Keine Hysterie zur Jahreswende.

30. Dezember 2015

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Silvester
Foto: Veronika Lukashevich

Bald ist es soweit. Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu und 2016 steht bereits mit einem Fuß an der Türschwelle. Zu dieser Jahreszeit ist die Welt wie zweigeteilt. Eine Hälfte der Menschen hofft auf ein unvergessliches, einzigartiges Silvester. Sie ist dabei, ihre Neujahrsvorsätze zu planen, während die andere Hälfte genervt und sehnsüchtig darauf wartet, dass der Abend endlich vorbei ist. Zu welcher Gruppe gehört ihr?

Die Gefühlsambivalenz

Ich bin wohl irgendwo dazwischen. Als ich noch ein Kind war, bedeutete Silvester für mich stets etwas ganz Besonderes. Wenn ich heute an die Zeit zurückdenke und dabei meine Augen schließe, sehe ich leuchtende Farben und angezündete Kerzen und sofort wird mir ganz warm ums Herz. Meine Familie hatte die Tradition, an dem Abend richtig aufzutischen und bis in die frühen Morgenstunden tanzend alte Lieder zu singen. Silvester war keineswegs ein Tag wie jeder andere. Zum einen war er „flüssiger“ und zum anderen bedeutete er das Zusammenkommen der gesamten Familie. Darauf freute ich mich am meisten. Zuerst wird um 22 Uhr das alte Jahr verabschiedet und sobald die Uhr Mitternacht schlägt, stoßen alle mit Champagner-Gläsern auf das kommende Jahr an.

Je älter ich wurde, desto mehr erlosch auch meine Euphorie. Heute habe ich weder Lust, auf eine vollgestopfte Party zu gehen, um dort schweißgebadet und betrunken auf viel zu hohen Stöckelschuhen (mit denen ich, ob ich will oder nicht, keineswegs graziös aussehe) stundenlang zu wackeln, noch will ich mir ein Feuerwerk mit hundert anderen eng aneinander gepferchten Menschen ansehen. Mein eigentlicher (Kindheits)Wunsch, alle meine Freunde und Familie in ein eingeschneites Holzhäuschen in den Bergen zu packen und einen gemeinsamen Abend zu verbringen, wird sich leider auch dieses Jahr nicht erfüllen. Jeder hat zu tun, jeder ist beschäftigt. Dann werde ich mir wohl etwas anderes ausdenken müssen. Ganz ohne zu maulen. Ganz ohne „maa“. Ich muss gestehen, ich habe bis jetzt immer noch keine Ahnung, was ich tun werde. Eine Tradition behalte ich mir doch: Jedes Jahr muss etwas Glitzerndes her, um das Kind in mir nicht ganz zu enttäuschen. Eine gute Ausrede für mich, mal richtig kitschig auszusehen, ohne blöd angemacht zu werden.

„Ma, schon wieder ist es soweit“

Die Anzahl der genervten Menschen, die mich mit „bald ist schon wieder Silvester“ seit zwei Wochen begrüßt, nimmt gefühlt alle zwei Stunden zu. Doch dann denk ich mir leise: Ja, bald ist Silvester. Wie jedes Jahr. Am 31. Wozu genervte Miene ziehen, wenn der Abend jedes Jahr wiederkommt? Es ist keine Überraschung, dass die Hysterie bald losgehen wird, doch trotz innerlicher Resistenz machen scheinbar doch alle bei dem üblichen Wahnsinn mit, weil sie ja „sonst nicht wissen, was sie an dem Abend tun sollen“. Und natürlich befürchten alle im Vorhinein, wie es endet: Freunde und Freundinnen sind betrunken in einem Club und bereits kurz vor Mitternacht rotzedicht. „Na gut, dann geh' ich halt auch dieses Jahr mit“. An all diejenigen, die es satt haben, auf Partys nutzlos rumzustehen und beim Countdown mitzuschreien: Ihr habt bestimmt auch Freunde, die es gerne etwas ruhiger angehen. Oder macht doch selbst mal einen Vorschlag, anstatt euch jedes Jahr nerven zu lassen.

Die vollgehassten Neujahrsvorsätze

Wenn ich mir ansehe, wie die Neujahrsvorsätze allerseits ausgenutzt werden, um die vor Ewigkeiten gesetzten Ziele auf ein neues Jahr zu verschieben und sich selbst leere Versprechen zu geben, sehe ich in der Tatsache, dass sie von vielen belächelt werden  keine Überraschung. Doch so wie jede Medaille zwei Seiten hat, kann man auch die Neujahrsvorsätze von einer anderen Perspektive betrachten. Meine Freunde und ich nutzen die Möglichkeit, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Es gibt kein “Ich will im neuen Jahr fünf Kilo abnehmen“ oder „nächstes Jahr werde ich endlich die Liebe meines Lebens finden“ – dafür gibt es Chick Flicks, die ihr euch gerne bei einer Tafel Schokolade reinziehen könnt. Die Neujahrsvorsätze müssen nicht unbedingt etwas Negatives bedeuten. Es heißt auch nicht zwanghaft, eine Liste mit neuen Zielen erstellen zu müssen, das stresst doch nur. Doch wer Wert auf Selbstentwicklung legt, kann den Silvesterabend symbolisch dafür nutzen, sich ein weiteres Mal daran zu erinnern, woran man gerne arbeiten möchte. Ganz ohne Listen und Stress finde ich den Gedanken nicht allzu kriminell.

Ob man will oder nicht, Silvester ist doch irgendwo etwas Besonderes, denn nicht jeder Tag ist der Anfang eines neuen Jahres. Natürlich hat man die Wahl, mürrisch in den Abend zu starten, doch wie wäre es, wenn man der Symbolik eine Chance gibt? Ein neues Jahr steht vor der Tür. Seien wir doch für einen Moment froh und glücklich, dass wir es gesund und sicher willkommen heißen können. Dabei muss man nicht auf Kommando dankbar sein, sondern sich einfach ein weiteres Mal bewusst machen, wie gut man es eigentlich hat.

 

Ich wünsche euch allen ein glückliches neues Jahr!

 

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