Wien ist das neue Berlin, sagt man sich in den Hipster-Kenner-Kreisen seit Langem. Wiens Künstlerszene explodiert: Streetart, Musikkollektive, Pop-up Stores und Happenings sind fester Bestandteil Wiens (naja zumindest in den Bezirken 5-9).

Aber bitte Wien, werd nicht Berlin!

Für mich waren Berlin und Wien immer zwei sehr verschiedene Welten. Wien ist beschaulich, gemütlich und wunderschön. Berlin dagegen ist riesig, schläft nie und kann manchmal echt hässlich sein. Aber ich liebe beide Städte. Mindestens viermal im Jahr fahre ich nach Berlin und denke mir: Geil, vielleicht sollte ich mal hier wohnen! Nach einer Woche schon freue ich mich aber, wieder in Wien zu sein.

Was Berlin besser kann als Wien

Am meisten liebe ich an Berlin, dass die Menschen so unglaublich nett sind. Im Supermarkt an der Kassa habe ich immer nette Gespräche, im Späti werde ich immer herzlich empfangen und sogar im vollsten Lokal freundlich angegrinst. Wien kann das echt nicht. Überall Grantler, vor allem die Leute im Billa an der Kassa. Na gut, ehrlich, nach einer Zeit gewöhnt man sich dran. Wenn ich dann allerdings in Berlin bin, fällt mir der Kontrast umso mehr auf und ich denke: Wien, schneid dir mal eine Scheibe hiervon ab!

Eine andere Sache, die Berlin besser kann als Wien, ist die Vielfalt des Nachtlebens. Zugegeben wissen wir ja alle, dass Berlin die Feierhauptstadt Europas ist. Von Mainstream-Schuppen wie dem Matrix über das schicke Felix bis hin zu „Undergroundläden“ wie dem Katerholzig, der Griessmühle oder dem About blank hat Berlin einfach alles zu bieten. Und wo in Wien kann man bitte von Freitag 22.00 Uhr bis Montag 9.00 Uhr feiern ohne Pause?

Wiens Clubszene ist leider sehr beschaulich und oft stehe ich am Wochenende da und frage mich: Wohin? Das würde mir in Berlin jedenfalls nur aufgrund der viel zu großen Auswahl passieren.

Berlin ist außerdem die grünste Stadt Europas und kann im Frühling echt verdammt schön sein!

Wien, lass die anderen sich verändern und bleib so wie du bist

In Berlin sind alle so furchtbar individuell. Jeder ist Künstler, DJ, Startup-CEO oder Foodblogger. Alle tragen Rucksäcke, Socken über der Hose und Mützen, die mich an die jüdische Kopfbedeckung erinnern. Allen ist alles egal und YOLO, oder?

Und das Beste an ihnen ist: Sie wohnen in Berlin. Es gibt nirgendwo so viele Menschen, die sich so dafür feiern, in einer Stadt zu leben. Sprüche wie „So ist Berlin halt!“ oder „Ich weiß, du bist nicht aus Berlin, aber Berlin ist das geilste auf der Welt!“ gehen mir dermaßen auf die Nerven. Wenn man sagt, man komme aus Wien, München, Düsseldorf oder Linz kassiert man Blicke, die sagen: Oh du Arme, es gibt nichts Besseres als Berlin.

In Wien habe ich so eine Einstellung noch nie erlebt und bin echt froh drüber.

Ein weiterer Punkt, der mich unglaublich an Berlin nervt und wo Wien einfach entspannter ist, ist die Partydrogenszene. Egal, wo ich hingehe, sind alle auf irgendwas drauf. E, MDMA, Koks, Speed und alle die anderen Sorten von Drogen, die ich eh nicht kenne, sind so unfassbar cool in Berlin. Feiern ohne Drogen? OMG, wie geht das? Wie oft ich das in Berlin höre? Echt oft. Und ich frage mich, seit wann man uncool ist, wenn man keine Lust auf Drogen hat. Denn mir fällt auf: Menschen auf Drogen sind ungesellig. In Berlin bin ich noch nie in einem Club mit jemandem ins Gespräch gekommen. Generell habe ich den Eindruck, dass die Leute alleine feiern gehen. Sie stehen da, „tanzen“ zur Musik, ihr Blick ist leer. Klar, in Wien gibt es diese Menschen auch, aber sie sind die Minderheit. In Wien wird Geselligkeit beim Feiern noch groß geschrieben.

Hipp, Hipp, Wien

Wien ist individuell und macht Spaß. Weil Wien einfach nicht krampfhaft versucht, individuell zu sein, ist Wien einfach authentisch. Das Gedöns von Einzigartigkeit und Coolness in Berlin können wohl nur eingefleischte Berliner ertragen.

Für mich einen Tick zu viel, für einen (Party-) Urlaub ideal, aber zum Wohnen?

Nein, danke. Da bleibe ich lieber bei meinem Wien.