Körperwelten Teil 2 - Kleine Brüste, Wattebauch

17. September 2017

Ich

Ich habe lange gebraucht, um mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Zu lange. Weil die Medien einem immer sagen, wie man auszusehen hat. Vom pedikürten Zehennagel bis zur splissfreien Haarspitze.

Seitdem mir aber gewisse Körperteile nicht mehr wichtig sind und ich unbekümmert dazu stehe - sei es im Schlafzimmer, vor dem Spiegel, oder aber im Schwimmbad - merke ich, wie egal es eigentlich auch den meisten Menschen um mich herum ist. Zumindest jenen, die mich aufrichtig mögen.

Ja, ihnen ist es egal, dass ich nicht perfekt bin. Und den Männern war es das eigentlich immer schon, nur habe ich es nicht gemerkt, so geblendet war ich von all den Models in den Zeitschriften und Werbungen. Frauen, deren Beruf allein ihr Aussehen ist: So perfekt wie möglich aussehen. Frauen, die trotz allem auch noch per Mausklick bearbeitet werden, um einfach vollkommen zu erscheinen.

Früher habe ich sogar darüber gelacht, wenn ein Mann mir sagte, dass er meine Figur schön findet. Warum einem echten Menschen glauben, wenn die Modeindustrie doch ganz klar sagt, dass mein Bauch flacher und mein Busen größer sein müssten?!

Sport, der Freund?

Ich habe erst Anfang dreißig mit dem Sport angefangen. Seitdem hat sich auch die Beziehung zu meinem Körper gewandelt. Sie ist freundschaftlicher geworden, toleranter. Ich sehe, was wir können, mein Körper und ich, was sich wie verändert, oder eben nicht – und wo Grenzen beachtet und auch geduldig akzeptiert werden sollten.

Wenn mein Körper und ich am Anfang der Praterallee stehen, wir zwei - ganz alleine - um sechs Uhr in der Früh, und einen Intervall-Sprint absolvieren wollen, gibt es keine Gedanken, keine Ablenkungen. Es gibt keine Models, die das für mich erledigen. Alles, was ich spüre, sind die brennenden Muskeln. Ich schmecke den Schweiß und ich höre meinen Atem - fühle das heiße Blut zirkulieren und muss lächeln, denn ich hätte jeden für verrückt gehalten, der mir vor einigen Jahren verraten hätte, dass ich dieses Gefühl schön finden würde. Aber es ist unbeschreiblich sich selbst und seinen Körper auf diese Art und Weise zu erleben. Man findet sich und verschmilzt - das Innere mit dem Äußeren – immer und immer wieder. Die Beziehung zu einem Körper, mit dem man Sport treibt, ist liebevoll, wenn auch manchmal anstrengend. Man ist stolz auf seine 'Rüstung' - und irgendwie nicht nur auf sich 'allein'.

Bauch aus Watte und Wolken

An meinen Wölkchenbauch haben sich schon Freunde und Geliebte gekuschelt und es ganz wunderbar gefunden.

Ich mache viele Sit-Ups um meinen Zuckerwattebauch flacher werden zu lassen, aber es hilft nix. Das habe ich schon seit langer Zeit akzeptiert. Ist gut für meinen Seelenfrieden. Die überschüssige, weiche Haut, die nach einem Ice Sculpting übrig blieb, mache ich bestimmt nicht mit einem Skalpell weg. Der eisige Eingriff hat meiner Psyche ein wenig auf die Sprünge geholfen. Das reicht dann auch schon.

Fakt ist: Für einen flachen Bauch müsste ich persönlich einem sehr strengen Essensplan folgen. Ich besitze zwar Disziplin, wenn es darum geht, mir selbst drei bis fünf Mal die Woche in den Hintern zu treten bis ich mich im Fitnessstudio wiederfinde. Aber ich habe auf der anderen Seite genauso meine Schokoladen-, Eis-, Keks- und Kuchengelüste, in welchen ich einen halben Liter Ben&Jerry's alleine verdrücke – ohne eine einzige Sekunde ein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Auch danach nicht! Ich weiß, so kann man keinen Sixpack erwarten. Aber so sind meine Prioritäten. So bin ich.

Busen ist bei mir kaum vorhanden, dafür auch keine Cellulite. Man kann eben nicht alles haben.

Bauch

Hunger hat Haken

Ich habe schon lange aufgehört, abgemagert dünn sein zu wollen. Auch diese Phase hatte ich in meinem Leben. Außerdem besitze ich keine Waage. Dafür aber zwei, manchmal sogar drei verschiedene Kleidergrößen in meinem Schrank. Die Modeindustrie spinnt einfach. Schon mal beim Zara oder Intimissimi eingekauft? Nein, ihr seid nicht fett! Es sind tatsächich diese teils unmöglichen Schnitte.

Ich mag es, dass meine Beine sich straff bis muskulös anfühlen, mein Po mehr Umfang hat und gut in der Jean sitzt. Könnte ich mir einen Po aussuchen, so wünschte ich mir den von J-Lo.

Heute lache ich herzlichst über Männer, die mich darauf aufmerksam machen wollen, dass man schon den Ansatz meiner Nackenmuskulatur sieht, weil ich „zu viel“ Schultertraining mache. Ja, meine Oberarme sind eben fester als zierlich – und zwar gewollt. Ich finde ganz und gar nicht, dass das „nicht mehr feminin“ aussieht.

Das Gesamtbild im Spiegel gefällt mir. Mir ganz allein. Es ist nicht perfekt, aber es ist Andreea. Eben mit dem Wattebauch und dem Mikrobusen.

Schlüsselmoment

Es war erst vor kurzer Zeit, dass ich einen für mich wichtigen ‚Körpermoment‘ erlebte. Als ich dabei war in einem langärmeligen Shirt die Distanz eines Halbmarathons zu laufen und mir beim 12. Kilometer zu heiß wurde, beschloss ich, im Sport-BH weiterzulaufen. Schlanke Mädels machen das dauernd - sei es auf Instagram oder aber im Fitnessstudio. „So what“, dachte ich. Es war mir egal, dass jeder meinen Bauch sehen konnte, und dieser noch dazu fröhlich einen Erdanziehungstanz hinlegte. „Dieser Körper läuft gerade einen Halbmarathon mit dir, Andreea!“, dachte ich mir. „Wie kommst du dazu, dich für ihn zu schämen?!“

 

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