Liesinger fordern Zaun rund um Flüchtlingsheim.

15. Februar 2016

Gastbeitrag von Jeanette Chalbi

Als Flüchtlingskoordinator Peter Hacker zusammen mit Bezirksvorsteher Gerhard Bischof die Idee hatte, am Freitag eine Bürgerversammlung in Liesing einzuberufen, konnte wohl niemand erahnen, welchen Sturm an offenkundigem Rassismus, volksverhetzenden Meinungen und radikaler Starrköpfigkeit diese entfesseln würde.

Liesing – In der Perchtoldsdorfer Straße, im Haus der Begegnung, fand am 12. Februar die groß angekündigte Bürgerversammlung statt, die über die Verhältnisse des geplanten Flüchtlingsquartiers in der Ziedlergasse (Atzgersdorf) aufklären und etwaige Ängste zerstreuen wollte. Aufgrund des großen Andrangs war für Interessierte eine Anmeldung notwendig, außerdem wurde ein zweiter Termin für Dienstag angesetzt. Pünktlich um 18:00 wurde die Veranstaltung eröffnet. Unter anderem sollten Flüchtlingskoordinator Peter Hacker, Polizeihauptmann Walter Czapek und Bezirksvorsteher Gerhard Bischof die Fragen und Anliegen der knapp 600 ZuhörerInnen behandeln und so einen Dialog zwischen Regierung und BürgerInnen schaffen. Damit das Ganze nicht in eine unsachliche Diskussion ausartet, wurde Peter Resetarits als Moderator eingesetzt, was sich gleich zu Beginn bewährte.

Besorgte Stimmen

Die Anliegen der LiesingerInnen waren, wie erwartet, die Sicherheit von Frauen und Kindern sowie der Einwand, “dass man nicht gefragt wurde". Außerdem hatten viele Angst vor einer ausländischen Belagerung des Liesingbachs, man würde dort nicht mehr in Ruhe spazieren gehen können und die Bänke und Tische würden alle von den Flüchtlingen besetzt werden. “Wer garantiert mir, dass die nicht auch dorthin [die Liesing entlang, Anm.] gehen?”, rief eine Frau dazwischen. Hacker betonte, dass großteils Familien in der Ziedlergasse untergebracht werden und alle Bewohner natürlich das Recht hätten, sich einigermaßen frei zu bewegen und auch an der Liesing spazieren gehen dürften.

Laute Stimmen

Schon in den ersten zehn Minuten fielen die ersten lautstarken Zwischenrufe, eine Frau ging sogar so weit, sich vor dem Podium mit schriller Stimme über die “Asylanten” Luft zu machen und wandte sich dann dem Saal zu, um die Stimmung weiter aufzuheizen.  Immer wieder versuchte Resetarits zu beschwichtigen und hatte sichtlich Mühe, das Publikum, das sich permanent selbst aufstachelte, in Zaum zu halten. Eine feindselige Stimmung hatte sich ergeben und Aussagen von Flüchlingskoordinator Hacker oder Polizeihauptmann Czapek wurden mit “Lüge, Lüge!” oder einem sarkastischen “Ja, sicher!” quittiert. Viele nutzten die Möglichkeit, Forderungen und Fragen zu stellen, die teilweise gerechtfertigt waren und teilweise einfach unsinnig. Die meisten sprachen von den Flüchtlingen als wären sie unerwünschter Abschaum, der ihre Kinder bedroht, Frauen vergewaltigt und alles, was er berührt, verunreinigt. Der Vorschlag aus dem Publikum, einen Zaun zu errichten (“aber schon so hoch, dass die nicht drüber können”), wurde unter Gejohle freudig akzeptiert. Ad absurdum trieben es einige Zuhörer, die nun wegen des Quartiers sinkende Immobilienpreise fürchteten. Der Liesinger FPÖ-Klubobmann Roman Schmid enthielt sich der Diskussion und verließ die Versammlung ziemlich rasch.

Leise Stimmen

Die hasserfüllte Atmosphäre machte es denjenigen schwer, die durchaus Positives am Projekt Ziedlergasse sahen. Wenige brachten den Mut auf, sich der Menge zu stellen, um falsche Informationen und Gerüchte zu zerstreuen oder einfach etwas Gutes über die Situation auszusprechen. Doch das Recht auf Meinungsfreiheit, auf das sich in letzter Zeit alle so gern berufen, galt hier nicht. Im Schwall höhnischen Gelächters oder kräftigen Ausbuhens ging jeder Versuch, die Stimme zu erheben, unter.

Fakten

Es steht außer Frage, dass aus dem ehemaligen Bürogebäude ein Quartier wird, die Versammlung sollte nur dem Dialog dienen. 1400 Menschen könnten theoretisch dort untergebracht werden, doch nach Verhandlungen einigte man sich auf maximal 750. Den Großteil werden Familien bilden, für eigene Schulräume wird gesorgt, um Liesings Schulen nicht zu belasten. SozialarbeiterInnen und Securitys werden rund um die Uhr anwesend sein, auch einen Portier, bei dem sich Flüchtlinge an- und abmelden müssen, wird es geben. Das Quartier ist nur eine Übergangslösung und wird bis voraussichtlich 2017 bestehen bleiben. Bis jetzt war Liesing trotz seiner Größe einer der wenigen Bezirke ohne Flüchtlingsunterkunft. Auch Döbling hat schon eine, in der Bachofengasse (“Und was is’ mit Döbling?”, wurde tatsächlich dazwischengerufen).

 

Fazit

Insgesamt dauerte die Versammlung zwei Stunden und ließ einen sichtlich erschöpften Bezirksvorsteher, einen betroffenen Flüchtlingskoordinator und einen fassungslosen Moderator zurück - sie alle hätten so etwas noch nicht erlebt. Das Ziel, die Ängste zu zerstreuen und Vorurteile abzubauen, wurde nicht erreicht. Aus dem Publikum wurde immer mehr eine laute und primitive Masse. Es wurde eine Möglichkeit geschaffen, sich im Haus der Begegnung zu einer hetzerischen Meute zusammenzuschließen, die nun gemeinsam für eine angespannte Stimmung im Bezirk sorgen wird. Es fehlte nicht viel, und sie hätten zu Mistgabeln und Fackeln gegriffen. Sind das die hochgehaltenen Werte, die sie den Flüchtlingen aufzwingen wollen?

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