Kein Kind? Die spinnt!
Barfuß gehe ich durch eine Blumenwiese. Es duftet nach Frühling und eine leichte Brise wirbelt mir die Haare ins Gesicht. Ich blicke nach unten und erschrecke. Statt meiner Füße sehe ich plötzlich einen runden, gewölbten Bauch. Schweißgebadet wache ich auf. Ich sitze kerzengerade in meinem Bett, atme schwer und greife mir panisch an den Bauch. Nur ein Traum. Gottseidank. Was für viele ein Lebensziel ist, ist für mich der absolute Albtraum. Ich will keine Kinder. Sie überfordern mich. Sie sind laut, haben zu viel Energie und brauchen immer Aufmerksamkeit. „Du bist noch jung, das kommt schon noch“, „Das kannst du doch nicht sagen!“, oder „Warum denn nicht?“ sind Sätze, die ich mir anhören muss, wenn ich erzähle, dass ich keine Kinder will. Eigentlich sollte es egal sein, warum ich und andere Frauen sich gegen Kinder entscheiden. Ob wir das aus finanzieller Instabilität, einem fehlenden Partner oder der Fokussierung auf Ausbildung und Beruf bestimmen. Ich sollte nicht rechtfertigen müssen, dass ich zu jenen Frauen gehöre, die mitunter dem Klima zuliebe keinen Nachwuchs in die Welt setzen möchten. Denn mit meinen 21 Jahren bin ich Teil der Generation, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sein wird. Wie soll es da erst meinen Nachkommen ergehen? Laut einer schwedischen Studie spart der Verzicht auf ein Kind mehr als zehnmal so viel CO2 wie der auf ein Auto. Motive für ein kinderfreies Leben gibt es viele. Letztlich habe ich einfach kein Bedürfnis, eines zu bekommen. Und damit bin ich nicht allein.
SELBSTBESTIMMUNG STATT BEVORMUNDUNG
Elke Graf leitet das Ambulatorium „pro:woman“, eine der wenigen Anlaufstellen für Frauen mit Sterilisationswunsch in Wien. „Uns ist wichtig, dass Frauen autonom und selbstbestimmt entscheiden und ihnen das auch zugemutet wird. Wir verstehen uns als Feministinnen und Feministen.” Sie sieht das Gesetz ebenfalls kritisch. „Das Alterslimit ist nicht legitim und es gibt keine rechtliche Grundlage. Den Gesetzgeber geht es nichts an, ob man Kinder will oder nicht, das ist eine unzulässige Bevormundung.” Neben dem Gesetzgeber würden auch viele Ärzte die Selbstbestimmung von Frauen untergraben. „Da man keinen Arzt verpflichten kann, den Eingriff zu machen, ist es eine Haltungsfrage. Viele Ärzte sind noch von der alten Schule und denken, sie wissen es besser als die Frauen selbst.“, so Graf. Sterilisation und Vasektomie rentieren sich langfristig und sind „die sichersten Verhütungsmethoden, die es gibt.“ Die Sterilisation rückgängig zu machen, ist schwierig und selten erfolgreich. “Zu uns kommen kaum Frauen, die diesen Wunsch haben. In den letzten fünf Jahren war es vielleicht eine.”
WENN DER KÖRPER DAS MACHT, WAS FRAU WILL
Vor einem Jahr trennt sich Ina von ihrem sterilisierten Freund und kontaktiert nach längerer Suche eine Praxis in Wien. Hier wird ihr anfangs gesagt, wie jung sie ist und ob sie es nicht mit einer anderen Methode versuchen möchte. „Ich erkläre meine Situation und Gründe gerne, aber ich will mich nicht rechtfertigen müssen. Am Ende des Tages ist es die Entscheidung der betroffenen Person.“ Sie entscheidet sich für die komplette Entfernung der Eileiter. „Ich wollte etwas Endgültiges.“ Nach einem Beratungs- und einem Aufklärungsgespräch kam nach der Anästhesie der OP-Tag. „Man wünscht sich diesen Eingriff so lange, da war kein Hauch von Unsicherheit, sondern nur Erleichterung. Es war stimmig und ich habe mich gefreut.“ Nach der OP ruft Ina ihre Mama und engsten Freunde an. „Von meiner Familie und Freunden bin ich immer unterstützt worden, auch weil ich sehr offen mit dem Thema umgegangen bin.“ Nervige Kommentare gab es trotzdem: „’Jede Frau will mal ein Kind’ und ‘das ändert sich noch’ habe ich am häufigsten gehört.” Seltener wurde ihr Egoismus vorgeworfen. “Wobei ich nicht glaube, dass die Leute heutzutage noch Kinder kriegen, um ihre soziale und wirtschaftliche Versorgung im Alter zu gewährleisten. Sie wollen Kinder, so wie ich eben keine will.“ In solchen Situationen wünscht sich Ina mehr Offenheit für Lebensmodelle, die nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. In Inas Vorstellung gehörte die Sterilisation zu ihrem Leben dazu. „Das Größte ist für mich die Selbstbestimmung über meinen Körper, meine Fruchtbarkeit oder in dem Fall meine bewusst gewählte Unfruchtbarkeit und mein Leben. Mein Körper macht jetzt das, was ich mir wünsche.“
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