“Aus Hilfe vor Ort wurden Häfen vor Ort” - Der große Traum der “Festung Europa”

06. April 2023
Die Hilfsorganisation SOS Balkanroute deckte am Mittwoch die neuen Pläne für das Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien-Herzegowina auf. Das an Kroatien angrenzende Camp soll umgebaut werden. Und zwar soll eine “Gefängniseinheit” gebaut werden. In dieser sollen Migrant:innen aufgehalten und abgeschoben werden. Es ist also nicht genug, sie aus der EU zu prügeln. Sie sollen bis an den Ort, den sie geflohen sind, zurückgetrieben werden.
 
von Dennis Miskić
 
Das Foto zeigt etwa 40 am Boden liegende Männer. Allen wurden die Hände hinter dem Rücken verbunden. Einige von ihnen haben nicht einmal Schuhe an. Gemacht wurde es von einem kroatischen Grenzpolizisten, der es in einer WhatsApp-Gruppe mit etwa 30 anderen Kolleg:innen, darunter auch hochrangige Beamte und Pressesprecher, geteilt hat. Was sie da dokumentieren, sind illegale Pushbacks. Das wurde am Donnerstag durch eine investigative Recherche von Lighthouse Reports aufgedeckt. Die Kolleg:innen arbeiteten mit Medien wie etwa dem Spiegel, ORF und Novosti zusammen, um Beweise für die gewalttätigen Pushbacks zu sammeln. Damit führen sie ihre preisgekrönte Arbeit fort, das illegale Vorgehen der kroatischen Grenzpolizei aufzudecken. Im Oktober 2021 konnten sie die Pushbacks sogar verdeckt filmen. Das Video zeigt, wie die Beamten mit Sturmmasken und Schlagstöcken 12 bis 15 Menschen aus einem weißen Van ziehen, in den Wald bringen und verprügeln. Dann befehlen sie ihnen, sich durch den Wald auf den Weg nach Bosnien zu machen. Viele berichten auch von Beschimpfungen. Das ist aber nichts Neues. Die damalige kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović gab sogar in einem Interview mit Index 2019 zu, dass diese Pushbacks passieren. “Natürlich ist ein bisschen Gewalt notwendig”, sagte sie damals zynisch. Damit gab sie offen zu, dass Kroatien internationales Recht bricht. Und trotzdem werden sie weiterhin von der EU finanziert.
Gefängnis im Flüchtlingscamp
Und nun auch noch das: Die Hilfsorganisation SOS Balkanroute deckte am Mittwoch die neuen Pläne für das Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien-Herzegowina auf. Das an Kroatien angrenzende Camp soll umgebaut werden. Und zwar soll eine “Gefängniseinheit” gebaut werden. In dieser sollen Migrant:innen aufgehalten und abgeschoben werden. Es ist also nicht genug, sie aus der EU zu prügeln. Sie sollen bis an den Ort, den sie geflohen sind, zurückgetrieben werden. 
“Aus Hilfe vor Ort wurden Häfen vor Ort”, sagt Obmann und Gründer Petar Rosandić. “Herbert Kickls Fantasien über das Konzentrieren von Menschen sind in Lipa leider Realität geworden, realisiert von einer türkisgrünen Regierung“, sagt er weiter. Der Flüchtlingshelfer wird auch nicht müde zu betonen, dass Österreich hier nicht unschuldig ist. Nachdem das Camp im Dezember 2020 abgebrannt ist, wurden 820.000 Euro für den Wiederaufbau gespendet. 480.000 für “den Ausbau der Strom- und Elektrizitätsversorgung sowie des Wasser- und Abwassernetzes”, 17.000 Euro für einen (!) Krankenwagen und 320.000 Euro für die Container, in denen die Migrant:innen schlafen sollen. Das Logo des österreichischen Innenministeriums ist ebenfalls am Gelände angebracht.
Die Pläne für diese “Gefängniseinheit”, wie sie offiziell vom bosnischen Sicherheitsministerium genannt wird, sind noch unklar. Lokale Politiker wussten über diese Pläne nichts und haben jetzt Antworten von den zuständigen Personen gefordert. Darunter auch vom österreichischen EU-Botschafter Johann Sattler.
Geschlossene Balkanroute?
Der völlige Wahnsinn um die europäische Flüchtlings- und Asylpolitik setzt sich also weiter fort. Die ÖVP und FPÖ haben es in den letzten Jahren geschafft, den Diskurs um diese Themen zu dominieren. Das Ziel scheint fast vollständig realisiert zu sein: Der Bevölkerung Angst vor Migrant:innen machen und diese in weiterer Folge verprügeln und abschieben. Und dafür werden sie auch noch bejubelt. Zudem ist die Meinung von Expert:innen mittlerweile nichts wert.
Wir sehen buchstäblich dabei zu, wie unschuldige und fliehende Menschen von bewaffneten Beamten verprügelt und ausgeraubt werden. Ständig reden sich Politiker:innen darauf aus, dass man ja den “Kampf gegen illegale Migration” betreiben würde. Und für diesen Kampf, also den Schlagstock ins Gesicht des Migranten, gibt es dann in Österreich ordentlich Applaus.
Aber die “illegale Migration” ist ein von der EU geschaffenes Konstrukt. Es dient nur, das Gewissen der zuständigen Personen zu bereinigen und Unwissende glauben zu lassen, dass das Richtige getan wird.
Oft wird dann darauf hingewiesen, dass es legale Wege für einen Asylantrag gibt. Reality Check: Den gibt es nicht. Um erst das Recht auf Asyl in Anspruch nehmen zu können, müssen Migrant:innen über die Grenzen kommen. Und dafür gibt es keinen legalen Weg.
Für Sebastian Kurz wird seine so hoch gerühmte Errungenschaft, die Balkanroute geschlossen zu haben, eine Illusion bleiben. Er hat sie nicht geschlossen. Die EU hat daraus aber die Hölle auf Erden für schutzsuchende Menschen gemacht. 

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