Gute und schlechte Ausländer

„Wow, du bist zweisprachig aufgewachsen, was für ein Glück!“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Das liegt vor allem daran, dass meine Zweitsprache nicht Tschetschenisch, Farsi oder Somalisch ist, sondern Französisch. Die Sprache der Liebe, der Vornehmheit und der Noblesse, die Sprache eines reichen und weltweit bekannten Landes. Ja, was für ein Glück, diese Sprache schon als Kind gelernt zu haben. Nie habe ich Ausländerhass zu spüren bekommen. Nie hat jemand meinen Akzent kritisiert, als ich noch ein Kind war und die deutsche Sprache nicht einwandfrei beherrschte. Nie hat man mich als eine „böse Ausländerin“ betrachtet, eher als eine Bereicherung.

Aber was, wenn meine Muttersprache Serbisch, Türkisch oder Arabisch wäre?

In meiner internationalen Schule treffe ich Menschen, die mit grundverschiedenen Sprachen aufgewachsen sind und aus allerlei Kulturen stammen. Trotzdem wird differenziert, woher man eigentlich kommt. Meine amerikanische Freundin wird für ihr einwandfreies Englisch und absurderweise auch für ihr mangelhaftes Deutsch gelobt. Immerhin versuche sie, die Sprache zu erlernen, finden die Leute. Dabei ist sie in Wien geboren und spricht nur deshalb nicht Deutsch, weil sie in einer englischsprachigen Blase lebt. Integration ist ihr gleichgültig, die österreichische Kultur genauso. Meiner serbischen Freundin aber wird ihr fehlerhaftes Deutsch vorgeworfen. Warum? Sie sollte doch die Sprache beherrschen, allein aus Dankbarkeit für das Land, das sie und ihre Familie großzügig aufgenommen hat. Zwar kann sie besser Deutsch als meine amerikanische Freundin, aber ihr rollendes R wird sie immer benachteiligen.

Warum sind also manche Sprachen und Kulturen angesehener als andere? Natürlich spielen Länder wie Frankreich oder Italien aufgrund ihrer Geschichte in der aktuellen geopolitischen Lage eine wichtigere Rolle. Tourismus ermöglicht diesen Ländern, die positiven Seiten ihrer Kultur besonders herausstechen zu lassen und sie so in die ganze Welt zu exportieren. Überall auf der Welt sind Menschen von Italien oder Spanien begeistert.

Dennoch haben alle Kulturen denselben Wert. In Österreich sollte Bosnisch genau wie Französisch angesehen werden, Türkisch genau wie Spanisch und Arabisch genau wie Englisch. Was schließlich zählt, ist die Weltoffenheit und der Wille, den anderen zu akzeptieren und ihn zu verstehen, ganz egal, ob Franzose oder Serbe.

Inès ist 16 Jahre alt und besucht das Lycée Francais de Vienne. 

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