Orbán will über die Todesstrafe reden

20. Mai 2015

Todesstrafe

Todesstrafe, Budapest, Ungarn, Orban
ATTILA KISBENEDEK / AFP / picturedesk.com

In Ungarn fand die letzte Hinrichtung 1988 statt. Mit der politischen Systemwende wurde die Todesstrafe 1990 für Verfassugswidrig erklärt und gestrichen. Der ungarische Premier Viktor Orbán hätte jetzt gern eine öffentliche Diskussion drüber, sie wieder einzuführen. Wie konnte es soweit kommen? Grund dafür ist ein brutaler Raubmord in einer Trafik an einer jungen Verkäuferin

Seit einer Gesetzesänderung dürfen in Ungarn nur noch bestimmte Geschäfte Tabak verkaufen. Diese "Nationalen Trafiken" müssen mit einer blickdichten Folie ihre Fenstern verkleben, damit die jugenlichen Raucher nicht zum Tschicken angeregt werden. Für Verbrecher ist das verlockend: die Gefahr beobachtet zu werden, ist deutlich geringer geworden Das ganze Trafik-Projekt sollte eine Kopie der aus den USA bekannten "Liquor Stores" werden - mit dem Hintergedanken, den ausländischen Unternehmen (den sogenannten "Multis") die Grundlage für lukrative Tabakverkäufe zu entziehen.

Diskussion durch Überfall angefacht

Durch einen brutalen Überfall auf eine dieser Trafiken ist eine Diskussion um die Bestrafung der Täter entbrannt. Orbán sagte dem ungarischen Radiosender Kossuth "dass es eine Diskussion über die Abschreckungskraft der Todesstrafe gibt. Die Menschen, die darüber streiten, müssten bedenken, was passieren würde, wenn ihre Familienmitglieder Opfer von brutalen Verbrechen wären".

Gleich vorweg: ich bin kein Befürworter der Todesstrafe. Ich finde es falsch, einem Staat die Erlaubnis zu geben, Menschenleben auszulöschen. Außerdem ist die Todesstrafe wirkunglos: wie wir am Beispiel der USA sehen, schreckt "die ultimative Bestrafung" die Täter nicht ab. Die Todesstrafe trifft häufiger Menschen aus ärmeren Schichten. Häufig sind die zum Tode verurteilten Menschen unschuldig. Und die Todesstrafe kostet viel Geld. Gefängnisse, Einspruchsprozesse und die Todeskammer selbst kosten viel Geld. Geld, dass aus dem Börserl des Steuerzahlers kommt. Diese Tatsachen haben sich aber noch nicht zu Viktor Orbán durchgesprochen. Er möchte lieber das Thema in auf dem tagespolitischen Programm haben dürfen und darüber sprechen dürfen - denn die Todesstrafe ist laut der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verboten. Eine mögliche Volksbefragung zu diesem Thema wäre für ihn durchaus denkbar - obwohl ihm bzw. dem Land dafür EU-Sanktionen angedroht worden sind.

Die Todesstrafe in Ungarn

Hinrichtungen fanden in Ungarn in der Zeit von 1912 bis 1988 statt. In diese Zeit fallen auch die unrühmlichsten Epochen der neueren ungarischen Geschichte: die Pfeilkreuzler-Diktatur, die Besetzung durch Nazideutschland, die Besetzung durch die sowjetischen Truppen und die sozialistische Diktatur. An diese "glorreichen" Zeiten möchte offensichtlich Viktor Orbán anschließen. Vielleicht können die Bürger in die Diskussion eingebunden werden: man könnten zum Beispiel darüber nachdenken, diese Strafe nur auf die obersten politischen Repräsentanten anwenden zu dürfen. An jene, die sich Steuergelder unter den Nagel reissen, ihre Familienmitglieder und Freunde bei öffentlichen Ausschreibungen begünstigen, sich schamlos bereichern anstatt dem Wählervolk und dem Staat zu dienen. Bin gespannt, ob ein Gesetz mit dieser Voraussetzung genug Stimmen im Parlament erhalten würde. Denn drüber nachdenken darf man doch wohl?

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