"Ich schaue den ganzen Tag auf die Wand."

17. Januar 2022

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Klassenfoto, SchülerInnen im Innenhof
Amina Minou Jelassia Reifenauer - Ben Hassen

 

Für mich ist die Schulzeit noch ganz nah. Jeden Morgen kämpfte ich mich tapfer aus dem Bett, außer wenn ich Mathe in der ersten Stunde hatte. Dann wurde beim Handy sofort die Snoozefunktion aktiviert. Meine Matura machte ich unerfreulicherweise kurz nach dem ersten Lockdown 2020. Viele wichtige Erfahrungen wie die Maturafeier und Maturareise fielen ins Wasser. Weil durch die Omikron-Variante die Zahlen wieder steigen, habe ich mich gefragt, wie die SchülerInnen von heute durch den Schulalltag in der Pandemie kommen. Über Omikron haben wir im Endeffekt nicht besonders viel geredet, aber dafür kam viel Frust über die letzten zweieinhalb Jahre zutage. Die SchülerInnen Wiens fühlen sich nicht gehört, doch sie haben einiges zu sagen: 

 

,,Ich schaue den ganzen Tag auf die Wand", berichtet mir ein 14-jähriges Mädchen aus einer NMS. Die mentale Gesundheit kommt zwischen Englischhausaufgaben und Physiktests leider viel zu kurz. Viele SchülerInnen erzählen von Schlafstörungen und Depressionen, eine allgemeine Hoffnungslosigkeit breitet sich aus. Ana, eine 15-jährige Schülerin der Tourismus - und Wirtschaftsschule Bergheidengasse, erzählt ebenfalls, dass viele ihrer Freundinnen an psychischen Erkrankungen leiden. 

 

Außerdem spricht sie über die Umsetzbarkeit der Präventionsmaßnahmen im Schulalltag: ,,Bei manchen Fächern, wie dem Kochunterricht, kann man den Mindestabstand fast nie einhalten."

 

,,Man setzt jetzt auf Durchseuchung, doch meine Mutter ist Hochrisikopatientin. Wie soll ich sie schützen, wenn in der Schule keine Sicherheit gewährleistet werden kann?"fragt sich Julian, 18, Schulsprecher der Hegelgasse 12. Er fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen und hofft, dass es bald strengere Maßnahmen in der Schule gibt. Es sind zwar schon diverse Änderungen im Schulalltag vorgenommen worden, doch auch eine Maskenpflicht im ganzen Haus und das durchgehende Lüften können eine Infektion mit dem Virus nicht immer verhindern.  

 

 

,,Man versteht nur jedes dritte Wort von dem, was der Lehrer sagt.", beschwert sich Ferdinand, 17 und sein Freund Lino pflichtet ihm bei: ,,Die Kameraqualität ist teilweise so schlecht, dass man gar nicht lesen kann was auf der Tafel steht.’’ Die beiden Jungs sind zwiegespalten, ob sie in die Schule gehen und sich damit dem Risiko einer Ansteckung aussetzen oder zuhause vor dem Laptop die Französischvokabeln erraten sollen. Laut der Politik dürfen OberstufenschülerInnen selbst entscheiden, ob sie in die Schule gehen oder doch lieber den Unterricht von zu Hause aus verfolgen wollen. 

 

 

Viele LehrerInnen kommen mit der benötigten Technik scheinbar nicht zurecht und daran leidet die Qualität des Onlineunterrichts. Auch ich erinnere mich noch gut an die Unzulänglichkeiten des Distancelearnings. Die Monate vor meiner Matura habe ich nicht viel mitgenommen, außer der Inneneinrichtung meiner Englischlehrerin und einem Berg an Chemiehausaufgaben auf meinem winzigen Schreibtisch. 

 

 

,,Die LehrerInnen tun was sie können, um den Unterricht normal zu gestalten, aber es ist eben nicht einfach in dieser Situation.’’ Lucero, 20, Schülerin der Graphischen Lehr – und Versuchsanstalt, ist dem System milde gestimmt, aber sie wünscht sich mehr Solidarität von den Lehrenden mit den SchülerInnen. Sie spricht viel von der allgemeinen Belastung in der Schule, die nicht nur die SchülerInnen betrifft. Alle hätten mit der Situation zu kämpfen. 

 

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