Fünf Tage – drei Vergewaltigungen

04. November 2022

img-4739.jpg

.
Foto: Privat

Biber-Redakteurin Maria fordert angesichts der jüngsten Vergewaltigungen in Wien: „Wir Frauen haben das Recht auf ein freies Leben, ohne Ängste und ohne Schlüssel zwischen den Fingern!“

„Vergewaltigungen in Parks beschäftigen Wiener Polizei“, so lautet die Schlagzeile von einem Standard Artikel, welcher am Sonntag veröffentlicht wurde. Ich lese ihn und fühle mich dabei zunehmend unwohl. Kann ich als Frau am Abend überhaupt alleine spazieren oder von einer Party nach Hause gehen? Diese Frage begleitet mich schon mein Leben lang. Momentan stelle ich sie mir allerdings öfter als sonst. Fast jeden Tag lese ich in den Nahrichten von jungen Frauen, die rund um den Globus vergewaltigt, verprügelt oder sogar umgebracht werden. Die neuesten Vorfälle in Wien bereiten mir aber besonders starke Bauchschmerzen, weil diese Stadt eigentlich mein Safe space ist.

Innerhalb von fünf Tagen wurden in Wien insgesamt drei junge Frauen vergewaltigt, geschlagen und ausgeraubt. Einmal auf einer öffentlichen Toilette am Praterstern und die anderen zwei Male in verschiedenen Parkanlagen. Bei den letzteren vermutete die Polizei einen Serientäter, jedoch konnte das bis heute nicht bestätigt werden. Einer der mutmaßlichen Parktäter konnte allerdings gefasst werden. Bei der Vergewaltigung am Praterstern führen die Spuren zu einem Zwölfjährigen.

„Warum war sie so spät Draußen?“

„Was sucht sie am Abend am Praterstern?“ oder „Warum geht sie um diese Uhrzeit überhaupt raus?“ sind Kommentare die ich unter den ZIB – Beiträgen zu den Vorfällen lese. Meistens stammen diese problematischen Aussagen von Männern. Sie gehen gar nicht darauf ein, dass es einen echten Täter gibt. Für sie ist die Frau schuld, weil sie ja damit rechnen muss, dass ihr was passiert. Ebenfalls würden wir Frauen mit unseren Outfits sowieso provozieren wollen. Klassische Täter – Opfer Umkehr. Doch auch bei der weiblichen Bevölkerung ist dieses Phänomen gut beobachtbar. Unsere Mütter und Tanten trichtern uns von klein auf ein, uns nicht in solche Situationen zu begeben. Sie reden davon, dass wir nicht nachts draußen sein dürfen oder uns zu knapp anziehen sollen. Doch ganz ehrlich, „solche“ Situationen gibt es nicht, jede Situation kann potentiell so eine sein. Frauen werden bei Tag und Nacht, auf der Straße und zuhause und von fremden oder Bekannten vergewaltigt. Durch solche Aussagen wird uns nur suggeriert, dass wir der Auslöser für solche Taten sind und nicht die männlichen Täter. Wir müssen dringend unsere Erziehungsmethoden überdenken. Es bringt sich nichts, die Töchter wegzusperren und ihnen Angst zu machen. Bringen wir doch den Söhnen von klein auf bei, dass alle Geschlechter gleichwertig und mit Respekt zu behandeln sind. Nur so können wir diesen Teufelskreis durchbrechen

Rechte Propaganda

Wenn die Schuld nicht auf die Frauen geschoben wird, dann auf die Nationalität der Täter. Zu mindestens Seitens der FPÖ und der rechtsgesinnten Bevölkerung. „Die Vergewaltigungsserie in Wien ist die Folge der rot-schwarzen Willkommenskultur aus dem Jahr 2015“, so der FPÖ-Obmann Dominik Nepp. Es ist eine Frechheit, dass aus solchen Ereignissen eine politische Schlammschlacht gemacht wird. Wenn die Täter österreichische Staatsbürger wären, dann würde die Politik entweder gar nichts dazu sagen oder es als tragischen Einzelfall betiteln. Doch, egal wie man es dreht und wendet, die traumatisierten Frauen stehen nie im Fokus des Gesprächs. „Die Ludwig-SPÖ hat Wien zu einem Eldorado für ausländische Mörder und Vergewaltiger gemacht. Dafür können sich die Wiener beim Bürgermeister bedanken“, so Nepp weiter. Die Hetze wirkt.  Auf Social Media füllen sich die Kommentarsektionen von Nachrichtenportalen mit Sprüchen wie: „Ausländer können nichts anderes als unsere Frauen zu vergewaltigen!“ Für diese Männer sind derartige Ereignisse ein gefundenes Fressen. Sie fühlen sich gut, wenn sie endlich hetzen können. Es geht und ging ihnen jedoch nie um die geschädigten Frauen. Wo waren diese „Männer“ denn bei den ganzen Femiziden, die übrigens auch von Österreichern getätigt wurden? „Männer werden auch umgebracht, aber darüber redet natürlich niemand“, war jedes Mal der meist gelikte Kommentar, wenn über einen der 28 Femiziden in 2022 berichtet wurde.

Selbstverteidigung und Schlüsseltrick

Jede Frau kennt es. Man ist unterwegs und es ist schon dunkel. Der Blick über die Schulter wird alle zwei Minuten konsequent getätigt. Bei jedem rascheln und knacksen schreckt man kurz auf. An manchen Tagen hat man einfach das Gefühl jemand würde einen verfolgen. Wir sind auf solche Momente vorbereitet. Manche Frauen führen ein Pfefferspray mit sich, aber die meisten nutzen den Schlüsseltrick. Hier wird der Hausschlüssel zur Hand genommen und jeder einzelne Schlüssel wird zwischen die Finger, der zu einer Faust geballten Hand, gelegt. Wir fühlen uns so zwar sicherer, aber wirklich effektiv ist es nicht. Im Gegenteil mit diesem Trick ist die Wahrscheinlichkeit sich selbst zu verletzen höher. Auch meine Laien Taekwondo – Künste, die mir mein Bruder beigebracht hat, bringen mir im Ernstfall nicht viel. Das Einzige, dass uns vielleicht helfen könnte wäre ein Selbstverteidigungskurs oder das Stürzen des Patriarchats. Zweiteres wird jedoch noch etwas dauern.

Ich habe es satt. Es wird Zeit sich wirklich um die Opfer solcher Gewalttaten zu kümmern und sie nicht nur für die eigene Propaganda zu benutzen. Diese Frauen benötigen seelischen Beistand, Therapien und vor allem Gerechtigkeit. Warum lassen wir zu, dass junge Frauen sich schuldig fühlen müssen, wenn ihnen etwas passiert? Wir Frauen haben das Recht auf ein freies Leben, ohne Ängste und ohne Schlüssel zwischen den Fingern.

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

1 + 6 =
Bitte löse die Rechnung