”. Er wurde bei dem Angriff verletzt und wird gerade in einem Krankenhaus in Belgrad behandelt.

Zynische Reaktion

Was Vučić auch tat, war lange auf sich warten zu lassen. Und zwar 18 Stunden bis nach der Attacke. So lange hat es gedauert, bis er vor die Presse trat. Er gab kaum Antworten auf dringende Fragen, brachte aber eine Erklärung mit: Der kosovarische Premier Albin Kurti ist am Angriff schuld. Kritisch hinterfragende Journalist:innen kamen kaum zu Wort. Am nächsten Morgen traf sich Vučić mit dem russischen Botschafter. Was genau sie besprachen, ist nicht ganz klar.

Kein Fortschritt bei Verhandlungen

Die von der EU angeführten Verhandlungen zwischen Kosovo und Belgrad dauern nun schon 10 Jahre an. Ein Fortschritt ist nicht in Sicht, die Situation angespannter wie schon seit Jahren nicht mehr. Kosovo, das sich 2008 unabhängig gemacht hat, wird von Serbien noch immer nicht anerkannt. In den Verhandlungen fordert Belgrad einen Gemeindeverband für die im Kosovo lebenden Serb:innen – der, wie viele befürchten, zu viel Autonomie bekommen könnte. Es wäre eine ähnliche Situation wie mit der “Republika Srpska” in Bosnien-Herzegowina. Bemerkenswert ist aber, wie sich verschiedene EU-Diplomaten zunehmend auf die Seite von Vučić stellen. Das, obwohl sich die Regierung bis heute regelmäßig mit dem russischen Außenminister trifft. Solange sich das nicht ändert, wird es wohl noch solche Schlagzeile wie die von Sonntagmorgen geben – der Westbalkan wird ein Krisenherd bleiben. Wenn Verhandlungen in Brüssel scheitern, schiebt man es dem sturköpfigen Premier aus Pristina in die Schuhe. Wenn serbische Kriminelle ein Anschlag verüben, müssen “beide Seiten” wieder an den Verhandlungstisch. Die Situation ist gefährlicher als schon seit Kriegsende nicht mehr.

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