biber Wohn-special: SCHMUTZIGE GEHEIMNISSE

07. März 2011

Sie sehen einfach alles. Ausgerüstet mit Wischmob, Reinigungsmittel und Staubsauger tauchen Putzhilfen tagtäglich in unseren Alltag ein – und entlarven schon mal vermeintliche Saubermänner als unappetitliche Schmutzfinke.

von Linda Say, Anna Thalhammer und René Wallentin (Fotos)

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Man braucht nur Branka und ihren Kolleginnen zuhören, wenn sie über ihre Arbeit sprechen. Sie arbeiten neben ihren regulären Jobs privat als Putzfrauen. Ein eigentlich meist lukratives Nebeneinkommen für eine Arbeit, die sie gerne machen. Wären da nur nicht die vollgekackten Unterhosen, benutzten Tampons und Kondome, die sie beseitigen müssen.

 

Branka schwingt seit bald 40 Jahren den Besen, der ihr schon allerhand vor die Füße gekehrt hat. Drei Mal wöchentlich putzt sie für zwei Stunden die Wohnung eines Arztes, in dessen Praxis sie seit Jahren beschäftigt ist. Acht Euro die Stunde bringt ihr der Nebenerwerb. „Die Praxis ist immer blitzblank, weil ich sie ja täglich wische. Aber die Wohnung ist eine Katastrophe“, sagt Branka, ihre Mundwinkel ziehen sich immer weiter nach unten. „Einmal kam ich in die Wohnung und es stinkte fürchterlich. Als ich aufs Klo ging, wusste ich endlich warum. Der Herr Doktor hatte vergessen, die Spüle zu betätigen.“
Trotzdem denkt die 56-jährige Bosnierin noch lange nicht ans Aufhören. In der Pension will sie aber nur noch dort putzen, wo sie sich wohlfühlt. Dann ist es vorbei mit dem Aufräumen für verzogene Muttersöhnchen. „Nie wieder putzen in WGs! Ihhh ich kriege Läuse, wenn ich nur daran denke“, sagt die traumatisierte Branka und kratzt sich den Kopf.

Traumwelt
Rajka unterrichtete vor dem Balkankrieg an einem serbischen Gymnasium Mathematik. Jetzt arbeitet sie als Haushälterin bei einer wohlhabenden Familie und wundert sich ebenfalls über die Hygiene des Hausherren. Auch seine Unterhosen sind von fetten Bremsspuren gezeichnet. „Dabei ist er so ein fescher Mann“, erzählt sie.  „Eine angekackte Unterhose passt einfach nicht zu ihm.“ Für Rajka ist die Situation eindeutig: „Seine Frau ist schuld. Sie hat bei der Erziehung ihres Mannes versagt. Wäre mein Mann so ein Schwein, hätte ich ihn schon längst mit dem Kochlöffel verjagt.“
Rajkas Mann ist vor einigen Jahren an Krebs verstorben, Kinder hat sie keine. Sie lebt ganz alleine in Wien. Nach Serbien zurückzugehen ist aber auch keine Alternative, denn dort warten nur böse Erinnerungen auf sie. Rajkas Familie ist die, für die sie arbeitet. Und die Kinder, für die sie jeden Tag kocht, liebt sie wie ihre eigenen.
Wenn keiner im Haus ist, stellt sie sich vor, sie würde dort wohnen und all die teuren Crémes und Parfums der Frau wären ihre eigenen. Doch auf den Mann und seine dreckigen Unterhosen verzichtet sie gerne.

Die „lieben“ Viecher
Die Frau Magister, für die Ljubica wischt und fegt, hat keine Kinder, sondern eine Katze. Und was für eine. „Die Katze ist unheimlich. Egal, wohin ich gehe, sie folgt mir auf Schritt und Tritt. So als würde sie kontrollieren, ob ich auch richtig sauber mache“, erzählt Ljubica. Doch die Katze der Frau Magister, die ein Geschäft im ersten Wiener Gemeindebezirk führt, kann noch mehr. „Am ersten Tag ermahnte mich die Frau, ja nie die Klotüre abzuschließen. Ich verstand nicht warum, bis ich beobachtete wie die Katze – hopp ­– auf die Klobrille sprang und ihr Geschäft verrichtete wie ein Mensch!“ Für die 58-jährige Kroatin haben Tiere in der Wohnung nichts zu suchen, schon gar nicht am Klo: „Wir haben als Kinder die Katzen immer mit den Schlapfen vertrieben. Jetzt muss ich einer sogar die Klotüre offen halten.“  Eines Tages vergaß Ljubica jedoch darauf und machte auf dem Weg nach Hause wieder kehrt. Ihr Herz pochte und sie schwitzte als sie die Wohnungstür wieder aufsperrte. „Die Katze stand da und fauchte mich böse an. Sie wusste, dass ich komme und hat auf mich gewartet. Wie ein Mensch!“ Seitdem traut Ljubica Katzen noch weniger über den Weg.

 

 

Im Dienst der alten Dame
Die 52-jährige Katarzyna hat eher mit menschlichen Eigenheiten zu kämpfen. Die gebürtige Polin putzt für eine alte Frau, die sie von Anfang an mit „du“ ansprach und mit Katarzyna in einem Deutsch redete, als wäre sie erst gestern im Lande. Vor allem ist die alte Dame aber geizig. „Immer gibt sie mir meinen Lohn auf den Cent genau. Dabei ist es wirklich nicht leicht, für sie zu arbeiten.“ Die betagte Kundin kommt nicht immer rechtzeitig aufs Klo: „Lüften ist auch nicht erlaubt, da die alte Frau immer so friert und sie ist ein richtiger Drachen.“

Viel lieber arbeitet Katarzyna im Studentenwohnheim: „Die sind zwar schlampig und das Geschirr stapelt sich oft zu Bergen, aber sie behandeln mich mit Respekt. Ab und zu helfen sie mir sogar.“ Wenn ihr auch noch Kaffee angeboten wird, ist für Katarzyna der Tag schon gerettet. Sie wundert sich, dass sie für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich behandelt wird. „Es kommt eben immer auf den Menschen an“, sagt Katarzyna.

Über frischen Kaffee freut sich auch Halime, die aus der Türkei stammt. „Eine junge Bulgarin, für die ich arbeite, ist Geschäftsfrau. Doch egal, wie eilig sie es hat, einen Kaffee stellt sie mir immer bereit.“ In einem Verlagshaus hingegen, wo die 46-Jährige ab und zu als Vertretung arbeitet, wird die Mutter von zwei Kindern schon mal als Möbelpackerin eingesetzt: „Die Kisten waren so schwer, dass ich meinen Mann zur Hilfe holen musste. Selbst er hat es nur schwer geschafft, die Last all die Stufen hinunterzuschleppen. Aufzug gibt es ja keinen.“ Halime schätzt sich dennoch glücklich, weil sie drei Euro mehr bekommte als die Putzfrau, die dort sonst immer die Arbeit verrichtet.

 

Putzen und dann pflegen
Möbelpacken, Kochen und Katzenklo-Hüten sind nicht die einzigen Qualifikationen, die von einer Putzfrau heutzutage für einen Minilohn erwartet werden.  Branka erinnert sich an eine alte Frau, für die sie jahrelang jeden Tag geputzt hatte. „Am Anfang hat sie mich die Stufen ihrer Hausbesorgerwohnung auf den Knien mit einer kleinen Bürste und Reinigungsmittel putzen lassen. Bis sie schlagartig pflegebedürftig wurde und von mir verlangte, das Putzen sein zu lassen, damit ich mich um sie kümmern konnte. Ich wusch ihr die Füße, kämmte ihr das Haar und übernachtete sogar dort. Manchmal schlich sie zu mir ins Zimmer, um nachzusehen, ob ich jemanden bei mir im Bett hätte. Meinen Sohn musste ich zu Hause bei seinem Vater lassen. Die durften nämlich nur tagsüber kommen.“ Die alte Frau ist dann verstorben und Branka merkte  bei der Beerdigung, dass ihre Kundin fast keine vertrauten Freunde hatte. „Gott habe sie seelig“, sagt Branka heute wenn sie an die alte Dame denkt und bekreuzigt sich.

Halime wundert sich über die Familienverhältnisse, die sie in österreichischen Haushalten beobachtet. „Im Vergleich zu uns Türken sind die Famlien viel ruhiger im Umgang miteinander. Aber wirklich nahe stehen sie sich nicht, das spürt man. Am Anfang hatte ich Mitleid, es ist wohl eine andere Kultur.“ Katarzyna hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie arbeitete einmal mehr aus Mitleid, denn aus Pflicht für eine grimmige alte Frau und lernte auch deren Tochter kennen. Katarzyna bedauerte das kühle Verhältnis zwischen Mutter und Tochter: „Egal, wie gemein die alte Frau ist, im Endeffekt ist das ihre Mutter. Und zu der hat sie gefälligst nett zu sein.“

 

 

Der Hinterhalt
Branka, Ljubica, Rajka, Halime und Katarzyna haben sich mittlerweile an die oft merkwürdigen und fremden Lebensweisen ihrer Mitmenschen gewöhnt. Auch an die Fallen, die den Putzfrauen ab und zu gestellt werden, um ihre Verlässlichkeit auf den Prüfstand zu stellen. Ihr einhelliger Ratschlag: „Man muss aufpassen, wenn man Geld findet. Auch wenn es nur Cent-Münzen sind. Man hebt sie auf und legt sie an einen sichtbaren Ort. Dann wissen die Dienstgeber, dass man zwar geputzt, das Geldstück aber bewusst auf diese Stelle gelegt hat.“ Ljubica weiß von dem ein oder anderen Hinterhalt zu berichten: „Am Klo pinkeln sie manchmal absichtlich daneben, nur um zu sehen, ob du das auch wegmachst.“ Auch Halime ist vorsichtig: „Wenn ihr einen Farbfleck seht, obwohl nicht frisch gestrichen ist, entfernt die Flecken mit dem Fingernagel. Die legen es nur darauf an.“

Branka und ihre Freundinnen sind im wahrsten Sinne des Wortes „integriert“. Sie haben nicht nur österreichische Haushalte von innen erlebt, auch in die österreichische Seele haben sie Einblick genommen. So manch tiefen Einblick woandershin hätten sie sich wohl gerne erspart.

 

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Kommentare

 

gefällt mir!

 

super artikel..

vorallem das mit der katze einfach genial erzählt.. den rest hab ich lachend gelesen :))

ajo besteht eine möglichkeit die blonde putzfrau kennen zulernen? mein zimmer gehört bissi auf gepeppelt..

linda anna dickes ++++++++++++++++++++++

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