Die Nomadin im Negligé

05. September 2016

Warum ich mich wie eine Nomadin fühle? Weil ich in den letzten zehn Jahren fünf Mal umgezogen bin. So richtig umgezogen: Allein – mit Partner –  allein – mit Schwester – allein - mit Kleintransporter und all meinem Krempel – von einem Bundesland ins andere – von einem Bezirk in den anderen. Dies als mühsam zu bezeichnen, wäre untertrieben. Und dennoch habe ich es kürzlich wieder getan. Doch diesmal glaube ich, schlauer zu sein, denn ich habe einiges dazugelernt.

 

Liebesbriefe und Magnete

Da ich in meinen neuen Wohnungen nicht immer den entsprechenden Platz hatte, habe ich immer wieder zur Aufbewahrung meiner Eigentümer, Familienmitglieder dazu genötigt in ihren Kellern und auf ihren Dachböden haufenweise Kisten gewisser Gegenstände von mir aufzubewahren, die ich „momentan nicht brauche, aber in eine paar Jahren dann ganz bestimmt.“ Diese Umzugskartons habe ich mir, angekommen in meiner jetzigen Wohnung, von allen Verwandten geholt und sie in freudiger Erwartung ausgepackt. Das hätte ich mir sparen können. Was ich fand, waren Dinge wie: (romantische?) Wandkerzenhalter, (afrikanische?) Regenmacher, Liebesbriefe die ich von meiner aller ersten großen Liebe bekam, eine Box voller Magnete, Gedichte die ich schrieb als ich dreizehn Jahre alt war, ägyptische Papyrusrollen, usw.

Das Leben ausmisten

Gepackt vom Ehrgeiz des Entrümpelns und vor allem genervt, weil erschöpft vom Schleppen tonnenweiser Kartons, begann ich gleich in der neuen Wohnung auszumisten. Ja richtig, nachdem ich die ganzen Sachen hierher transportiert hatte (klug, ich weiß).

Mein Leitsatz war: Stell dir vor, du willst auswandern - was würdest du wirklich mitnehmen wollen, wenn du nur eine gewisse Kapazität hättest? Also entsorgte ich Dinge wie: Schnitzelklopfer (was hab ich mir dabei gedacht?), WU Tang Clan- und ABBA-CDS, Diplomarbeit in fünffacher Ausführung (wen bitte interessiert das?!), Auflaufförmchen für Creme Brulee (im Ernst?), fünf Gemüseschäler, und warum zum Geier hatte ich einen Apfelschneider, der mir diese Frucht in Spalten schneidet?

Was für ein Gefühl ich dabei hatte? Es war toll. Und ist es immer noch. Es war ein Gefühl des Loslassens, des Abwerfens von Ballast, des Gewinnens von Freiraum. Minimum ist manchmal eben Maximum. Und wisst ihr was? Ich kann ganz gut ohne Schnitzelklopfer leben.

Im Negligé bei den Nachbarn

Wenn wir schon beim Übersiedeln sind, fällt mir die Geschichte ein, als ich mich aus meiner letzten Bleibe ausgesperrt hatte. Es war mitten im Sommer in meiner Dachgeschosswohnung – recht heiße Angelegenheit – weswegen ich die Umzugskartons im Negligé auspackte. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich vor die Türe trat um die leeren Kisten hinaus zu stellen, und diese plötzlich zufiel. Da stand ich nun. Barfuß, mit leeren Händen, und noch nie in meinem gesamten Leben so froh darüber, dass ich zumindest ein Höschen unter meinem knappen, seidenem Teil anhatte. Denn ich wusste, ich muss jetzt bei den Nachbarn anläuten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ...: Es machte mir ein Mann meines Alters auf, der mich von oben bis unten musterte, während sich ein Grinsen über seinem Gesicht breit machte. Ich bat ihn mir sein Handy zu borgen, nachdem ich erklärt hatte wer ich bin, und was passiert sei. Natürlich wurde ich hinein gebeten, denn es war ja eine Männer-WG die gerade eine kleine Home-Party veranstaltete. Sicherlich wurde ich herzallerliebst empfangen und alle freuten sich sehr, mich, die fremde Nachbarin, zu sehen. Klar durfte ich mich in ihre Mitte setzen und bekam nichts zum darüber Aniehen angeboten, denn es hatte immerhin knappe 35 Grad. Da saß ich nun, beantwortete brav die mir gestellten Fragen, und regelmäßig wurden mir Getränke und Finger-Food angeboten. Man sorgte sich eben gut um mich.

Als meine Schwester mit dem Schlüssel ankam, brauchte sie einige Minuten, bis sie sich vor lauter Lachen beruhigt hatte. Doch damit nicht genug. Auch ein Schlosser musste gerufen werden, weil mein eigener Wohnungsschlüssel blöderweise von innen im Schloss der Wohnungstür steckte. Dieser freute sich offensichtlich ebenso über mein knappes Outfit, denn er schickt mir gleich im Anschluss eine Freundschaftsanfrage auf Facebook.

Die Moral von der Geschicht‘: So heiß das Wetter auch sein mag, achte immer darauf mindestens eine Telefonnummer auswendig zu können, damit du diese im Notfall anrufen kannst.

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