"Grüne Scharia, gute Scharia?"

03. Februar 2022

Muslimische PolitikerInnen und die Trennung von Religion und Staat. Keine Erfolgsgeschichte, wie der neue Grünen-Vorsitzende in Deutschland Omid Nouripour beweist. 


Gastkommentar von Timur Rusen Aksak

 

"Unser Job hier ist dafür zu sorgen, dass die Teile des Alten Testaments, die mit dem Grundgesetz vereinbar sind, auch angewendet werden können." Verstörend, nicht wahr? Wenn ein christlicher Politiker einen solchen Satz im Parlament sagen würde, wären wir uns wohl schnell einig, dass es sich hier um ein No-Go handelt. Religion und Staat sind zu trennen und das gilt auch für religiöse Vorgaben, die nicht in Gesetze einwirken dürfen. Aber was ist, wenn diesen Satz kein christlicher, sondern ein muslimischer Politiker gesagt hätte? Denn das hat er und zwar der neue Chef der deutschen Grünen Omid Nouripour. Das wurde ihm auch prompt auf Social-Media zur Last gelegt. Natürlich ist der Sohn iranischer Flüchtlinge kein Islamist und der Video-Schnipsel, der kursiert, ist etwas zu arg zusammengeschnitten für meinen Geschmack. Aber ich finde es dennoch nicht gut, wie er überhaupt argumentiert hat. Die deutsche AfD will über die Scharia reden und einem muslimischen Politiker fällt nichts Besseres ein als der Versuch, den AfD’lern die “gute” Scharia schmackhaft zu machen, statt zu sagen: “Liebe Leute, ob Bibel oder Koran - das hat alles in Gotteshäusern zu bleiben und nichts in Gerichten zu suchen.” Mit einem so klaren säkularen Statement, hätte er auch nicht den Shitstorm geerntet, den er sich redlich verdient hat.

Omid, Nouripour, Grüne, Chef, Vorsitzender, AFD
Kay Nietfeld / dpa / picturedesk.com

Muslime und die Trennung von Religion und Staat. Das ist leider noch keine Erfolgsgeschichte. Gerade deswegen wäre es so wichtig, dass muslimische Politiker in linken Parteien klarer für die Trennung von Religion und Staat eintreten. Denn manchmal habe ich das Gefühl - gerade auch bei uns in Österreich - , dass muslimische Politiker und die Parteien, denen sie angehören, aneinander vorbeileben. Sie sind nicht ehrlich zueinander oder reden erst gar nicht miteinander. Eines von beiden muss es sein. Da sitzen oft und gern migrantische Politiker, die immer wieder überrascht zu sein scheinen, dass die linken Parteien, denen sie angehören, säkulare oder gar religionskritische Traditionen haben. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einem sozialdemokratischen Jungpolitiker, der einem heimischen Islamverband nahesteht. Er hatte sich einmal bei mir furchtbar aufgeregt, dass in seiner Partei Religion kritisch gesehen werde und auch dass man etwa den Ethikunterricht für alle gut fände. Ja, was denn sonst, dachte ich mir da. Offenbar war dem Herrn nicht bewusst, was für einer Partei er beigetreten war. Und der Partei ist es wohl bis heute nicht bewusst. Integration in beide Richtungen gescheitert. 

Aber es muss nicht so bleiben. Muslimische Politiker, gerade die säkularen, müssen hier mutiger und klarer auftreten, damit es keinen Zweifel gibt: Die Trennung von Religion und Staat ist ein Erfolgsmodell und gerade auch für europäische Muslime entscheidend in ihrer erfolgreichen Integration.

Zum Autor: Timur Ruşen Aksak ist ehemaliger IGGÖ-Pressesprecher und Medienberater.

Bereich: 

Das könnte dich auch interessieren

Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...

Anmelden & Mitreden

16 + 4 =
Bitte löse die Rechnung