Die Balkan-Jetsetter

11. Mai 2017

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Suzana Milic
Suzana Milic

Sie machen den Anschein, viel Kohle zu haben, sind in Parndorf Stammkunden und geben hunderte Euro für ihr perfektes Äußeres aus. Die Message der neuen „Balkan-Elite“: Luxus ist Pflicht.

Von Suzana Milic

In den letzten drei Jahren beobachte ich zunehmend ein Phänomen unter meinen Jugo-Bekannten: Es gibt immer mehr elitäre Jetsetter. Man erkennt sie an ihren teuren Klamotten, perfekten Gesichtern und der Aura des Erfolgs, die sie zu umgeben scheint. Sie jagen von einem Reiseschnäppchen zum nächsten: Mailand, Dubai & New York sind unter den „wannabe“ Jetsettern hoch geschätzt. Das Inszenieren auf Social Media ist zwar keine Neuigkeit, aber die Balkan-Jetsetter haben doch so ihre Besonderheiten.

Da gibt es zum Beispiel die Business-Truppe: 25 bis 40 Jahre alt und versessen, sich selbstständig zu machen. Einige von ihnen genießen Finanzspritzen ihrer Eltern, die ihr Leben lang für sie geackert haben. Andere hingegen haben einiges an Erspartem und sind bereit, dieses gut zu investieren. Ihr Geld in Immobilien zu pulvern ist sehr populär. Viele von ihnen arbeiten seit ihrem 18. Lebensjahr und konnten sich mit der Zeit überdurchschnittlich gutbezahlte Positionen angeln. Und dann gibt es die aufstrebenden Geschäftsleute, die Managementfunktionen innehaben. Sie „jetten“ für das Unternehmen, in dem sie tätig sind, fliegen von einem Ort zum nächsten und führen ein gutes Leben mit ihrer Familie. Ein riesiges Haus samt Pool im noblen Viertel des 13. Wiener Gemeindebezirks gehört selbstverständlich dazu. Auf die Frage, warum sich alle unbedingt selbstständig machen möchten, erhalte ich von jedem dieselbe Antwort: aus Langeweile.

Da sich die Business-Fraktion ein elitäres Jetset-Leben gut gönnen kann, wird sie von der nächsten Gruppe, der „wannabe“ Elite, beneidet. Darunter finden sich zahlreiche Frauen, die offen zugeben, bewusst nach Männern zu suchen, die Kohle haben. Am besten eignen sich hierfür Fußballer oder Geschäftsmänner. Anwälte und Ärzte sind Beute von gestern. Auf die Frage, wieso der Zukünftige unbedingt wohlhabend sein muss, weiß eine der Befragten sofort zu antworten: „Ich will ein teures Leben und das soll mein Guter mit mir teilen können. Ich kann mir nicht vorstellen, eines Tages diesen Luxus aufzugeben. Und da bietet sich natürlich ein Unternehmermann sehr gut an. Wir verfolgen dieselben Interessen. Das sind alles Sachen, die mit viel Geld verbunden sind. So why not?“ Als Vorbilder dienen Musikvideos, die die Botschaft vermitteln: Gib dein Geld aus! Unzählige davon sind auf Youtube zu finden, hier ein gutes Beispiel dazu.

 

Suzana Milic
Suzana Milic

 

Die Möchtegern-Elite strebt einen gewissen Luxus an. Die „Wannabes“ sind beinahe jedes zweite Wochenende in den Boutiquen Parndorfs anzutreffen. Die Erkennungszeichen beim männlichen Geschlecht: Polo-Shirts mit über der ganzen Brust prangenden Logos, Pullis im Tennisstil um die Schulter und weiße Socken, die das gesamte Bild gut abrunden. Die Frauen tragen gern mal Kleider von Burberry oder Hugo Boss, Sonnenbrillen im Wert von 400-500 Euro und karibische Bräune. Sowohl die Gesichter der Damen als auch die der Herren weisen perfektes Make-up auf. Wenn Pärchen ihren Jahrestag feiern, erwartet sich die Dame einen Gutschein für den Beauty Doc, er hingegen wird mit einem Shoppingausflug nach Mailand belohnt.

 

Suzana Milic
Suzana Milic

 

Was bringt ihnen dieser Lifestyle?

Klipp und klar bekomme ich auf meine Frage diese Antwort: „Ich möchte nicht als Ausländer, der nichts hat, abgestempelt werden. Ich möchte auch was von der Welt sehen, ich möchte auch in der Ballsaison die unterschiedlichsten Bälle besuchen können und mir mal Kaviar gönnen. Wenn das andere in meinem Bekanntenkreis können, dann ich erst recht. Yolo eben.“ Mit „andere“ sind ihre Freunde gemeint, die zur Business-Truppe zählen, und die sie um jeden Preis zu imitieren versuchen, ganz nach dem Motto: Wenn die sich ein Auto um 50.000 Euro kaufen, dann können wir das auch. Wenn die von einem Land ins nächste reisen und dabei unzählige Selfies machen, dann müssen wir das auch tun. Der Anschein, ein teures Leben zu führen, soll natürlich nach außen getragen werden, damit Facebook- und Instagram-Freunde „vor Neid platzen.“

Die „Wannabes“ wollen nicht als protzig abgestempelt werden. Vielmehr sind sie der Ansicht, ein „dynamisches Leben“ zu führen, sich nicht auf einen bestimmten Ort festlegen zu wollen. Auch sehen sie nichts Schlechtes darin, sich ab und zu mal in nobleren Clubs zu zeigen und die Rechnung des Abends in selbsterstellten WhatsApp-Gruppen namens „Who run the world“ oder „Yolo“ mit Freunden zu teilen. Sie erhoffen sich dadurch, Snobs genannt zu werden, weil sie das mit einem großen Stolz erfüllt.

Mag sein, dass es daran liegt, dass sie in früheren Zeiten oftmals als „Ausländer“ abgestempelt wurden, wahrscheinlich auch schlechte Erfahrungen damit gemacht haben und sich nun mit der gelungenen Selbstpräsentation erwarten, von der Society akzeptiert zu werden. Die Eltern spielen hierbei eine große Rolle mit Aussagen wie diesen: „Wir haben alles dafür getan von der österreichischen Gesellschaft akzeptiert zu werden. Es hätte damals auch keiner wissen dürfen, dass wir Ausländer sind. Nie haben wir in der Öffentlichkeit in der eigenen Muttersprache gesprochen, um zu vermeiden, schief angesehen zu werden. Denn damals war es ganz anders, als es heute ist. Natürlich taten wir alles dafür, unserem Nachwuchs ein besseres Leben zu bieten. Dazu zählt auch, dass wir ihnen Markenklamotten gekauft haben. Wir wollten auch nie, dass unsere Kinder von Ausflügen oder Klassenfahrten ausgeschlossen werden. Man kann es auch Gastarbeitersyndrom nennen. Wir arbeiteten so viel es ging, um ihnen all das zu ermöglichen, was sie früher und auch heute noch haben.“

Was die neue Balkan-Elite von jenen unterscheidet, die auf der Märzstraße mit Papas neuestem Audi cruisen, ist, dass sie um einiges älter und reifer an Erfahrungen sind. Sie blicken über den Tellerrand hinaus, kulturelle Veranstaltungen sind ihnen nicht fremd. Sie lassen sich bei diversen Musicals, klassischen Theaterstücken oder auch bei zahlreichen Bällen ablichten. Sie wagen es sogar, den Sommerurlaub mal nicht „unten“ zu verbringen, und besuchen stattdessen Portugal, Nizza oder Malta.

Woher das ganze Geld?

Einige arbeiten auf der Baustelle, leben noch mietfrei bei den Eltern und können natürlich das komplette Gehalt für sich ausgeben. Ansonsten kann ich nur sagen: „Leasing pushing“. Kredite werden heutzutage für alles Mögliche günstig vergeben, sie boomen geradezu. Die „wannabe“ Jetset-Elite hat die Auswirkungen des Gastarbeiter-Syndroms satt. Sie haben einfach keine Lust, so wie ihre Eltern hart und wirklich viel arbeiten zu gehen, zu sparen und ein gutes, solides Leben zu führen. Natürlich ist keiner der Jetsetter beim AMS gemeldet. Vom Baustellenarbeiter bis zum klassischen Büroangestellten ist alles dabei. Es gibt auch Ausnahmefälle, die auf Nebenjobs nicht ganz so verzichten wollen oder können. Die balkanesischen Jetsetter möchten ihr Angespartes aber lieber in ihren Lifestyle investieren und sich nicht mehr verstecken müssen, denn das taten ja schon die Eltern. Dennoch können sie nicht ganz auf die altmodische Sparsocke von Mama und Papa verzichten, da müssen die einen oder anderen schon mal für den Nachwuchs bürgen. Denn Bonität zählt ja bekanntlich bei Kreditvergabe.

 

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