Beziehungen heutzutage

12. März 2017

Die Mauern der alten, gesellschaftlichen Muster, welche definieren, wie eine partnerschaftliche Beziehung auszusehen hat, zerfallen. Nicht zuletzt durch und wegen medialer Gegebenheiten, sowie vielseitiger Möglichkeiten im Wandel der Zeit.

Menschen werden mutiger und stehen zu dem, was sie wirklich wollen. Andere wiederum, und zwar recht viele - so habe ich den Eindruck - wissen auf einmal gar nicht mehr so wirklich, was sie eigentlich wollen. Am liebsten von allem etwas, und gleichzeitig auch nichts. Zumindest nichts, was zu viel von ihnen abverlangt.

Geht das überhaupt? Sind wir überfordert, weil es (plötzlich) so viele offene Türen gibt?

Durch diesen Umbruch finden immer weniger Leute (schnell) zueinander, die genau dasselbe suchen.

Das Fischernetz

Stellen wir uns ein riesiges Fischernetz vor, in welchem wir alle bis jetzt ‚gefangen‘ waren. Das starke, vorgegebene Netz, das uns festhielt, ist jenes des gesellschaftlichen Stempels, welcher uns lange Zeit aufgedrückt wurde und welcher besagt, dass es eine unserer 'Pflichten' sei, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Dieses Netz reißen wir nun schon länger mit unseren eigenen Händen auf, weil wir es satt haben, uns so etwas vorschreiben zu lassen.

Gesellschaftsrevoluzzer

Die besonders Mutigen sind schon früher immer wieder durch die Löcher des Netzes durchgeschlüpft, sind hinuntergesprungen und haben es lieber in Kauf genommen, von der Gesellschaft schief angesehen zu werden, als nach den Regeln dieser zu leben. Sie haben nie geheiratet, nie Kinder bekommen, oder es gar gewagt, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu leben.

Andere litten und leiden ihr ganzes Leben lang, weil sie sich nicht daraus befreien konnten, oder können.

Immer mehr Menschen wehren sich heutzutage gegen dieses starre Konstrukt.

Und was kommt dabei raus? An und für sich etwas Schönes, doch wir finden einander als Paare nicht mehr, weil wir alle in unterschiedliche Richtungen laufen. Plötzlich will jeder sein ‚eigenes Ding‘ – die Zeiten des Eingehens von Kompromissen sind vorbei.

Viele, viele Boote

Die Gesellschaft bricht also ihre eigenen Muster auf. Dabei fallen viele Leute aus dem bisher da gewesenen Netz heraus. Unten warten ‚Rettungsboote‘. Jedes Boot bietet etwas anderes – es sind unendlich viele Lebensmodelle – unter anderem natürlich auch solche, die bisher gesellschaftlich nicht wünschenswert oder denkbar gewesen wären.

Viele von uns verirren sich in falsche Boote und verweilen zu lange dort, oder aber, steigen bewusst in Boote, von denen sie viel zu spät merken, dass diese ziemliche Zeitverschwendung für sie waren.

Phantasieland

Warum passiert das? Ich denke: Einerseits wegen der Verwirrung und Überforderung von Angeboten und potenziellen Möglichkeiten, andererseits aufgrund der aufregenden und vielversprechenden Ablenkungen.

Wir haben einfach Angst, wieder eingefangen zu werden von den alten Vorgaben, zur Rede gestellt zu werden, uns rechtfertigen zu müssen, warum wir lieber Single und kinderlos sind, und laufen nur schnell weg, wobei wir auf unserem Weg manches Mal Dinge übersehen, die uns womöglich glücklich machen würden.

Blinde Kuh

Heute ist es gar nicht mehr so einfach, jemanden zu finden, der genau dasselbe sucht, wie man selbst. Weil?

Manche von uns wissen, in welches Boot sie möchten, andere aber eben nicht.

Manche wünschen sich nur Freiheit. Manchmal freie Zweisamkeit. Dann wiederum: Kinder, aber bitte ohne heiraten. Für manche ist eine offene Beziehung die Lösung. Für andere Heirat aber ohne Kinder. Und es gibt viele, die ganz klassisch nach wie vor tatsächlich heiraten und eine Familie gründen wollen.

Nun möge man sich vorstellen, wie komplex es ist, genau den/diejenige zu finden, der/die auf derselben Wellenlänge ist. Denn auch wenn man selbst im richtigen Boot sitzt, so könnte der/die Richtige für einen gerade ganz woanders sein. Er/sie ist momentan noch mit Online-Dating/Weltreise/Selbstfindung beschäftigt, und merkt erst in ein paar Jahren, dass er/sie gerne eine Familie hätte, wenn es manchmal womöglich zu spät ist.

Ich sage nicht, dass all diese Angebote schlecht sind. Ganz im Gegenteil, sie haben ihre guten Seiten. Was ich versuche zu sagen ist, sie erschweren uns manches Mal das Zusammenkommen ganz erheblich.

love, liebe, tic tac toe

Beziehungskäfig

Viele von uns sind heutzutage schon übersättigt (Stichwort Online-Datingbörse), oder aber meinen, sie hätten gar keinen Zeit, keine Nerven und keine Lust auf eine Beziehung. Es ist nicht unbedingt so, dass die wenigsten eine ernsthafte Beziehung wollen, doch ist es allerdings so, dass viele abgelenkt zu sein scheinen, ihren Beziehungs-Fokus viel später festlegen als früher, und das, was sie wirklich fürs Älterwerden wollen, weit, weit in die Zukunft verlegen. Verbindlichkeit, Verantwortung und Co. bitte nicht jetzt! Das ist für jene, die die alten Muster eigentlich gut finden würden und sich in eine ‚beziehungsscheue‘ Person verlieben, eine zermürbende Sache. Gottseidank gibt es mehrere geeignete Partner für einen.

Es scheint, als ob auf einmal alle nur noch Freiheit wollen, und finden, dass sie diese in einer Beziehung nicht hätten. Der Wunsch nach anderen Dingen ist größer als jener nach Sesshaftigkeit, Zweisamkeit und Familiengründung.

Auch alt ist gut

Die alten Strukturen werden als einengend abgetan, man versucht oft gar nicht sie zu modernisieren oder zu adaptieren, übersieht dabei gute Ansätze und Elemente. Man setzt sich nicht hin und reflektiert darüber, was man für sich selbst daraus machen könnte. Die meisten von uns haben Angst vor diesen alten Mustern und fliehen in eine Zukunft, wo Karriere, Selbstverwirklichung, Reisen, Feiern, Freunde, und vieles mehr auf sie warten.

Was nicht falsch ist. Denn dies ist bestimmt für einige das Passende.

Aber vielleicht sollten wir uns, inmitten dieses Ozeans an Überangeboten, in unser eigenes Boot setzen, darüber nachdenken, was wir wirklich wollen, und Richtung Hafen fahren, wo all die Gleichgesinnten warten, die einem dann auch ehrlich sagen, wonach sie selbst suchen, wenn man sie nur danach fragt..

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

2 + 0 =
Bitte löse die Rechnung