Wer finanziert den Ilisustaudamm?

25. August 2008

Wie Ö1 gestern berichtete, versucht die Kontrollbank das umstrittene Ilisu-Projekt am Tigris weißzuwaschen. Nach einer unabhängigen Expertise, die zeigte, dass die Türkei die Auflagen für das Projekt bisher fast nicht umgesetzt hat, wäre die Kontrollbank verpflichtet gewesen, ihre Zusage zurückzuziehen. Stattdessen wurde der Türkei Gelegenheit gegeben, sich mit weiteren Versprechungen und Ausflüchten aus der Affäre zu ziehen. Die Verantwortung für die Kontrollbank trägt vor allem der ÖVP-Finanzminister.

Die Österreichische Kontrollbank beabsichtigt die Kredite für die österreichische Beteiligung am geplanten Ilisu-Staudamm am Oberlauf des Tigris abzusichern. Dies bedeutet, dass im Falle eines finanziellen Misserfolges, das Geld österreichischer Steuerzahler auf dem Spiel steht.

Dass dies keine graue Theorie ist, zeigen die Ereignisse der letzten Monate: Nach einem ungewöhnlich trockenen Winter herrscht in der Türkei schon zum zweiten Mal seit der Jahrtausendwende Stromknappheit infolge der geringen Produktion der Wasserkraftwerke. Angesichts des schon jetzt herrschenden Klimas im Oberlauf von Euphrat und Tigris und der durch den Klimawandel zu erwartenden häufigeren Dürren in der Region ist Wasserkraft keine zuverlässige Quelle für die Stromproduktion in Mesopotamien. Dies gilt auch für die autonome Region Kurdistan im Nordirak, wo die beiden Staudämme fast leer sind. Dort wurden daher in den letzten Jahren Gasturbinen-Kraftwerke errichtet, die mit hohem Wirkungsgrad arbeiten. 

Die Rückzahlung der aushaftenden Kredite ist an den Verkauf der gewonnenen Energie vertraglich gebunden. Die Türkei hat schon jetzt einen zu hohen Wasserkraftanteil, was die türkische Stromversorgung anfällig für Dürreperioden macht. Für Firmen, die in Staudämme investieren, bedeutet dies ein hohes finanzielles Risiko. Dieses Risiko wird leider auf den österreichischen Steuerzahler abgewälzt werden.

 

Links:

Global 2000: www.global2000.at/pages/ilisudemo.htm

Ilisu-Wasserkraftwerk: www.ilisu-wasserkraftwerk.com/page.php

Die Grünen: www.gruene.at/umwelt/artikel/lesen/30022/

ECA-Watch: www.eca-watch.at/ilisu/index.html

Rettet Hasankeyf: www.stopilisu.com/front_content.php

Ökonews: www.oekonews.at/index.php

 

 

 

Kommentare

 

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist nicht einfach, handelt es sich doch um eine komplexe Materie, die sowohl nationale türkische Interessen betrifft als auch diejenigen der globalen Wirtschaft. Ich möchte mich daher nur auf einen Teilaspekt der finanziellen Problematik konzentrieren. Von den Baukosten von € 1.2 Mrd werden insgesamt knapp € 450 Mio durch Exportkreditagenturen besichert, € 285 Mio entfallen dabei auf die Kontrollbank. Diese hat im Auftrag bzw. auf Weisung des Finanzministeriums welchen Coleurs auch immer entsprechende Garantien auszustellen. Ein wesentlicher Aspekt sind stets strategische volkswirtschaftliche Überlegungen, in diesem Fall der Andritz AG, welche die Turbinen liefert und damit indirekt Ihre Investitionen absichert. Es ist im internationalen Finanzierungsgeschäft üblich, die Risiken im Konsortial auf mehrere Partner zu verteilen. Wenn nun die Kontrollbank wie beschrieben "mauert", dann tut sie es im Auftrag des Eigentümers und nicht aus eigenem Antrieb, soviel zum besseren Verständnis der geneigten Leserschaft.

 

Es ist zu differenzieren, für welche Art von Projekten die ÖKB Exportgarantien oder Haftungen übernimmt oder übernommen hat. Genauere Infos gibts übrigens unter:

http://www.oekb.at/bin/file.bin?id=3321219

Zusammengefaßt: die Höhe sämtlicher Obligos ist nicht ohne, und die Haftung übernimmt - die Republik Österreich - sprich der Steuerzahler.

 

Erstmals danke für deinen Beitrag und dem interessanten link zum Geschäftsbericht der ÖKB.

Ja, es gibt unterschiedliche Projekte, für die die ÖKB haftet(e).
Doch so Projekte, wie ein thermisches Kraftwerk in Sri Lanka, die Ausrüstung für eine Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke und Lieferung von Papiermaschinen in China, eine Abwasserreinigungsanlage in Algerien, ein Pumpspeicherkraftwerk und Eisenerzmühlen im Iran, und natürlich der Ilisu Staudamm in der Türkei, einfach sensible Projekte, die durch österreichische Steuergelder und ebenso auf dem Rücken der Steuerzahler der Empfängerländer finanziert werden, fühlen sich für Herr & Frau Österreicher nicht nur ungut an, sondern sind tatsächlich unfair, ungerecht und widersprechen bestimmten Regeln und Gesetzen. Es deckt nur die Interessen einiger wenigen ab, eben nur die der Exportunternehmen. Dies führt zu unnötigen Verschuldung von Entwicklungsländern, in denen man zwar etwas aufbaut, aber auf wessen Kosten und nach welchen Anstrengungen.
Der Link von dir, der zum Geschäftsbericht 2006 der ÖKB führt, zeigt mir etwas sehr interessantes, nämlich, dass die ÖKB, die seit 1950 für die Export- und Kreditwirtschaft mit der Abwicklung von Exportgarantien im Namen der Republik betraut ist, einen Verlust von 200 Mio€ schreibt, was durch Budgetmittel =Steuerzahler ausgeglichen werden musste. "Sensible" Projekte, in denen Österreich involviert ist, widerstoßen leider gegen Auflagen und Regeln zb.: der Europäischen Konvention zum Schutz des Kulturellen Erbes, Menschenrechte und Umweltgesetze. Klagen beim Europäischen Menschenrechtsgericht sind in der Causa Ilisu -die einfach ökologisch, kulturell und sozial eine Katastrophe ist- auch schon eingereicht, da die Menschen zwangsumgesiedelt wurden, die zugesprochenen Entschädigungen nicht ausbezahlt wurden bzw. nur den Großgrundbesitzern zu gute kamen. Der Expertenbericht 2008 von Österreich, Deutschland und der Schweiz kam auch zu einem -eh nicht überraschenden- vernichtenden Urteil. Die Türkei ignorierte einfach die vorgegebenen Auflagen.

Kleiner Auszug:
"Zum Kulturpark, in den die vom Untergang bedrohten Kulturdenkmäler der antiken Stadt Hasankeyf übersiedelt werden sollen, existiert nicht einmal eine Studie.
Was die Umwelt angeht, sind zwar Kläranlagen im Bau, sie entsprechen aber nicht den Standards. Untersuchungen zu den Auswirkungen des Staudamms auf Fauna und Flora gibt es nicht.
Am schärfsten fällt das Kapitel Umsiedlung aus. Nicht einmal die genaue Zahl der von einer Umsiedlung betroffenen Menschen sei vorgelegt worden.
Die Suche nach neuem Land für Bauern sei nicht begonnen, die Infrastruktur nicht geschaffen worden.
(Die Presse,19.3.08)

Eine Novellierung des Ausfuhrförderungsgesetzes (AusfFG) 1981 ist daher sehr notwendig. Diese könnte zb.: garantieren, dass mit keinem Steuergeld Entwicklungsländer noch mehr in Schulden gebracht werden, Korruption, Nichtbeachtung der OECD-Leitsätze seitens multinationaler Firmen und Verstoß von Menschenrechten/Umweltgesetzen und Fehlkalkulationen beglichen werden. Es würde dadurch verankert sein, dass es Klimaschutzkriterien, die Zustimmung der Betroffenen und Umsetzung der Kohärenzgebote bei der Ausfuhrförderung gibt.

Sehr gut hat mir die Anfrage von Lunacek, Glawischnig & co, welche an das BMUKK gerichtet war, gefallen:

"Würden Sie es akzeptieren, dass die Altstadt von Salzburg, UNESCO-Weltkulturerbe, einem Stausee weichen muss bzw. einzelne Stücke der Stadt dafür in ein Kulturmuseum transferiert würden? Falls nein, wieso unterstützen Sie dann die Flutung von Hasankeyf mittels österreichischem Steuergeld?"

Zu gerne würde ich die Antwort von Molterer, Leitl und Scholten hören!

 

1) die ÖKB übernimmt Haftungen und gibt Garantien, ist aber kein Kreditgeber im eigentlichen Sinne, auch nicht im Falle des Ilisu Projektes. Die Bank Austria dagegen finanziert mit knapp € 300 Mio das Projekt.

2) es mag vielleicht zynisch klingen, aber wenn die Gesamtverluste der ÖKB für diese Geschäfte seit 1950 nicht mehr als € 200 Mio betragen, dann ist das ein Klacks im Vergleich zu dem wieviel Geld allein in der "Verstaatlichten" Industrie oder was sonst noch davon übrig geblieben ist, durch Mißwirtschaft versickerte oder unwiderbringlich verloren wurde. Insbesondere Infrastrukturmaßnahmen in Entwicklungsländern wurden mittels dieser Instrumente unterstützt. Auch wenn die Gläubiger bisweilen in Zahlungsverzug gekommen sind, wurden die Vereinbarungen entsprechend verlängert. Und selbst die größten Potentaten oder schlimmsten politischen Systeme sind ihren Verpflichtungen schließlich nachgekommen, da sonst gar nix mehr geht. Ich denke da nur, wieviele Bahnlinien in welchen afrikanischen Ländern auch immer mit Hilfe von Plasser und Theurer gebaut oder instand gesetzt worden sind.

3) ich gebe dir recht, Finanzierungen oder Haftungen für fragwürdige Projekte wie beschrieben sind ethisch immer problematisch, volkswirtschaftlich mögen sie jedoch eine andere Dimension aufweisen.

4) Attems & Scholten sind diesbezüglich nur Erfüllungsgehilfen, der jeweilige Protagonist des Finanzministeriums ist dafür (politisch)verantwortlich und ich denke, sie werden uns leider alle die Antwort schuldig bleiben. Aber selbst bei Auswechslung des letztendlich verantwortlichen Eigentümervertreters ändert sich die Zielrichtung nicht. Als Vergleich möchte ich dazu anführen, egal welche politische Farbe ein Verteidigungsminister hat, er wird das Bundesheer nicht abschaffen(können).

 
 

gleiches spiel wie beim jang-tse staudamm

so viele km³land, tausende dörfer, klöster, historische denkmäler und und und, einfach unter wasser gesetzt

 

Stimmt, geht ebenso in die Kategorie von ökologischer und kultureller Destruktion.
Einige Unterschiede zwischen Ilisu & Jangste mal aufgezählt:

Der Ilisu-Staudamm ist im Vergleich zum sogenannten Drei-Schluchten-Projekt ein Miniaturprojekt. Allein die Bauzeit von mehr als 15 Jahren ist der Hammer. Im Vergleich zu Ilisu wurden da noch mehr -über eine Million- Menschen zwangsumsiedelt. Die Kosten belaufen sich auch bei einer ganz anderen Summe, die Größe, die Dimension ist unvorstellbar und geht ins irrationale. Die Ziele von beiden Bauprojekten sind auch unterschiedliche. Ilisu soll der Bewässerung, der Stromerzeugung (1/4 des heutigen türkischen Energiebedarfs würde aber nur hergestellt werden!), der Schaffung von Arbeitsplätzen, der angebichen Entwicklung der Osttürkei, also der kurdischen Regionen, -widerum werden die ja zwangsumsiedelt, also wem soll es dann dort was bringen?- dienen.
Das drei-Schluchen-Projekt in China dient der Stromerzeugung (1/9 des jetzigen Verbrauchs), der Flussregulierung und dem Hochwasserschutz. Bei Ilisu werden die Flüsse Euphrat und Tigris mit Hilfe etlicher Dämme augestaut. Die Türkei kann somit auch die Wasserversorgung der Nachbarstaaten kontrollieren. Wasser ist ja ebenso eine strategische Waffe. Bedrohte Tierarten, oder bestimmte Tiere, die jetzt erst recht bedroht sind, werden somit ausgerottet, da zb.: der Jangtse solch eine künstlich geschaffene Tiefe erreicht hat, dass der Schiffbarkeit nichts im Weg steht. Somit kann der Tourismus in der Region gefördert werden, im Gegensatz zum Ilisustaudamm, der weder Tourismus, noch der Bevölkerung in der Region eine Zukunft hergibt, soll es viel mehr die angeblichen Fluchtwege der PKK, in die Berge verhindern und somit abschneiden. Die Idee Ilisu hat im Vergleich zu Jangtse auch einen speziellen Baugrund, nämlich ist es eindeutig Teil einer türkischen Militärstrategie, die ohne die Nachbarstaaten in den Bau zu involvieren, realisiert wird. Ein Verstoß gegen das Völkerrecht, das auch besagt, dass die Konsultation der Betroffenen selbstverständlich und notwendig ist.

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