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17. Juni 2010

Israelitische Kultusgemeinde zeigt Demo-Organisatoren an

http://derstandard.at/1276413228384/Anti-Israel-Demo-Israelitische-Kultu...
16. Juni 2010, 17:25

Muzicant spricht von antisemitischen Botschaften und verlangt politische Konsequenzen - Kritik an SP-Gemeinderat Al-Rawi

Wien - Zwei Demonstrationen gegen die israelische Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte in Wien sorgen für Aufregung in der jüdischen Gemeinschaft. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) hat antisemitische Botschaften unter den Teilnehmern geortet und eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt. IKG-Präsident Ariel Muzicant nahm am Mittwoch in einer Pressekonferenz auch die Politik in die Pflicht, die zu den Vorfällen Stellung nehmen solle.

Hakenkreuz mit Davidstern gleichgesetzt

Zu den Demonstrationen, die am 1. und 4. Juni in Wien stattfanden, hatten mehrere pro-palästinensische Organisationen aufgerufen. Beim zweiten Termin waren der Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, der eine Rede vor den Demonstranten hielt, und Fritz Edlinger von der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB) beteiligt. Sie sollen sich in Gesellschaft mit Teilnehmern befunden haben, die laut IKG teils antisemitische Transparente schwenkten. So wurde etwa auf Transparenten der David-Stern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt, auf einem Transparent - allerdings bei der ersten Demonstration - war die Aufschrift "Wach auf Hitler" zu lesen, wie die IKG auf Fotos dokumentierte. Auch die Hamas-Fahne wurde hochgehalten.

"Es wurde eine rote Linie überschritten, die wir nicht akzeptieren können", zeigt sich Muzicant entsetzt. "Wo sind die Führer der muslimischen Gemeinde in Österreich, die so eine Hetze organisieren?" Der IKG-Präsident sieht den Straftatbestand der Verhetzung erfüllt und erwartet gerichtliche Konsequenzen. Vor allem seien Übergriffe auf Juden in Österreich seit den Vorfällen in Israel deutlich angestiegen, berichtet er. Mitglieder der Gemeinde, vor allem jene, die durch ihre Kleidung klar als Juden identifizierbar seien, würden beschimpft und bespuckt. Taxifahrer weigerten sich, Juden mitzunehmen. Muzicant hat zwar bereits einmal aufgerufen, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen, viele trauten sich allerdings nicht, berichtete er.

Muzicant ist es auch wichtig zu betonen, dass nicht alle Muslime in Österreich, sondern nur eine Minderheit derartig agierten. Er erwartet sich "eine klare Aussage, dass für so etwas kein Platz ist", IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer vermisst ebenfalls "Worte der Mäßigung". Politische Konsequenzen für Al-Rawi verlangt die Kultusgemeinde von der SPÖ nicht direkt, gibt aber zu bedenken, dass dieser Mitorganisator der zweiten Veranstaltung gewesen sei und die Initiative für die umstrittene und laut Muzicant unausgewogene Resolution im Wiener Gemeinderat gesetzt habe. "Es ist schwierig zu akzeptieren, dass ein Gemeinderat Al-Rawi hier machen kann was er will", meinte auch der Präsident der jüdischen humanitären Organisation "B'nai B'rith", Victor Wagner.

Politikwissenschafter sieht "Allianz des politischen Islam"

Der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger sieht in der Zusammensetzung der Demonstranten am 4. Juni eine "Allianz des politischen Islam", allerdings hätten sich auch türkische Rechtsextremisten, wie die Jugendorganisation "Die grauen Wölfe" beteiligt. Aus antisemitischen Antrieb hätten "Gruppen zusammengefunden, die sonst wenig miteinander zu tun haben", dass der Konflikt nach Wien"importiert" werde, könne nicht im Interesse der Parteien sein.

Al-Rawi hatte schon einen Tag vor der Pressekonferenz der IKG reagiert. "Solche Angriffe sind durch nichts zu entschuldigen und sind auf das Schärfste zu verurteilen", meinte er in einer Stellungnahme. "Sollten solche Angriffe von muslimischen Mitbürgern verübt worden sein, so distanzieren wir uns mit aller Deutlichkeit davon." Auch distanzierte er sich von der ersten, "wilden" Demonstration, wo das Plakat "Wach auf Hitler" geschwenkt worden war. Wichtig sei nun, "dass der vorbildliche interreligiöse Dialog zwischen den Religionen in Österreich weiter funktioniert und die guten Kontakte mit allen VertreterInnen der Religionen weiterhin sorgsam gepflegt werden".

Islamische Glaubensgemeinschaft weist "unqualifizierte Angriffe" zurück

Die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hat am Mittwoch die Kritik der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) an der Demonstration gegen die blutig verlaufene israelische Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte zurückgewiesen. IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh nannte die Pressekonferenz-Aussagen von IKG-Präsident Ariel Muzicant "unqualifizierte Angriffe" - und warnte, man sollte die Dialogkultur zwischen Juden und Muslimen in Österreich nicht gefährden.

Schakfeh wies auch "aufs Schärfste die unqualifizierten Angriffe auf Omar Al Rawi zurück". Und er wandte sich dagegen, "rechtschaffene Menschen, aufrechte Antifaschisten" als "Hetzer ins Eck" zu stellen - oder "in Geiselhaft" zu nehmen für "jene zwei oder drei Gestalten, ... die außerhalb der Demonstrationskultur der Kundgebung agierten". "Inakzeptable Plakattexte" verurteile die IGGiÖ ebenso wie die Demo-Veranstalter. Und "selbstverständlich sind auch jegliche Übergriffe auf Juden in aller Entschiedenheit zu verurteilen", betonte Schakfeh.

Er wies es aber zurück, die Strategie der Demonstration pauschal als "antisemtisch" zu diffamieren. Damit sollten wohl die "bequemen Denkschranken aufrechterhalten werden, mittels derer die Politik Israels niemals kritisch infrage zu stellen" sei, so Schakfeh.

(APA)

Kommentare

 

Offener Brief an die Islamische Glaubensgemeinschaft
Die Jüdische:
http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=3&Param_...

Wien- Sehr geehrter Herr Präsident Schakfeh , Sehr geehrte Damen und Herren,

In Bezug auf mehrere Erklärungen von Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft, wie Präsident Schakfeh, stellt die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) fest:

Die Dialogkultur zwischen den Glaubensgemeinschaften in Österreich ist in der Tat gefährdet. Nicht jedoch durch das Aufzeigen antisemitischer Vorkommnisse sondern durch das Zulassen und Verharmlosen.

Veranstaltern von Kundgebungen kommt dabei eine besondere gesetzliche und moralische Verantwortung zu, die von ihren Führungskräften aber nicht wahrgenommen wird.

Die IKG hat gerade in den letzten Tagen viele Anrufe und Besuche von Muslimen - insbesondere von solchen, die in ihren Heimatländern politischer Verfolgung ausgesetzt waren - erhalten, die ihre Entrüstung über die während einschlägigen Demonstrationen in Wien vorgebrachte Hetze gegen Juden und Israel äußerten und auf die bedauerliche Duldung und Verharmlosung dieser Vorkommnisse durch offizielle Organe der Muslime hinwiesen.

Die IKG nimmt die Gespräche mit Muslimen weiterhin sehr ernst. Ohne Interna der Islamischen Glaubensgemeinschaft beurteilen zu wollen, möchte die IKG darauf hinweisen, dass ihre Vertretungsbehörden demokratisch, bei einer Wahlbeteiligung jeweils zwischen 50 und 60 %, legitimiert sind. Vielfach wurden wir auf den Umstand hingewiesen, dass dies auf Seite der IGGÖ nicht der Fall ist.

In der Antisemitismusdefinition des EUMC der EU wird die Hetze und Verunglimpfung des Staates Israel in den Antisemitismusbegriff inkludiert:
- Denying the Jewish people their right to self-determination, e.g. by claiming that the existence of a State of Israel is a racist endeavor.

- Applying double standards by requiring of it a behavior not expected or demanded of any other democratic nation.

- Using the symbols and images associated with classis anti-Semitism to characterize Israel or Israelis.

- Drawing comparisons of contemporary Israeli policy to that of the Nazis

- Holding Jews collectively responsible for actions of the State of Israel

In genau dieser Weise wurde auf den Kundgebungen agiert. Gemeinderat Omar Al-Rawi spielte in seiner Rede auf eine gleichzeitige Israel-solidarische Kundgebung an. Allein ein Vergleich der Rede- bzw. Videoaufnahmen der Redebeiträge zeigt, wo gehetzt und wo zum Frieden aufgerufen wurde.

Weiters wurden auf den Kundgebungen Fahnen der Hamas, die bekanntlich die palästinensische Organisation der Moslembrüderschaft ist und auf internationalen Terrorlisten steht, getragen. Seit Jahren wird für Frontorganisationen der Hamas in Wien Geld gesammelt.

Die IKG wurde mehrmals von Muslimen auf die personelle Identität von Funktionären der Islamischen Glaubensgemeinschaft mit der Moslembrüderschaft hingewiesen.

Daher geht die IKG davon aus, dass der antisemitische Inhalt der Charta der Hamas , etwa Artikel 7, bekannt ist: 'Die Stunde des Gerichts wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Sträuchern verstecken und jeder Baum und Stein wird sagen: "Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!"'

Der Holocaust wird von der Hamas als Lüge bezeichnet (z.B. Abdel al-Rantisi: The Holocaust - The Greatest of Lies Funded by the Zionists, 2003.)

Bereits in der Vergangenheit hat die IKG auf die Gefahr von islamistischen Hasspredigern hingewiesen, wurde deswegen angegriffen und wenig später von den tatsächlichen Entwicklungen bestätigt.

All dies Erwähnte kann nicht mit "Israelkritik" abgetan werden, die vollkommen legitim ist, sofern sie nicht mit "doppelter Moral" gegenüber anderen politischen Diskursen erfolgt.

Die Teilnehmer einer gemeinsamen Kundgebung von antisemitischen Islamisten, rechtsradikalen Grauen Wölfen und Linksradikalen als "Antifaschisten" zu bezeichnen, ist lächerlich.

Soll ein interkonfessioneller Dialog sinnvoll sein, kann er nicht gleichzeitig mit der Duldung antisemitischer (oder besser antijüdischer) Hetze erfolgen. In diesem Sinn hat die muslemische Seite auch eine Bringschuld hinsichtlich der Aufarbeitung antisemitischer Stellen im Koran, die auf christlicher Seite hinsichtlich des Neuen Testaments weitgehend erfolgt ist.

Die Belastung des Dialogklimas erfolgt nicht auf Grund unterschiedlicher Meinungen zu Fragen des Nahen Ostens sondern durch Zulassen von Antisemitismus (oder wenn Sie wollen Antijudaismus).

Dr. Ariel Muzicant
Präsident der IKG

Mag. Raimund Fastenbauer
Generalsekretär der IKG

 

Der vorangegangene comment von Murmeltier wurde gelöscht. Danke an Lampenschirm, der uns darauf aufmerksam gemacht hat.
lg Redaktion

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