Du kennst meinen Namen!

08. November 2016

Liebe Leute,

wir fordern Anstand. Na dann, fangen wir im Kleinen an. Schreiben wir anständige E-Mails! Hiermit möchte ich etwas verteidigen, was mir am Herzen liegt: Höflichkeit.

Es sei „falsche“ Freundlichkeit, nicht wirklich so gemeint, ja Schleimerei. Klar, im Land des kultivierten Raunzens ist man stolz auf jedes gepflegte Granteln. Als Kulturgut habe ich dies zu respektieren und zu akzeptieren. Ist zwar nicht so meins, ich sage lieber „Entschuldigung, dürfte ich bitte vorbei?!“ als „Hearst, geh auf d’ Seitn“, aber wie gesagt, das ist wohl Geschmacksache.

Was mich aber wirklich stört, also stärker stört als aus heiterem Himmel von einem Fremden zusammengefaltet zu werden, ist unhöfliche Wurschtigkeit im Schriftverkehr. Und das ist sicher nichts „Österreichisches“. Das ist für mich schlicht unfreundlich und schlecht erzogen. Im Beruf unprofessionell, im Privaten ungehörig. Eine E-Mail mit bloßem „Hallo“ oder „Hi“ an mich adressiert empfinde ich unhöflich. Sie stößt mir auf. Umso mehr, wenn ich weiß, dass der Verfasser meinen Namen kennt - bzw. mich. Ist er zu faul „Hallo Delna“ zu schreiben? Oder so im Stress, dass sich die fünf Buchstaben partout nicht mehr ausgehen? Oder hält er es einfach nicht für nötig – was ist schon mein Name? Nach dem Motto, ist ja klar, dass ich gemeint bin, wenn an mich geschrieben wird. Aber diese Logik ist der Anfang vom Ende.

 

Freund, Feind oder nur wurscht?

Wofür dann überhaupt noch eine Begrüßung?! Aus Effizienzgründen könnte man sich auf die reinen Infos beschränken, ganze Sätze abkürzen, Bulletpoints würden im Grunde reichen. „LG“ benütze ich auch hin und wieder, klar, oft muss es schnell gehen. Aber eigentlich bemühe ich mich „Liebe Grüße“ auszuschreiben. Gerade so mache ich aus  "faker" Formalität einen echten Gruß. Was bei all den faulen Abkürzungen nicht nur verloren, sondern auch versäumt wird: Der Ton macht die Musik. Das ist bei E-Mails wie im echten Leben. Ich erreiche mit Wertschätzung mehr beim Anderen, egal worum es geht, als ohne. Klingt esoterisch ist aber effektiv. Das Leben ist kein Tweet.

Einige wissen das, gerade solche Personen, die etwas verkaufen wollen. Gute Umgangsformen haben heute nicht nur Smart-Geräte aller Art, ist doch schön wenn der Kühlschrank "Guten Morgen Delna" kann. Gerade Top-Manager besitzen bekanntermaßen oft ein ausgezeichnetes Namensgedächtnisse und können zahlreiche Mitarbeiter persönlich ansprechen. Das beeindruckt, freut und schmeichelt. Aber höflich ist dadurch nicht zwangsweise fake, es ist einfach netter! Wer die Form wahrt, wahrt den Respekt. Form has function! Mein Vater hat mir schon als Kind eingetrichtert, die Eltern meiner Freunde stets mit Namen am Telefon zu begrüßen. Leider vermisse ich diese Kinderschule zunehmends im Alltag. Vor allem, je jünger die Kommunikationspartner werden. Auf "Shpock" verkaufe ich schon nichts mehr, weil die Kommunikationsweise dort, sorry, unter aller Sau ist, und bei manchen Emails von 20-Jährigen an mich, muss ich mich schon wundern... (Hearst, habt's keine Manieren?)

Ich wünsche mir keine Samthandschuhe. Aber wer anschreibt, bedenke, jede Nachricht hat eine "Beziehungsebene" (So nennt ja super Kommunikator Watzlawick das, was wir meinen, wenn wir sagen: Wie wir in den Wald hineinrufen, so schallt es heraus.) Wenn es dem Verfasser einer Nachricht also nicht die Mühe wert ist meinen Namen zu schreiben, reagiere ich dementsprechend: Ich gebe mir auch weniger Mühe. Oder: Auf ein „Entschuldigen Sie bitte“ gehe ich lieber zur Seite und erwidere „Oh, tut mir leid“, als auf ein „Hearst!“ Da mache ich zwar auch Platz, aber unwirsch und lächeln werde ich sicher nicht. Der Effekt ist also nicht derselbe.

Ja, und wer in seiner Email zum Abschluss sogar noch seinen Namen „schafft“, bringt die gesamte Kommunikation auf eine andere Ebene: Er oder sie macht es persönlich. Das ist höflich, sozialversiert und tut nicht weh. Wo kommen wir denn sonst hin? Kommunikation ist persönlich.

 

Danke und liebe Grüße

Delna

 

 

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