Cairo becomes Charity

02. Juni 2016

Sommer 2013

Es sind knapp zehn Minuten bis zum Maghrib ( Sonnenuntergang).  Meine Eltern und ich stecken im Stau fest und schaffen es nicht rechtzeitig zum Fastenbrechen bei meiner Tante. Die Straßen sind voll. Es sind nur mehr fünf Minuten. Zum Iftar (Fastenbrechen) pünktlich da zu sein, ist unmöglich. Mir ist heiß und mein Mund ist auch schon total trocken. Etwas zum Trinken, geschweige denn zum Essen, hatte keiner von uns mit. Es war ja Fastenzeit.

Wir hätten an dem Tag wahrscheinlich noch weitere Stunden hungrig im Auto verbracht, wäre da nicht diese eine Sache mit der Nächstenliebe.

 

This is Egypt

Aus dem Nichts werden mir ein Saft, Wasser, warmer Reis und Fisolen (natürlich verpackt) durch das Autofenster zugeworfen. Und da ich zum ersten Mal Ramadan auf den Straßen Ägyptens verbrachte, hatte ich recht wenig Ahnung, was gerade los war. Ich sah meine Eltern erstaunt an und ehe ich mich versah, hatte jeder von uns schon so ein Päckchen bekommen. Meine Eltern waren weniger erstaunt, denn sie wussten, was gerade passiert.

 

Es geht nur um eine Sache: Nächstenliebe

Jedes Jahr zu Ramadan stellen sich Menschen freiwillig auf die Straßen in Ägypten, kurz vor Maghrib, und verteilen Essen an jeden, der zu der Zeit noch unterwegs ist. Ehrenamtlich und kostenlos. Ich sah so etwas zum ersten Mal damals. Ich war erstaunt und verwundert, über Dinge, die ich bisher noch nie zuvor erlebt hatte. Ich wollte gerade mein geschenktes Essen aufmachen, als der nächste an der Autotür mit Essen stand. Und der nächste und der nächste. So ging es weiter, bis wir mehr als genug hatten. Mein Vater, meine Mutter, meine Brüder und ich. Wir waren umzingelt von Liebe. Diese ganzen Menschen wollten, neben uns satt kriegen und dafür sorgen, dass wir auf dem Weg nicht verhungern, vor allem eins: Zu Ramadan etwas Gutes tun!

 

Es geht nicht darum, was du bekommst, sondern um das, was du gibst

Von da an liebte ich Kairos Straßen zur Ramadanzeit! Ganz egal, wie lange wir im Stau steckten.Es war ein herrliches Gefühl. Als seist du mitten in der Wüste, fast am Verdursten und aus dem Nichts fängt es an zu schütten. Wir sind weitergefahren und erst jetzt bemerkte ich, dass an jeder Straßenecke ewig lange Esstische sind.  Es sitzen Menschen zusammen.  Vor jedem ist ein Teller, randvoll mit Essen. Etwas zu trinken und eine Dattel. Sie zahlen nichts dafür. Den Veranstaltern reicht meistens ein einfaches Bittgebet von einem sattgewordenen Menschen. Denn mehr als Menschen glücklich machen, wollen sie nicht.

 

Ich wünschte Ramadan würde öfters kommen

So viel Liebe auf den Straßen Ägyptens hatte ich lange nicht mehr gesehen. Es war einfach schön all diese Menschen zu beobachten, wie sie so viel Gutes tun. Wie viele Obdachlose da etwas zu essen bekamen. Wie viel besser Ägypten wäre, wenn man immer so handeln würde. Diese unglaubliche Nächstenliebe fand ich nirgendwo anders zuvor. Und dafür liebe ich mein Land.

 

Einen gesegneten Ramadan an all meine muslimischen Mitmenschen! 

 

 

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