Serbiens Impfstrategie wird zur Selbstinszensierung Vučićs

11. Februar 2021

Von Europas Underdog zum Spitzenreiter – Serbien impft am schnellsten in Kontinentaleuropa. Der serbische Präsident Aleksander Vučić lässt keine Gelegenheit aus, um sich als Held zu feiern. 

von Jelena Colić

Präsident Vučićs Affinität zu Russland und China zahlt sich aus. Serbien ist Spitzenreiter beim Impffortschritt auf dem europäischen Festland und weltweit auf Platz acht. Die Antwort auf diesen Erfolg begründet die serbische Premierministerin Ana Brnabić mit „[…] Wir hatten die Möglichkeit, auf Impfstoffe aus der ganzen Welt zurückzugreifen.“ Wie Marija Ilic in ihrem Artikel erklärt, verwendet Serbien – anders als der Rest der EU – zum Großteil die russischen und chinesischen Varianten des Corona-Impfstoffes. 

Kritik für die einen, Lob für die anderen

Der Fokus läge auf Menschenleben und nicht auf Geopolitik, lautet der Grundtenor der serbischen Regierungsspitze. Vučić wirft einkommensstarken Ländern vor, zu viele Impfstoffe bestellt zu haben und sogar „alle Hunde und Katzen“ des Landes impfen zu wollen. Ein nahrhafter Boden für Vučić, um ein Underdog Narrativ zu schaffen à „Wir haben es trotzdem geschafft“.  Vučićs Facebookauftritt scheint dafür der geeignete Ort zu sein: An Lobeshymnen für den russischen Präsidenten Putin und chinesischen Präsidenten Si Jinping wird nicht gespart. 

Serbien ist bei Impfgeschwindigkeit im europäischen Spitzenfeld

Für die EU regnet es keine Komplimente. Obwohl Serbien als EU-Beitrittkandidat und andere Balkanländer von der EU Unterstützungen in Millionenhöhe im Kampf gegen die Pandemie erhalten haben. Einzig Premierministerin Ana Brnabić findet nette Worte für die EU und agiert diplomatisch. In einem Interview für die BBC betont sie „Ich werde die EU nicht kritisieren. Sie haben uns immens geholfen während der Pandemie.“ 

Zorana Jevtic/Reuters/picturedesk.com
Zorana Jevtic/Reuters/picturedesk.com

„Denkmal zu meinen Ehren“

Vučić reagiert auf Serbiens Fortschritt mit einer Bescheidenheit, wie wir es von Eltern kennen, die das Flötenspiel ihrer Kinder loben. „Wenn Sie den Preis erfahren, werden Sie eines Tages ein Denkmal zu meinen Ehren errichten“ antwortet der serbische Staatschef auf die Frage, wie es möglich war eine solche Vielzahl an Impfstoffen zu garantieren. Von Transparenz wie die Verträge für die Lieferung der Impfstoffe, insbesondere mit China, abgeschlossen wurden, ist keine Spur. 

Mit dreckigen Fingern soll man nicht auf andere zeigen. Hört man den Aussagen von Bundeskanzler Kurz während der zig Pressekonferenzen zu neuen Corona-Bestimmungen zu, war eine der möglichen Interpretationen häufig, wie Kurz im Alleingang Österreich durch die Krise führt. Vučić steht Sebastian Kurz in nichts nach und geht noch einen Schritt weiter: Auf seiner offiziellen Instagramseite teilt er ein Foto mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiś, um seine Trauer auszudrücken, wie schlecht die tschechische Republik die Krise handhabt und in der Hoffnung, sie möge bald wieder zu normalen Lebensbedingungen zurückkehren. Es kann als empathischer diplomatischer Schachzug gewertet werden, indem Serbien seine Empathie mit der tschechischen Republik ausdrückt.  Oder es liest sich ein bisschen bitter, wie wenn der Klassenbeste einem Klassenkameraden sein Mitleid für eine negative Prüfung ausdrückt. Vor allem, wenn der Post davor ein Video mit heroischer Musik und der Caption „Es lebe Serbien“ ist. 

In Interviews spricht Vučić von einem „Krieg der Nationen“ um den Impfstoff. Das serbische Medium politika.rs veröffentlicht einen Artikel mit dem Titel „Serbien geht als Sieger hervor im Kampf um die Impfstoffe“. Diese Kriegsrhetorik dient als geeignetes Sprungbrett für Vučić, um sich als Held darzustellen, der gegen die EU kämpft, neue Verbündete findet, und tagtäglich Updates gibt, wie viele neue Dosen Impfstoff er organisiert hat. In einem Video auf Instagram verlautet Vučić, dass Serbien bis Ende März eine weitere Million fertige Impfdosen von ‚seinen Freunden‘ erhält. Vučić betont ausdrücklich, wie aufregend diese Nachrichten sind und er nicht warten konnte diese Botschaften mit den serbischen Bürger und Bürgerinnen zu teilen, dass er nicht einmal Zeit hatte sich förmlich anzuziehen. 

Keine Gelegenheit wird ausgelassen, in der sich Vučić als nahbarer Held im „Krieg“ um die Impfstoffe positioniert, der vom Westen im Stich gelassen wurde. 

 

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