Kampf gegen Lohndiskriminierung hat Priorität

20. Juli 2015

Ewa Dziedzic wird vor allem für fehlende Lohngerechtigkeit und gegen ungleiche Machtverteilung in den nächsten fünf Jahren kämpfen, wenn sie bei den diesjährigen Gemeinderatswahlen erfolgreich ist. Die 35-jährige Ewa ist Kandidatin der Grünen für die Landtagswahl und eine Wienerin mit polnischem Hintergrund. Als Frau und Migrantin interessiert mich, wie sie in der österreichischen Politik begonnen hat und wofür sie kämpft.

von Tanya Kayhan

Ewa Dziedzic
Ewa Dziedzic

1.Wie schwer war es für Sie persönlich als eine Frau mit migrantischem Hintergrund, sich in die Politik einzubringen?

Es war gar nicht schwer für mich. Schon als Kind war ich neugierig und aufmüpfig. Ich bin als einziges "Ausländerkind" meiner Klasse ins Gymnasium gegangen und habe schon als Jugendliche begonnen, mich politisch in NGOs wie z.B. im Verein Echo zu engagieren. Vor siebeneinhalb Jahren habe ich angefangen, für die grüne Politikerin Ulrike Lunacek, die jetzt Vizepräsidentin des EU-Parlaments ist, zu arbeiten. Gerade als Frau und als Migrantin ist es wichtig, den Mut zu haben, den Mund aufzumachen und sich politisch zu engagieren.

2. Was erhoffen Sie sich von den Gemeinderatswahlen?

Ich hoffe, dass viele wählen gehen, auch wenn es mich unheimlich ärgert, dass in Wien so viele WienerInnen nicht wahlberechtigt sind.

3. Was werden Sie in den nächsten fünf Jahren ändern, wenn Sie bei den diesjährigen Gemeinderatswahlen erfolgreich sind?

Ich habe 30 Projekte in der Schublade, wichtig dabei ist vor allem, politischen Druck zu erzeugen. Im Bereich der Frauenpolitik möchte ich eine gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen forcieren, nicht nur weil gerade Frauen Sozialkürzungen als erste spüren - gerade für "migrantische" Frauen braucht es hier mehr Information. Ein weiteres Ziel ist es, dass die Stadt Wien verstärkt den Fokus auf Wissenschaft und Forschung legt. Hier gilt es vor allem die gläserne Decke für Frauen zu durchbrechen.

4. Die Grünen möchten gegen Lohndiskriminierung kämpfen, wie leicht lässt sich die Lohngleichheit in die Realität umsetzen?

Es beginnt bei fehlenden Kindergartenplätzen, prekären Arbeitsverhältnissen, Teilzeitanstellungen, da ist noch einiges zu tun.Und weil Männernetzwerke sich selbst reproduzieren, fordern wir z.B. für Aufsichtsräte eine Frauenquote und klare Ausschreibungskriterien. Mit solchen Massnahmen können wir Schritt für Schritt erreichen, dass sich die Einkommensschere verringert.

5. Wie unterscheidet sich die Situation der Frauen in ihrer Heimat Polen und in Österreich?

Auch wenn Frauen in Polen bis zur "Wende" sicherlich nicht gänzlich die gleichen Chancen hatten, so gehörten viele von ihnen nach 1989 zu den so genannten Verliererinnen und leiden heute unter einem gewissen Backlash. Zu Zeiten des Realsozialismus waren Frauen zumindest auf dem Papier gleichberechtigt, haben grösstenteils die gleichen Jobs ausgeübt und den gleichen Lohn verdient wie Männer, auch Kinderkrippen waren eine Selbstverständlichkeit.Heute bietet auf der anderen Seite die europäische Mobilität gerade für Frauen viele Chancen  - in Wien gibt es viel mehr weibliche Studierende als männliche. 

6.Wie unterscheidet sich die Situation der Homosexuellen in Ihrer Heimat Polen und in Österreich?

Die Atmosphäre für Homosexuelle in Polen ist nicht gerade angenehm, das liegt u.a. daran, dass es in Polen einen weit und intensiv verbreiteten Katholizismus gibt, der jede Lebensform abseits der Mann-Frau-Kind-Familie abwertet. Vor der Abstimmung, ob Polen der EU beitreten soll, warben so konservative Parteien mit dem Argument dagegen, dass die PolInnen dann alle schwul leben müssten. 

7. Wie können sich Frauen mit migrantischem Hintergrund in der österreichischen Politik engagieren?

Vielfältig, weil auch Politik vielfältig ist. Und am besten ohne irgendeine Einschränkung auf Bereiche, Themen oder politische Ebenen - unsere Erfahrungen sollten eine Bereicherung sein und nicht umgekehrt. 

8. Welche Tipps und Vorschläge können Sie anderen Frauen mit migrantischem Hintergrund geben, um sich vermehrt politisch zu engagieren?

Ich habe vor ein paar Jahren ein Projekt namens „Her Mit Mehr“ gemacht, ein Notizbuch mit erfolgreichen Frauen und deren kurzer Bio, dazwischen viele leere Blätter. Die könnten wir alle locker füllen! Nur sind viele engagierte, kompetente, interessierte Frauen entweder nicht sichtbar, oft mit der Existenzsicherung beschäftigt, kennen die österreichischen Strukturen zu wenig und haben grundsätzlich mit Auschlussmechansismen zu kämpfen. Da lauert jedoch ein Riesenpotenzial, das es abzuholen gilt, denn Politik ist Alltag und betrifft so gerade marginalisierte Gruppen. Deshalb: nicht scheu sein, sondern laut und mutig! 

 

 

Tanya Kayhan absolviert derzeit die biber-Akademie. Sie ist afghanische Journalistin, die seit vier Jahren in Österreich lebt. Deswegen einfach ein Auge zu drücken, falls ihr den ein oder anderen Fehler in ihren Blogs entdeckt. Aller Anfang ist schwer und ihr seid bestimmt auch keine Profis in Persisch, oder? 

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