Perfides Kalkül der Terroristen

15. November 2015

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Koran
Foto: Simone Egarter

Die islamistischen Terroristen verbreiten Tod, Angst und Schrecken und berufen sich dabei auch noch auf die Religion. Panikreaktionen, Hilflosigkeit und verstärktes Misstrauen gegenüber allen Muslimen dürfen jedoch nicht unsere Antworten sein. Das wäre der Triumph dieser Mörder.

Die Anschläge in Paris erschüttern ganz Europa und den Westen. Kaum ein paar Stunden nach dem Blutbad gab es internationale Solidaritätserklärungen via sozialer Netzwerke und viele Beileidsbekundungen westlicher Staatsfrauen und Staatsmänner. Aber es regen sich auch die ersten Befürchtungen der MuslimInnen, dass ihnen nun noch mehr Antipathie und Misstrauen gegenübertritt.

Ein Angriff auf uns alle

Sie greifen uns an, ohne dass wir uns des Kriegszustands bewusst sind. Sie morden ohne jegliche Gefühlsregung, kalt und berechnend. Sie lehnen westlichen Lebensstil als "unislamisch" ab und wollen auch die Muslime in Europa auf ihre rigide Auslegung der koran’ischen Schrift einschwören.  Das Perfide: Gescheiterte Integrationspolitik und antimuslimischer Rassismus spielen den Rattenfängern des "Islamischen Staates" dabei in die Hände.

Doch manche Muslime sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Gerade in den letzten Jahrzehnten konnte ein Erstarken des politischen Islams, und leider auch der Gewaltideologien, in vielen muslimischen Staaten beobachtet werden. Unterdrückung, autokratische Systeme und Diktatoren waren die stiefmütterlichen Ziehväter des politischen Islams und später auch der gewaltbereiten Islamisten/Jihadisten.

Die Verantwortung des Westens?

„Wir dürfen nicht vergessen, dass der Westen im Mittleren Osten seit Jahrzehnten gemordet hat. Millionen Muslime, Frauen und Kinder hat er gefoltert und getötet... Trauern wir um sie?“ schreibt Jürgen Todenhöfer, Journalist, der selbst auch im "Islamischen Staat" unterwegs war. Selbstverständlich ist auch der Westen nicht ganz unbeteiligt an dem Chaos, das derzeit in der Region des Nahen Ostens herrscht. Der Westen unterstützt die saudi-arabischen Machthaber und damit auch das System eines politischen, wahhabitischen Islam aus dem auch die gewaltbereite Jihad-Ideologie hervorgeht. Die USA haben mit ihrem Krieg gegen den Irak zwar einen Diktator gestürzt, jedoch auch jegliche Ordnung und Stabilität des Landes vernichtet. Aus den ehemaligen Unterdrückern, den Baathisten, wurden die engsten Verbündeten des heutigen „Islamischen Staates“. 

Der Krieg in Syrien scheint viele Muslime beeindruckt zu haben. Sie sehen das Leid ihrer „Geschwister im Glauben“ und stehen der Gewalt ohnmächtig gegenüber. Auch in Österreich zogen daraus über 200 Personen die fatale Konsequenz, sich der Terrormiliz anzuschließen, oder zumindest mit dem selbsternannten „Kalifat“ zu sympathisieren. Sie alle sind Mittäter. Aus den Biografien dieser Extremisten geht jedoch auch hervor, dass sie durchaus biografische Brüche und Identitätskonflikte aufweisen.

Aus den Identitätskrisen in der Jugend und dem frühen Erwachsenenalter leiten die meisten Muslime in nicht-muslimischen Ländern keine persönliche Abgrenzung zum Rest der andersgläubigen Bevölkerung ab. Dennoch bedingt ein zunehmend vergiftetes, gesellschaftliches Klima sicherlich auch diese bewusste oder ungewollte Abgrenzung. Das ist das perverse Ziel des schwächelnden „Islamischen Staates“.

Koran
Foto: Simone Egarter

Muslime gegen Islamisten

Auch der Terroranschlag auf die russische Passagiermaschine in Ägypten und das Blutbad am Strand von Tunesien richten sich zum einen gegen die im Sinnes des IS „unislamischen“ arabischen Regierungen, indem sie dem Tourismus als bedeutendem Wirtschaftsfaktor schaden, zum anderen gegen den „Westen“. 

Leider folgen auch viele Menschen aus arabisch-muslimischen Staaten dem Terror. Dies dürfte natürlich zum einen mit der staatlichen Repression in den überwiegend autokratisch geführten Ländern zusammenhängen, auf der anderen Seite muss man auch die religiöse Entwicklung kritisch betrachten. Leider erwecken vielen islamisch-theologische Diskussionen und Betrachtungsweisen den Anschein, dass der Islam zur Zeit in einem starren Dogmatismus verhaftet sei, vor allem in den arabisch-muslimischen Ländern. Eine kritische Auseinandersetzung mit den heiligen Schriften ist meist nicht möglich.

Deshalb sollten wir vor allem auf die Muslime in Europa zählen. Die Mehrheit von ihnen haben die Rechte der Freiheit und Demokratie verinnerlicht und sie sind wahrscheinlich das größte Potenzial und der beste Trumpf im Anti-Terror-Kampf. Das heißt auch, dass eine friedliche, aber energische Gegenbewegung von westlichen Muslimen ausgehen sollte. Es genügt leider nicht nur, die Taten des IS und anderer Terroristen als „unislamisch“ abzutun, wo sie sich doch bei jeder ihrer Taten auf den Koran berufen. Man muss hier theologisch fundierter argumentieren und vielleicht auch selbstkritischer mit den historischen und heiligen Quellen umgehen.

 

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