„Ich verliebe mich in Menschen, nicht in ihre Genitalien.“
0006
Hetero, Homo, Bi – damit kennen wir uns alle inzwischen aus. Aber zu wem fühlen sich Pansexuelle hingezogen? Biber hat mit drei Pansexuellen über ihre Liebesbeziehungen gesprochen.
Als ich Maria* treffe, sticht mir ihre graue Weste sofort ins Auge. Darauf sind die Bezeichnungen für die unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen, jede in einer unterschiedlichen Schrift geschrieben: Hetero, Homo, Bi, Poly, Pan und andere. Ich frage sie welcher von diesen Begriffen ihre Sexualität beschreiben. „Ich bin Pan“ – antwortet sie mir – „Ich verliebe mich in Menschen“.
Pan, wie bitte? Der Begriff irritiert mich. Sie erklärt mir, dass pansexuelle Menschen Liebe und Lust allen Geschlechtern gegenüber empfinden können. Das heißt, dass sie sowohl mit Frauen, als auch mit Männern, Transmenschen, oder Hermaphroditen sexuelle Kontakte oder Liebesbeziehungen haben können. Sie interessieren sich für die Persönlichkeit des Menschen, nicht für seine Geschlechtsidentität.
„Es war mir immer relativ klar, dass ich mich in Menschen verliebe und nicht in ihre Genitalien“, erzählt mir Maria* am Anfang unseres Gesprächs. Sie ist Transfeminin, was bedeutet, dass sie in einem Männerkörper geboren wurde, sich aber eher als Frau wahrnimmt. Es dauerte lange, bis sie mit ihrer sexuellen- und Geschlechtsidentität zurechtkam. Vor zwanzig Jahre lebte sie immer noch als ein Mann, war lange Zeit mit einer Frau verheiratet. Kurz vor der Scheidung spürte sie eine Veränderung bei sich. Nach einer langen Phase der Selbstfindung, kam sie zu der Erkenntnis, dass sie transfeminin ist. Wenn mir Maria* über ihre Beziehungen nach ihrer Ehe erzählt, redet sie langsam, wählt ihre Worte sorgfältig. Sie war vor allem mit Frauen zusammen, sexuelle Kontakte hatte sie auch mit Männern und mit einer Transperson. Aber die Anzahl dieser Beziehungen ist nicht wichtig, sondern ihre Intensität, erzählt sie mir. „Es ist mir wichtig ein Vertrauensverhältnis mit dem Anderen aufzubauen“, so die 44-jährige Systemadministratorin. Nur dann kann sie sich auf eine Beziehung einlassen.
Den Menschen so wahrnehmen, wie er ist
Nach dem Treffen mit Maria*, will ich mehr über die Pansexualität erfahren. Ich verbinde mich mit Eva*. Als wir beide telefonieren, ist sie im Spital. Sie wartet im Aufenthaltsraum, um ihren Freund zu besuchen. Er ist ein Transmann. Er wurde mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren, aber fühlt sie wie ein Mann. Seit Monaten unterzieht er sich verschiedenen Operationen, um sein Geschlecht zu verändern. „Ich begleite ihn die ganze Zeit“ – erzählt mir Eva* – „Wir erleben alles gemeinsam“. Eva* und Markus* kennen sich seit sieben Jahren, seit drei Jahren sind sie in einer Beziehung. Schon von Anfang an passte alles zwischen ihnen sehr gut. Nur in ihrem Intimleben musste Eva anfangs vorsichtig sein: „Viele Transmänner befürchten beim Sex, dass sie wie eine Frau genommen werden“, erzählt sie mir. Deswegen vermied sie es zum Beispiel, Markus*‘ Brüste groß anzufassen. „Ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass ich ihn über seinen Körper hinaus wahrnehme“, erzählt mir die 26-Jährige. „Ich glaube, das beschreibt die Pansexualität am besten. Man nimmt den Menschen so wahr, wie er sich selbst fühlt und nicht wie er aussieht“, so die Sozialarbeiterin. Wenn ich sie nach ihren vergangene Beziehungen frage, antwortet sie mir selbstsicher: „Ich habe es nie in Frage gestellt, in wen ich mich verliebe“, so Eva*. Sie war in Frauen und Männern gleichermaßen verliebt - und jetzt ist sie mit ihrem Transmann glücklich zusammen.
Gleichzeitig in mehreren Menschen verliebt
Langsam verstehe ich was es mit den Pansexuellen auf sich hat. Aber es geht noch diverser bzw. komplexer: viele Pansexuelle leben polyamorös. Was das bedeutet, erklärt mir Lina*. Sie ist pan und poly. Klingt sehr spannend - ist es auch. Denn Lina* trifft sich mit drei unterschiedlichen Personen gleichzeitig. Und teilt mir im Gespräch mit, dass sie in zwei dieser Menschen verknallt ist. „Ich habe das Glück, mich sehr leicht in Menschen zu verlieben und mittlerweile habe ich herausgefunden, dass ich in mehrere Personen gleichzeitig verliebt sein kann“, erzählt mir die 27-jährige Workshopleiterin. Genau das steht im Kern der Polyamorie: man kann zu mehreren Personen sexuell und romantisch hingezogen fühlen, wobei alle Beteiligten voneinander wissen und damit einverstanden sind. Lina hat zwei Liebhaber und eine Liebhaberin, zu jedem Einzelnen empfindet sie anders. Mit Tomas* hat sie ein „prickelndes“ Verhältnis, mit Melissa* hat sie hingegen eine tiefe emotionale Verbindung. Ihrem dritten Freund Luka*s gegenüber empfindet sie nicht ganz so intensiv.
Nach dem Austausch mit all diesen Menschen, denke ich immer noch daran, wie es sich fühlt pansexuell zu sein? Eine Sache ist mir im Kopf geblieben: der Mensch ist ihnen wichtig, nicht sein Geschlecht. Klar, aber heißt es wenn ich heterosexuell bin, dass mir der Mensch wenig bedeutet? Doch ich schätze auch die menschliche Persönlichkeit. Zwar sehe ich zuerst das Optische, aber wenn ich jemanden liebe, spielen diese Äußerlichkeiten kaum eine Rolle. Es sind nicht der breite Körper, die blauen Augen, oder die dunklere Haare, die ich an jemanden liebe. Es ist seine Besonderheit – das was ihn zum Menschen macht.
*Namen von der Redaktion geändert
Blogkategorie: