Wahllos unglücklich

30. September 2013

Ich fühle mich eigentlich nie fremd in diesem Land. Gestern war es aber soweit: als knapp fünf Millionen Österreicher über mein Schicksal entschieden haben.

Ich habe am Sonntag mit meiner Familie zu Mittag gegessen, ich habe einen Spaziergang gemacht und dann bin ich nicht wählen gegangen. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht darf . Ich besitze nicht den österreichischen Pass und darf deshalb nicht den Nationalrat wählen. Und ganz unabhängig vom Wahlergebnis – es ist nicht mein Ergebnis, ich habe die kommende Regierung nicht gewählt und doch wird sie die nächsten fünf Jahre mein Leben bestimmen. Von ihr wird abhängen, wie viele Steuern ich zahle. Ob meine zukünftigen Kinder einen Kindergartenplatz bekommen. Und sie wird für mich weitreichende Entscheidungen in Brüssel treffen.

Eine Million Stumme

Aber ich war gestern nicht die einzige unfreiwillige Nicht-Wählerin. Mit mir sind fast eine Million Menschen zu Hause geblieben, die schon lange in Österreich leben, aber nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen - weil sie die Kriterien nicht erfüllen, weil sie teuer ist, weil sie nicht auf ihre erste Staatsbürgerschaft verzichten wollen oder weil sie keine Lust auf ein teures, aufwendiges und müßiges Staatsbürgerschaftsverfahren in zwei Ländern haben. Zum Vergleich: Für die ÖVP haben 982.651 Wähler gestimmt und die Neos vertreten überhaupt nur knappe 200.000 Wähler.

Zu dieser Million, die nicht wählen darf, zählen nicht nur deutsche Studenten auf der (Studien)Durchreise oder Saisonarbeiter aus Ungarn. Dazu zählen auch meine Eltern, die seit über 20 Jahren hier leben und arbeiten. Dazu zählen Wissenschafter verschiedener Forschungsinstitute, die gestern Stimmen ausgezählt haben und Hochrechnungen gemacht haben. Dazu zählt sogar ein ORF-Journalist, der alle Spitzenkandidaten vor der Wahl durch ganz Österreich chauffiert hat. All diese Menschen bleiben ohne Repräsentanz. Das schwächt die Glaubwürdigkeit jeder kommenden Regierung und macht nur den rechten Flügel stark, der sie am liebsten gar nicht erst ins Land gelassen hätte.

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