Keinen Bock auf Turbofolk!

29. Oktober 2015

Die meisten meiner Svabo-Freunde… Nein, war eh nur ein Spaßerl. Ich will nicht jedem Klischee gerecht werden. Wir Jugos nennen Österreicher nicht wirklich Svabos... Nur manchmal. Also: Die meisten meiner österreichischen Freunde finden die Ottakringer Straße irrsinnig lustig und faszinierend. Parallelgesellschaft und so. Ich weiß noch ganz genau, wie ich mit unserem ehemaligen Textchef und noch ein paar anderen (unter anderem) österreichischen Kollegen aus irgendeinem Grund im Chic, einem dieser Prolo-Clubs im 16. Bezirk, feiern war. Voll getaugt hat denen das. Und ich gestehe: Auch ich war früher das ein oder andere Mal in solchen Schuppen zu finden. Ich habe schon vor einigen Jahren ausführlich darüber berichtet. Zu meiner Verteidigung: Damals hatte ich einen völlig anderen Freundeskreis und war somit einem Gruppenzwang ausgesetzt - gemocht habe ich diese Musik nie.

Zudem überkam mich manchmal dieses völlig irrationale und peinliche Gefühl von Nostalgie nach Bosnien und den unvergesslichen Sommern, die ich dort verbracht habe. Dieses Gefühl wollte ich in Turbofolk-Clubs ertränken - deppert, ich weiß eh. Aber vor ein paar Jahren gab es auch keine bzw. kaum Läden, in denen beispielsweise Jugorock gespielt wurde. Aufgelegt wurde höchstens ein schlechter Remix. Wenn ich nur daran denke, wie oft Bijelo Dugme-Lieder mit katastrophalem Techno gemixt wurden, wird mir schlecht. Was soll der Blödsinn eigentlich?!

Sarajevo, Party, Feiern,
Foto by Alexandra Stanic

Naja, auf jeden Fall bin ich mittlerweile erwachsen und packe weder Turbofolk noch den Großteil der Menschen, die dazu abgehen, als gäbe es kein Morgen. No offense, ist eh okay, dass ihr das ur leiwand findet. Wirklich. Das heißt nicht, dass ich euch für schlechtere Menschen halte. Ich zweifle nur ernsthaft an eurem Musikgeschmack. Ich persönlich komme mit den Turbofolk-Zombies, die beim Weggehen enge Hemden, Boxerschnitt, Miniröcke und 20 Zentimeter hohe High-Heels tragen, einfach nicht mehr so klar. Ja, ich weiß. Das klingt nach ziemlich vielen Vorurteilen. Aber geht mal an einem Samstag auf die Ottakringer Straße, dann können wir gerne über Klischees sprechen. Es gibt einfach zu viel Gegröle, zu viel Drama, zu viel Schminke auf den Gesichtern der eigentlich so natürlich schönen Mädels, zu viele Fetzereien, zu viel schlechte Musik. Puh, ich klinge wie eine grantige Pensionistin, die in einem Simmeringer Gemeindebau lebt und deren einzige Gesellschaft ihr Hund ist.

Bin ich aber eigentlich gar nicht. In Wirklichkeit bin ich eine 24-jährige Wienerin, die bosnische Wurzeln hat und irrsinnig gerne Musik aus Ex-YU hört. Ich mag Prljavo Kazaliste, Parni Valjak, Zabranjeno Pusenje, Letu Stuke, Punkt, Bajaga oder Plavi Orkestar - obwohl das eine Lied mit Dragan Mirkovic in meinen Ohren und vor allem in meiner Seele schmerzt. Dragan Mirkovic, seriously?!? Aber das ist eine andere Geschichte. Auch „neue“ Bands wie SARS, Elemental oder Dubioza Kolektiv sind spitze und lassen mich lauthals mitsingen. Es gibt sie also, gute Musik aus dem ehemaligen Jugoslawien. Turbofolk-„Künstler“ schießen zwar wie Unkraut aus dem Boden, nichtsdestotrotz gibt es wirklich gute Musiker aus EX-YU.

Wenn es am Wochenende darum geht, wohin man gehen könnte, stelle ich mir immer wieder die gleiche Frage: Wo kann und muss man als Jugo hingehen, wenn man gute Musik aus Ex-YU hören will, aber absolut keinen Bock auf Turbofolk hat? Mir fällt auf die Schnelle ein: Beertija, sonntags das Cream, Jugoton, sofern es diese Veranstaltung überhaupt noch gibt, und diverse Konzerte. Aber das kann es doch nicht gewesen sein?! Wieso gibt es zigtausende Turbofolk-Läden in Wien, die alle die gleiche schlechte Musik spielen und alle die gleichen peinlichen DJs haben, aber kaum Lokale, in denen Musik gespielt wird, von der ich nicht instantly Kopfweh bekomme?

Sarajevo, Party, Feiern,
Sieht zwar nicht nach Party aus, zumindest gab es guten Jugo-Rock. Wo? In Sarajevo.

Ich bin doch nicht die einzige, die sich gerne mal zu Liedern von Crvena Jabuka betrinken und nostalgisch von Zeiten schwärmen wollen würde, die sie nie miterlebt hat. Ich habe keine Lust, immer in meinem Wohnzimmer zu sitzen und auf 80er-Jahre-Youtube-Listen zurückgreifen zu müssen. Da muss was passieren! Es kann nicht sein, dass jeder Jugo in Wien zwischen 17 und 35 auf Lieder steht, in denen es um Glücksspiel, Betrug, fette Karren und sexy Girls geht. Das will und werde ich nicht glauben.

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Lokal-Tipps, Kritik und tröstende Worte an stanic@dasbiber.at

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