Ein Freund sein ist gar nicht so einfach…

03. Dezember 2010

Ein Freund sein ist gar nicht so einfach…

 

Mein Freund S. ist schon seit Jahren neben der U-Bahn auf der Josefstädterstraße vorzufinden…

Obwohl unsere Leben so weit auseinander gehen – fällt es mir keinen Moment schwer an der Vergangenheit festzuhalten…

Wenn ich an ihn denke, laufen mir Bilder durch den Kopf... ich lache auf bei den einen Gedanken...schmunzle bei einem anderen Gedanken...schließe manchmal die Augen um das Erlebte nochmals zu fühlen und manchmal kommen mir die Tränen – wenn ich mich in der Realität sehe…

 

unsere Leben haben nichts mehr gemein…aber trotzdem gab es eine Zeit, eine sehr lange, in der wir als Freunde unzertrennlich waren…

 

Eva kommentierte es schon mal, bei einem anderen Beitrag, es muss einen Grund geben, für das, das manche Menschen so tief fallen…

 

Was S. angeht, so gab es in seinem Fall wahrscheinlich einen Haufen Gründe die ihn zu dem machten – was er nun heute ist…

 

Wenn ich die Augen schließe und in die Vergangenheit zurückwandere, sehe ich einen attraktiven jungen Mann vor mir, der für jeden Blödsinn offen war (und wir machten viel Blödsinn!), immer lächelte und einer der Menschen war auf den man sich verlassen konnte!

 

Der erste Grund für seine Fall hätte der Krieg sein können. S. kam aus Bosnien als Flüchtling. Er hat uns nicht viel davon erzählt, aber wir alle wussten das er es nie vergessen wird…

Ich glaube die Liebe seiner Mama und seine Liebe zu ihr hat das „Fallen“ in diesem Fall etwas gestoppt…

 

Leider nicht für lange…

 

Er verliebte sich das erste mal, genoss die Zweisamkeit und entdeckte mit ihr ein gemeinsames Interesse -> harte Drogen! Es blieb nicht beim gelegentlichen „Gras“, es ging darüber hinaus und er fing an sich zu verändern.

Er hat weniger gelacht – war mehr in seiner eigenen Welt gefangen und lies uns in diese nicht immer rein.

 

Aber es war O.K. – bis zu dem Zeitpunkt – wo sich seine Freundin das viel zu junge Leben nahm und einen Brief hinterließ – dass er die Schuld dafür trägt…

 

Sie war seine erste große Liebe und die Schuld nahm er gerne an sich, er fiel und fiel, war für keinen zu erreichen – er litt!!!

Wir bemühten uns, ihn aus dieser Hölle rauszuholen – einer von uns war immer bei ihm – und irgendwann schafften wir es und es ging ihm etwas besser…

 

…und dann starb seine Mama. Der Mensch der ihn durch den Krieg geführt hatte, der ihn beschützt hat und der Mensch der ihn über alles geliebt hat.

Sie hatte kein leichtes Leben, der Vater von S. war agressiv,  sie überlebte den Krieg um in Wien ein neues Leben zu starten  und dann starb sie…einfach so…an einer Krankheit!

 

Hier konnten wir ihn nicht mehr rausholen, wir versuchten es auf jede mögliche Weise aber er wollte nicht. Er wollte leiden und fallen. Er baute sich seine eigene Hölle auf!

 

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie der Kontakt brach – aber viele von  uns haben ihn aufgegeben. Er zog um und wir sahen ihn Jahrelang nicht!

 

Vor ca. 4 Jahren, schrie jemand meinen Namen. Ich befand mich auf der Josefstädterstraße und wollte zur U-Bahn. Ich erkannte ihn nicht wieder. Er ist alt geworden – obwohl er nicht alt war. Damals grade 28!

Wir saßen da rum. Ich erzähle von den Kids und von den Leuten mit denen ich immer noch in Kontakt stand. Er erzählte mir, dass er keine Drogen mehr nehme, aber seine Zeit hier auf der U-Bahn verbringe um ein Bier (oder mehrere)mit den Leuten hier zu trinken!

 

Beim Abschied – bat er mich um 10 Euro. Versuchte mir eine Geschichte aufzutischen, dass seine Haare zu lang sind und er sie gerne schneiden möchte. Er erzählte, ohne dass ich danach gefragt habe, von den Türken bei der Kirche der für 8 Euro die Haare schneidet. Da wolle er hin. Ich kannte den Türken, kaufte ihm trotzdem die Geschichte nicht ab. Gab ihm aber 20 Euro. Ich hatte nicht mehr bei mir. Ich konnte ihn  nicht abweisen…

 

Seit dem sind 4 Jahre vergangen, meine Augen suchen ihn automatisch wenn ich auf der Josefstädterstr. bin und wenn ich ihn sehe, gehe ich zu ihm. Ich nehme mir die Zeit!

 

Oft denke ich an ihn und überlege mir wie ich ihm helfen könnte. Vor allem bei Tagen wie diesen frag ich mich wie es ihm geht…ob ihm kalt ist…

Kommentare

 

Oh mein Gott, wie traurig ist das :((( ich kann nur ahnen wie es dir geht, wenn du ihn siehst..

 

echt traurig.
ich find jetzt irgendwie keine worte. bin einfach geschockt.

 

sorr, aber ich kann da nicht so viel Mitleid aufbringen.
Wieviel von uns sind als Flüchtlingen gekommen. Wieviel haben schräckliche Sachen im Krieg erlebt, das ist trotzdem kein Freifahrtsbrief um sich zuzujunken.

Meine Freundin D. zum Beispiel hat Hunger, Leid, Tod, Leichen die verwesen uvm. erlebt und ist trotzdem nicht eine von denen geworden die durch Drogen von der Realität weglaufen.

anderer Fall, meine Freundin A. erlebte auch Krieg mit seinen ganzen "schönen" Seiten, Vergewaltigung, Hunger.
Als sie nach Österreich kam, litt sie an Magersucht, weil ihr die ganzen Sachen an den "Magen" gingen; jetzt ist sie wieder gesund, hat geheiratet, ein Kind bekommen usw, auch kein Junkie geworden.

Menschen die zu so harten Drogen greifen haben doch schon längst ihr Leben aufgegeben, denn sich zu verstecken und vor Problemen wegzulaufen wird immer leichter sein als sich ihnen zu stellen.

ich könnte noch viele andere aufzählen die sich nicht haben fallen lassen, in die Scheiße die ihnen das Leben gebracht hat, sondern sich zusammengerissen und gekämpft haben.

Das Leben ist halt beschissen, wäre das die Geschichte von jemanden aus der Dritten Welt, dann hätte ich sicher Mitleid gehabt aber in Österreich ist sowas einfach nicht gut zu heißen und zu bemitleiden.
Mitleid bringt nicht weiter, derjenige der Mitleid bekommt suhlt sich darin, bewusst oder unbewusst, und werschlechtert seine Situation.
Auch wen ich jetzt sehr hart für die meißten hier klinge, so sieht es einfach aus.
Fressen oder gefressen werden. Machen oder lassen,aber dann nicht noch Belohnung dafür erwarten das man nichts macht.

Wenn der Typ keine Hilfe annehmen will, dann ist er selbst schuld.

Dann braucht er dich auch nicht anzulügen, sondern kann dir gleich sagen was Sache ist.

Wie letztens ein Junkie in der Bim, er sucht angeblich am Abend eine Aptheke die Dienst hat damit er sich "Hustensaft" kauft. What the fuck, wenn will er mit dem Blödsinn verarschen,sich oder die Leute die ihm helfen die Apotheke zu finden.....

Sorry Ekatarina, aber solche Themen bringen mich zu Weißglut, also, das icht nichts persönliches gegen dich.

Arme Menschen verdienen es nicht arm zu sein, aber wenn sie nicht tag täglich versuchen ihre Situation zu verbessern, vor allem dann, wenn sie Hilfe angeboten bekommen, dann sind sie selbst schuld, dass nichts weitergeht (vor allem in Österreich).
Mitleid bringt also rein gar nichts!

Ein gutes Beispiel ist das Folgende:
Eine Jugofamilie die ich kenne, Vater Taxler, Mutter in Frühpensi, eine Tochter und ein Sohn die nicht arbeiten wollen, wobei der Sohn Heroinsüchtig ist.
Die zwei Kinder bekommen von den Eltern alles in den Hintern geschoben, vor allem um sie dafür zu entschädigen, dass sie dem Vater zusehen mussten, dass er die Mutter verhaut.
Die Kinder bekamen halt auch ab und zu ihre Watschen, denn der Vater ist halt ein Assozialer Trottel.
Der Sohn ist schon seit paar Jahren auf Zeugs, die Tochter ist zwar von der Kokssucht weg, war ihr schlussendlich zu teuer, jedoch hasst sie es arbeiten zu gehen, sich weiterbilden will sie auch nicht, obwohl ihr die Eltern jede nur erdenkliche Ausbildung zahlen würden.
um auf dem Punkt zu kommen, so kann es also aussehen wenn man seinen Kinder, aus Mitleid, das Leben versaut, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(Was uns nicht umbringt, macht uns härter)

PS: und das man von Harten Drogen abhängig wird weiß jeder Depp, somit braucht er auch keine Freundin oder sonnst jemanden um ein Junkie zu werden.

 

danke für deinen Kommentar - ich sehe es nicht als persöhnlichen Angriff... ich kann dich auch verstehen...
aber das Leben ist nicht so einfach...
du kannst nicht etwas erleben und sagen "ja schau, der max hat was schlimmeres erlebt - jetzt geht es mir besser"

Ich weiss, dass mich die Kriegszeit sehr geprägt hat und auch wenn ich anscheinend stärker bin als so manch anderer - spiegelt sich der Krieg in allem wieder was ich tue, wie ich meine Kinder erziehe und wie ich mir die Zukunft wünsche..
und meine Erlebnisse waren 1/4 von dem was etliche meiner Freunde erlebt haben...und jeder von uns verarbeitet es anders...lebt anders damit...
Wahrscheinlich hat es mit dem Charakter der Person zu tun... aber das gleiche Leid wirkt auf einen so...und auf den anderen eben so...
Ich habe das "glück" von Menschen umgeben zu sein, die sehr viel erlebt haben - und wären da nicht die Narben ...würde ich sovieles nicht glauben... aber es geschah...
Ich möchte nicht wissen - wie ich wäre - wenn ich durch ihre Hölle gegangen wäre...
vielleicht wäre ich stärker...vielleicht wäre ich es nicht...
Ich verstehe dich ...aber ich muss sagen...ihn verstehe ich auch...

Das könnte dich auch interessieren

.
Sie kochen, kosten und kreieren: Amina...
.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...

Anmelden & Mitreden

1 + 1 =
Bitte löse die Rechnung