Nein, mein Name ist nicht Atatürk!

10. November 2015

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Pixabay.com CC0 Public Domain

Häufig fragen mich Leute, ob mein ganzer Name Atatürk ist. "Nein, nur Ata", antworte ich verärgert. Das kann nur jemand sagen, der kein Türke ist. Atatürk als Namen gibt es nicht wirklich. Der Letzte, der so hieß, war wahrscheinlich Atatürk selbst. Heute vor 77 Jahren ist Atatürk gestorben, nachdem er die Türkei von Grund auf verändert hatte.

Hätte es Atatürk nicht gegeben, hätte es folgendes Szenario in der Türkei geben können: Der türkische Sultan beschließt jeden, der sich gegen seine Regierung auflehnt, mit Peitschenhieben auf dem Marktplatz in Istanbul zu bestrafen. Es wird jetzt auch im Fernsehen ausgestrahlt. Vor allem die Frauen regen sich heftig auf. Aber das ist egal, denn die dürfen noch nicht mal wählen. Das darf niemand. Der Sultan allein bestimmt, wer sein Nachfolger wird. Das ist meistens der älteste Sohn. Der Sultan hat - genauso wie die meisten türkischen Männer in der Türkei - mehr als nur eine Frau. Ist völlig legal. Aber nur dann, wenn der Mann mehrere Frauen hat, nicht umgekehrt. Die Scharia ist gleichzeitig der Kodex. Die Richter entscheiden stets nach dem Koran. Die Frauen sollen also bitte ein Kopftuch tragen und Männer keine kurzen Hosen. Es ist Pflicht!

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Pixabay.com CC0 Public Domain

Allerdings hat Atatürk viele Reformen durchgeführt:

  • Er hat die Türkei verwestlicht und eine engere Zusammenarbeit mit westlichen Ländern ermöglicht.
  • Er hat die arabische Schrift zur Wiedergabe der osmanischen Sprache durch das lateinische Alphabet ersetzt.
  • Das Kalifat wurde abgesetzt und eine laizistische Demokratie wurde eingeführt.
  • Der westliche Kalender wurde eingeführt. Anstelle von 2015 hätte man in der Türkei heute 1437.
  • Frauen haben das Wahlrecht erhalten und Polygamie wurde abgeschafft. Zum Vergleich durften Frauen in der Schweiz erst 1978 wählen.

Mein Volk stirbt aus

"Ich bin Türke"

  • Allerdings durften wegen Atatürk Frauen mit Kopftüchern nicht in die Universität. Frauen, die so sehr von ihrer Religion überzeugt waren, haben tatsächlich nicht studiert.
  • Selbst die Pilgerfahrt wurde verboten, das heißt der Islam war schon fast ganz verboten.
  • Außerdem musste jeder Schüler jeden Morgen vor dem Schulstart den Schulschwur aufsagen. Selbst Kurden mussten „Ich bin Türke“ sagen.

Atatürk ist eine zwiespältige Person. Er befreite das Volk einerseits von dem Druck des Kalifats und ermöglichte eine Demokratie. Andererseits unterdrückte er die Leute, die überzeugt von ihrer Religion und Identität waren. Fakt ist: Ohne Atatürk wäre die Türkei nicht auf dem heutigen Stand und er hat die Türkei sicherlich wirtschaftlich und rechtlich gestärkt. Allah rahmet eylesin. (Gott segne ihn)

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