„Du bist ein Genie“ – Ja, und jetzt?

Meine Volksschullehrerin mochte es ganz gerne, mir das zu sagen. Ich will ja nicht angeben, aber ich konnte in der ersten Klasse schon lesen, schreiben und rechnen. Das hab ich meinen Schwestern zu verdanken, die dieses Thema auch niemals loslassen werden. „Das hat sie alles von uns! Wir haben der lieben Hava alles beigebracht, was sie jetzt kann.“ Da haben sie einen Sommer lang nichts zu tun und schon muss ich dafür leiden.

Im Unterricht bin ich immer als erste fertig geworden und konnte dann den Rest der Stunde mein Leben chillen. Für Schularbeiten lernen? Nein danke. Wozu auch, den Einser hab ich ja trotzdem. Meine Eltern haben mich auch nie dazu gedrängt Hausübungen zu machen. Die denken sich ja, dass ich für eine 10-Minuten-Hausübung keine Erinnerung brauche. Doch je weiter man kommt, desto schwieriger wird die Schule. Ist eh klar. Wie man lernt hab ich dadurch leider nicht gelernt.

Denn das Ding ist: das große Einmaleins hilft mir nicht mit Funktionen. Das ABC gibt mir keine Hausübungen ab – das tu ich selbst ja auch nicht. „Dann setz dich zu Hause hin und geh lernen!“ Würd ich ja gerne, ich weiß bloß nicht wie. Musste ich ja noch nie tun. Mathe war damals mein Ding, doch inzwischen freu ich mich, solange ich keinen Vierer hab.

Was soll ich machen, ein Buch aufschlagen? Und dann? So schnell ist auch die ganze Motivation weg. Das schaff ich sowieso nie. Deshalb schieb ich das Lernen immer auf: „Morgen klappt es bestimmt besser!“

Nein. Das tut es nicht.

Aber dann ist schon der Tag des Geotestes da. Ich komm daher mit null Wissen und drei Stunden Schlaf, weil die Angst mir meine Ruhe geraubt hat. Meine Freunde holen alle ihre Lernvorlagen raus – die sie natürlich zusammengefasst haben, seitdem der Teststoff bekannt gegeben wurde – und drehen sich zu mir um. „Und du?“, fragen sie. „Wann hast du mit Lernen angefangen?“ Und jedes Mal dieselbe Antwort: „Gar nicht.“ Dann schauen sie skandalös. Aber was kann ich denn dafür?

Wie in der Volksschule werden meine Noten nie wieder aussehen. Das ist mir auch bewusst. Und wenn ich mich dann mal beschwere, kommt immer das Gleiche: „Geh einfach lernen! Tust du eh nie.“

Und das nervt mich dann immer gewaltig und ich denk mir: „Musstest du das jetzt wirklich sagen?“ Es ist ja nicht, dass ich es nicht versuche, sondern dass ich es nicht kann, egal wie sehr ich es versuche.

Hava ist 15 Jahre alt und besucht die grg21oe in der Ödenburgstraße.

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

4 + 16 =
Bitte löse die Rechnung