Femizide – ein männliches Problem?

18. Januar 2023

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Im letzten Jahr gab es 28 Femizide in Österreich. unsplash.com/Nadine Shaabana

In Österreich wurden mehrere Jahre in Folge mehr Frauen ermordet, als Männer – als einziges Land in der EU. Warum Gewalt gegen Frauen ein männliches Problem ist und welchen Einfluss wir uns durch die Berichterstattung in den Medien erhoffen.

Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um sexualisierte und nicht-sexualisierte Gewalt an Frauen.

Österreich ist das Land der Femizide. Das liest man derzeit überall in den Medien. In den Kommentarspalten auf Social Media herrscht parallel dazu Aufregung darüber, dass Morde an Frauen in der Öffentlichkeit für mehr Aufschrei sorgen, als es bei Männern der Fall ist und einen eigenen Ausdruck – nämlich Femizide – erhalten.

Laut Statistik Austria ist der Aufschrei jedoch mehr als gerechtfertigt: 2021 waren 34,5% aller Frauen in Österreich ab dem Alter von 15 Jahren Opfer von physischer Gewalt. Darin ist auch sexualisierte Gewalt eingeschlossen. Hinzu kommt, dass Österreich das einzige Land in der EU ist, das mehrere Jahre in Folge einen größeren Anteil von Frauen unter den gesamten Mordopfern hatte als Männer.

„Gewalt an Frauen ist ein Männerthema“

Zahlen lügen nicht, so sagt man. In Österreich sprechen die Zahlen Bände. Im Jahr 2021 wurden innerhalb einer intimen Beziehung 22.455 Frauen körperlich missbraucht und 9.428 Frauen erlitten sexuelle Gewalt. Das bedeutet, dass 16,4% aller Frauen innerhalb einer intimen Beziehung Opfer von körperlicher und bzw. oder sexueller Gewalt wurden.

Durch diese Statistiken lässt sich die Aussage von Eva Schuh, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums OÖ, leicht nachvollziehen: “Gewalt an Frauen ist ein Männerthema, um das sich Männer kümmern müssen.” Mit den Zahlen lässt sich auch erklären, weshalb der Begriff Femizid so eine wichtige Rolle spielt. Die meisten Frauen werden aus anderen Gründen umgebracht als es bei Männern der Fall ist. Männer werden laut den ausgewerteten Statistiken meist im Zusammenhang mit einem kriminellen Umfeld getötet, während die meisten Frauen von einem (Ex-)Partner ermordet werden. Frauen werden aufgrund von „Verstößen“ gegen die patriarchalen, traditionellen und sozialen Rollenvorstellungen, die ihnen zugeschrieben werden, getötet – also schlichtweg wegen ihres Geschlechts. 28 Frauen wurden im Jahr 2022 von ihrem Partner oder einem Familienangehörigen getötet. 2018 waren es sogar 41 Femizide. Auch das Jahr 2023 startet mit einer traurigen Bilanz von bereits zwei Frauenmorden.

Wir müssen reden!

Ein großes Problem ist, dass zu wenig Geld in den Schutz für Frauen und vor allem in die Prävention gesteckt wird. Ein wichtiger Punkt, an dem angesetzt werden könnte, wäre die frühkindliche Bildung. Kleinen Jungen sollte bewusst gemacht werden, dass besagte Rollenvorstellungen falsch sind und keine Gewalttaten rechtfertigen. Hier fehlt es jedoch an Personal und Zuschüssen. Zudem müsste es weit mehr Therapieplätze für gewalttätige Männer geben. Einige Männer, die einer Frau gegenüber bereits gewalttätig wurden, gehen freiwillig in Therapie, die Mehrheit jedoch nur aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Bis ein Gerichtsbeschluss jedoch vollzogen ist, kann es lange Zeit dauern, in der diese Männer leider oft zu Wiederholungstätern werden. Ein zügigeres Verfahren wäre in diesen Fällen also nicht nur wünschenswert, sondern auch dringend notwendig. Gleiches gilt für Plätze in Frauenhäusern und andere Anlaufstellen, die von Gewalt betroffene Frauen schützen sollen, wo ebenfalls ein großer Mangel herrscht. Abgesehen davon sollte auch mehr Arbeit in die Gleichstellung der Frau gegenüber dem Mann gesteckt werden, da so die gesellschaftlichen Rollenbilder verändert werden und Gewaltdelikte an Frauen hoffentlich schwinden. So empfindet auch Frauenstadträtin Eva Schobesberger, wie sie auf einer Pressekonferenz des Linzer Frauenressorts sagt: „Der beste Hebel gegen Gewalt ist die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern.“

Durch die Präsenz von Femiziden und Gewalt gegenüber Frauen im Allgemeinen in den Medien, wird dieses Thema nicht totgeschwiegen und erhält seine berechtigte Aufmerksamkeit. Durch Beiträge wie diesen wird hoffentlich ein Bewusstsein für die Probleme geschaffen und Druck auf den Staat ausgeübt, mehr Geld und Unterstützung in Programme zu stecken, die Prävention und Schutz liefern sollen.

Hilfe für Gewalt-Betroffene gibt es hier:

Frauenhelpline (Mo-So, 0-24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 222 555

Gewaltschutzzentren (anonym und kostenlos): 0800 / 700 217

Männerberatung (Mo-So, 0-24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 400 777

Männernotruf (Mo-So, 0-24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 246 247

Telefonseelsorge (Mo-So, 0-24 Uhr, vertraulich und kostenlos): 142

 

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